Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus
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"Gib mir Feuerschutz!", rief ich an Milo gerichtet.
Wir hatten ja keine Ahnung, ob unser Gegner allein operierte.
Milo schoss, was das Zeug hielt.
Ich lief in geduckter Haltung den Bürgersteig entlang. Die parkenden Fahrzeuge boten dabei etwas Deckung. Dann schlug ich einen Bogen, lief über die Straße.
Ich pirschte mich an den ehemaligen Supermarkt heran, presste mich schließlich gegen die Mauer. Es wurde nicht mehr geschossen. Zwischen dem Supermarkt und dem Gebäude zur Linken befand sich die Zufahrt zu einem an der Rückfront gelegenen Parkplatz. Ich spurtete los. An der Ecke stoppte ich, pirschte mich heran und tauchte mit der SIG im Beidhandanschlag aus der Deckung hervor.
Ein einzelner Van befand sich auf dem Parkplatz.
Typ, Baujahr und die ersten Ziffern des Nummernschildes stimmten mit dem überein, was ich mir von Mortons Fahrzeug gemerkt hatte. Es war niemand im Wagen.
Auf der Rückfront des Supermarktes befand sich eine Laderampe für Zulieferer. Daneben eine Tür für den Personalzugang. Sie stand einen Fußbreit offen, flog im nächsten Moment zur Seite.
Ich riss die SIG empor.
Mein Gegenüber trug eine Wollmütze, ziemlich weite Hosen und in der Rechten ein Sturmgewehr, wie es von Scharfschützen der Army benutzt wurde.
"Waffe weg, FBI!", rief ich.
Er erstarrte für eine Sekunde.
Sein graues Fleece-Shirt wies einen ziemlich großen, dunkelroten Fleck auf. Der Kerl hatte offensichtlich eine Kugel abbekommen.
"Hey, Mann, immer cool bleiben!", brachte der junge Mann heraus. Er atmete schwer. Die Wunde machte ihm offenbar zu schaffen.
Ich näherte mich.
"Bist du allein?"
"Scheiße, wenn ich 'ne Antwort gebe, legst du mich um!"
"Ich bin G-man, kein Killer! Leg jetzt verdammt noch einmal die Waffe auf den Boden! Und zwar ganz langsam!"
Er schluckte.
Dann riss er plötzlich sein Sturmgewehr hoch, feuerte einhändig in meine Richtung. Ein ziemlich ungezielter Schuss. Ich warf mich seitwärts, feuerte beinahe im selben Moment. Die Kugel meines Gegners pfiff dicht an mir vorbei.
Ich hatte auf seine Beine gezielt, ihn aber offenbar ebenfalls verfehlt.
Er befand sich nicht mehr in der Tür. Ich rappelte mich auf, pirschte mich an die Tür heran. "Geben Sie auf! Sie kommen da nicht heraus!"
Ich hörte Geräusche aus dem Inneren.
Milo bog inzwischen um die Ecke.
"Alles klar, Jesse?", fragte er.
Ich nickte. "Der Schütze ist da drinnen. Er hat eine Schussverletzung am Oberkörper."
"Ich habe Verstärkung gerufen."
"Die haben wir auch dringend nötig. Ich glaube nämlich nicht, dass wir lange mit dem Kerl allein bleiben werden."
"Holen wir ihn uns!"
Milo nahm die SIG mit beiden Händen. Er stürmte ins Innere des Supermarktes. Die Beleuchtung war ohne Stromversorgung. Da die Fensterfront zur Straße ja mit Spanplatten vernagelt war, herrschte Halbdunkel. Licht fiel nur durch ins Mauerwerk eingelassene Glasbausteine und eine Reihe kleiner Fenster knapp unterhalb der Decke. Leere Regale bildeten ein Labyrinth. Wenn der Kerl es darauf anlegte, konnte er uns hier eine ganze Weile zum Narren halten. Milo deutete auf dunkelrote, frische Flecken auf dem Boden. Blutflecken.
Die Spur führte hinter eine Regalwand.
Milo und ich verständigten uns mit ein paar Zeichen. Wir hatten so viele gemeinsame Einsätze hinter uns, dass wir uns beinahe blind verstanden.
Milo folgte der Spur. Ich schlug einen Bogen.
Wir wollten den Kerl in die Zange nehmen.
Mit seiner Verwundung konnte er ohnehin nicht weit kommen.
Wir bewegten uns lautlos.
Ich bemerkte den Strahl eines Laserpointers, der an der Decke entlang tanzte. Nur Sekunden dauerte das. Unser Gegner hatte einen Fehler gemacht, indem er den Lauf der Waffe in einem zu steilen Winkel angehoben hatte. Das verriet mir jetzt ungefähr seine Position. Milo hatte es bestimmt auch gesehen.
Ich lief in geduckter Haltung, die SIG in der Rechten.
In einer der engen Gassen zwischen Regalwänden stellte ich ihn. Er kauerte am Boden, atmete schwer. Zunächst bemerkte er mich gar nicht. Sein Blick war in die entgegengesetzte Richtung gewandt. Milo tauchte auf, richtete die SIG auf ihn.
Er wollte das Sturmgewehr empor reißen. Aber mit einer Hand war das ziemlich schwierig. Die andere Hand presste der Verletzte auf seine Wunde. Das Blut rann ihm dabei zwischen den Fingern hindurch.
Ich stürzte von hinten auf ihn zu.
Als er mich bemerkte, war es zu spät für ihn.
Ich bog mit der Linken seinen Waffenarm zur Seite.
Ein Schuss löste sich, riss ein faustgroßes Loch in eine der Spanplatten hinein, aus denen die Regalwände bestanden.
Meine SIG setzte ich ihm an die Schläfe.
Er erstarrte.
"Das Spiel ist endgültig aus", stellte ich klar. "Ich bin Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York. Du bist hiermit verhaftet. Und sobald ich die Hände frei habe, zeige ich dir sogar meine ID-Card."
Er ließ das Sturmgewehr los.
Ich ließ es in Milos Richtung über den Boden rutschen. Mein Kollege nahm es an sich, während ich den Killer mit meinen Handschellen fesselte. Trotz der Verletzung, die der Kerl davongetragen hatte, war das offenbar nötig. Milo hatte das Handy am Ohr und sorgte dafür, dass sich auch eine Rettungseinheit des Emergency Service auf den Weg hier her machte. Die Wunde sah ich mir kurz an. Ein glatter Durchschuss durch den Schulterbereich. Keine unmittelbare Lebensgefahr.
Ich durchsuchte ihn so gut es ging.
In der Knietasche seiner überweiten Cargo-Hosen befand sich ein Führerschein, der längst abgelaufen war. Aber das Foto passte zu dem Mann. Er hieß Allan Tucoma, war gerade einundzwanzig Jahre alt. Außerdem trug er noch ein Prepaid-Handy bei sich. Ich hoffte nur, dass er noch nicht dazu gekommen war, seine Leute zu rufen.
"Du bist ziemlich jung für einen Killer", stellte ich fest.
"Du kannst mich mal!"
"Bevor du noch irgendetwas