Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus
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4
Die Seitenscheibe auf der Beifahrerseite öffnete sich. Eileen blieb stehen und blickte ins Innere. „Na, was kann ich für dich tun?“, fragte sie mit einem anzüglichen Unterton, der jedem potentiellen Freier gleich klarmachte, dass dieser Dialog ein Geschäft anbahnte. Auf der anderen Seite hatte sie nichts gesagt, was sie in den Augen des Gesetzes schon als Straftäterin gebrandmarkt hätte.
Prostitution war im Staat New York strafbar und die Vice-Abteilungen der zuständigen Polizeireviere setzten mit Vorliebe Lockvögel ein, um sowohl Prostituierte als auch Freier reihenweise anklagen zu können. Eine Vorgehensweise, die rechtlich sehr umstritten war, da die Polizei das von ihr angeklagte Vergehen selbst aktiv anbahnte. Weil es allerdings kaum im persönlichen Interesse der Angeklagten lag, diese Frage wirklich bis zum Obersten Gerichtshof durchzufechten, blieb es in zahlreichen Bundesstaaten bei dieser Praxis.
Eileen versuchte zu erkennen, wer hinter dem Steuer der Limousine saß. Die Gestalt beugte sich ihr entgegen. Etwas Licht fiel jetzt von der Leuchtschrift des nahen Hotels auf das Gesicht.
Eileen schüttelte den Kopf.
„Nein, tut mir leid, so etwas mache ich nicht!“, erklärte sie bestimmt.
Sie ging die Straße entlang Richtung Hotel. Dort hatte sie ein Zimmer. Der Wagen folgte ihr.
Die Gestalt am Steuer hatte jetzt auch die Seitenscheibe auf der Fahrerseite herabgelassen. Eine Hand in einem Lederhandschuh hielt Geldscheine empor.
Eileen drehte sich kurz um.
Dreihundert Dollar, durchfuhr es sie. Sie blieb stehen, der Wagen ebenfalls.
Sie umrundete den Wagen und trat auf der Fahrerseite an das geöffnete Seitenfenster. Die Hand hielt ihr das Geld hin. Etwas ließ sie zögern.
Dann nahm sie doch das Geld.
„Ich sagte ja, eigentlich mache ich so etwas nicht. Schließlich habe ich meine Grundsätze, aber...“
Stumm deutete die Gestalt auf den Platz auf dem Beifahrersitz. Eileen nickte. Sie umrundete den Wagen erneut und stieg ein.
„Du musst es ja ganz schön nötig haben!“, glaubte sie und steckte die Scheine in ihre Handtasche.
5
Es war kurz nach Mitternacht, als die Eingangstür des Hotels Parrinder zur Seite flog.
Ein Mann in einem hellgrauen Wollmantel trat ein. Das blauschwarze Haar trug er schulterlang. Es war zu einem Zopf zusammengefasst.
Mit weiten Schritten ging er quer durch das Foyer und zog eine Waffe hervor. Es handelte sich um eine sehr zierliche Maschinenpistole vom Typ Uzi.
Der Portier erstarrte und wollte in eine Schublade greifen, aber die Uzi knatterte bereits los. Ein Dutzend Schüsse ging knapp über den Portier hinweg und zeichnete hinter ihm ein Lochmuster in die Wand.
„Wo ist Eileen?“, fragte er anschließend.
„Ich... ich habe keine Ahnung!“, stotterte der Portier.
„Ich pump dich voll Blei, wenn du mir keine Antwort gibst! Ich lass mich nicht länger hinhalten!“
Ein Mann kam die Freitreppe herunter, die ins Obergeschoss führte. Er trug einen silbergrauen Maßanzug. Die Linke war in der Hosentasche verborgen.
„Jack Mancuso, immer noch der alte Hitzkopf! Was machst du hier für einen Zirkus?“, fragte er. „Zerballerst mir die ganze Einrichtung! Was glaubst du, was das alles kostet!“
Jack drehte sich um und richtete die Uzi auf den Mann im Anzug, eine grauhaarigen Endvierziger mit dünnem Oberlippenbart und einem überlegenen Lächeln.
„Ich habe tagelang versucht, dich zu erreichen, Sonny!“
„Und? Hier bin ich! Was gibt es zu besprechen?“
„Es geht um Eileen!“
„Sie hat sich entschieden, Jack.“
„So?“
„Sie will lieber für mich arbeiten. Da wird sie nämlich nicht so oft verprügelt und kann mehr von ihrem Geld für sich behalten. Außerdem kann ich sie beschützen – im Gegensatz dazu bist du eben ein Loser, Jack!“
Jacks Gesicht lief rot an. Sein Gesicht verzog sich zur Grimasse. Er richtete die Uzi in Kopfhöhe auf sein Gegenüber.
„Was ist los, willst du mal wieder durchdrehen, Jack? Wer einen Sonny Ricone bedroht, sollte sich das gut überleben. Ich habe nämlich viele gute Freunde, die du dann am Hals hättest...“
„Wo ist Eileen?“, wiederholte Jack.
Sonny Ricone grinste schief. „Ich verstehe schon, dass es dich ziemlich anpisst, dass Eileen jetzt bei mir ist. Immerhin hast du ja wohl ausschließlich von dem gelebt, was sie herangeschafft hat.“ Ricone zuckte mit den Schultern. „Dann hättest du halt etwas netter zu ihr sein sollen! Das letzte Mal hast du sie so zugerichtet, dass sie fast nicht mehr einsetzbar gewesen wäre! Glücklicherweise kenne ich einen guten Doc, der so etwas wieder hinkriegt! Aber jetzt hat sie von dir einfach die Nase voll! Akzeptier das und verschwinde.“
„Ich will das aus ihrem eigenen Mund hören!“
„Brad hat dir schon gesagt, dass sie nicht hier ist.“
„Wo finde ich sie, verdammt noch mal?“ Er ließ die MPi erneut losknattern.