Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore
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Читать онлайн книгу Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis - Cedric Balmore страница 36
„Mona Lisa!“, antwortete Erich Bertram knapp, aber laut.
Immer mehr Menschen in den vorderen Reihen drehten sich zu ihm um, und der Polizeipräsident erkannte, dass er nun im Mittelpunkt des Interesses stand. Und wenn er ehrlich zu sich war, gefiel ihm das am heutigen Abend überhaupt nicht. Er wollte unerkannt und allein im Publikum hören, was diese amerikanische Suffragette zu verkünden hatte, und danach handeln. Aber nun entwickelte sich alles in eine andere Richtung, zumal Fräulein Keller erneut lautstark um Aufmerksamkeit und Ruhe bat.
Warum konnte ich mich wieder einmal nicht zurückhalten?, ging es Bertram durch den Kopf. In diesem Augenblick glaubte er, im Halbdunkel des Saales ein paar Reihen vor sich ein bekanntes Gesicht entdeckt zu haben, aber der Mann drehte sich hastig wieder um, und Bertrams Aufmerksamkeit wurde abgelenkt.
„Meine Damen und Herren, Polizeipräsident Bertram hat es mir soeben bestätigt: Einer der spektakulärsten Kunstraube konnte nicht aufgeklärt werden, weil man dem Dieb, jenem Vincenzo Peruggia, den Diebstahl der Mona Lisa nicht beweisen konnte.“
„Sehr richtig!“, ließ sich erneut der Polizeipräsident vernehmen. „Und das trotz des vorhandenen Fingerabdruckes!“
„Da stimme ich Ihnen zu, Herr Bertram! Mit seinen hinterlassenen Fingerabdrücken hatte man ihm den Diebstahl nachweisen können,“ konterte die junge Wissenschaftlerin. „Aber nicht, weil man sie ihm nicht zuordnen konnte, sondern weil aufgrund einer unglaublichen Schlamperei in der zuständigen Polizeibehörde die genommenen Fingerabdrücke nicht mit denen in der Kartei befindlichen Daten verglichen werden konnten! Und weshalb war das nicht möglich? Weil man sie in einem chaotischen System abgelegt hatte!“
„Der Fall wurde schließlich auch ohne diese Fingerspuren gelöst!“, rief Bertram erneut dazwischen.
„Ja, nachdem das berühmte Bild der Mona Lisa zwei Jahre im Besitz des Diebes war und er dann dumm genug war, es einem Händler zum Kauf anzubieten!“, antwortete Fräulein Keller.
Erneute Unruhe im Publikum, es wurde geflüstert, aber dann brachte die Referentin alle mit ihrer nächsten Ankündigung wieder zur Ruhe.
„Bitte, bewahren Sie absolute Ruhe. Ich benötige jetzt Ihre Aufmerksamkeit für ein besonderes Experiment!“
Einen kurzen Moment wartete Fräulein Keller ab, dann hob sie beschwörend ihre Hände.
„Was Sie jetzt erleben werden, ist der Beweis, dass die moderne Wissenschaft in der Lage ist, einen Täter zu überführen. Dazu müssen Sie wissen, dass bei der Daktyloskopie nachgewiesen werden kann, welcher Mensch zum Beispiel eine Waffe in der Hand gehalten hat. Jeder Mensch hinterlässt bei allen Gegenständen, die er angefasst hat, seinen persönlichen Abdruck. Zahlreiche Experimente haben bewiesen, dass es keine zwei Menschen auf der Welt gibt, die die gleichen, völlig übereinstimmenden Fingerabdrücke haben.“
Es gab erneut Unruhe unter den Besuchern, und tatsächlich standen mehrere Männer auf, und wollten den Saal verlassen. Allerdings folgten ihnen in fast allen Fällen ihre weiblichen Begleitungen nicht. Ein paar männliche Besucher ließen sich davon nicht abhalten, den Saal trotzdem zu verlassen. Die meisten anderen setzten sich, wenn auch widerstrebend.
„Meine Damen und Herren, werden Sie Ohren- und Augenzeugen bei der Überführung eines möglichen Täters. Natürlich werden wir die Show ohne einen wirklichen Verbrecher fortsetzen. Alles dient nur der wissenschaftlichen Dokumentation. Auf der Bühne befinden sich noch immer drei Wachtmeister der Braunschweiger Polizei, die sich bereits vorgestellt haben. Wenn wir jetzt das Licht verlöschen, wird einer der drei Polizisten eine geladene Pistole ergreifen, die ich hier auf den Tisch lege, und einen Schuss daraus abfeuern. Bitte, erschrecken Sie nicht. Es wird nur einen Knall und den sichtbaren Feuerstrahl aus der Waffe geben. Ich habe dafür gesorgt, dass es nur eine mit Pulver gefüllte Patrone gibt, die vollkommen unschädlich aber doch laut einen Schuss ermöglichen wird. Bitte, erschrecken Sie nicht, wenn das Licht ausgeht. Gleich danach werden Sie den Knall hören und das Mündungsfeuer der Waffe sehen. Anschließend wird das Licht wieder angehen, und die drei Polizisten stehen wie zuvor am Tisch. Und mit der Methode der Daktyloskopie werde ich Ihnen danach zeigen, wer von den drei Polizisten die Waffe abgefeuert hat.
Mit dieser Methode wird es künftig leichter möglich sein, einen Straftäter zu überführen. Alles fertig? Keine Angst, es ist alles nur eine Show! Licht aus!“
Diese Aufforderung wurde sofort umgesetzt.
Der Saal wurde dunkel.
„Jetzt die Waffe aufnehmen!“, erklang Fräulein Kellers helle Stimme.
„Achtung, der Schuss erfolgt jetzt – Feuer frei!“
Es krachte, der Mündungsblitz leuchtete in beeindruckender Weise auf, die Reaktion im Publikum war ein lautes „Ah!“, dann wurde das Flüstern lauter, und als man das Licht wieder andrehte, begannen die Diskussionen.
Auf dem Tisch lag wieder die abgefeuerte Waffe, die drei Polizisten in ziviler Kleidung standen dahinter, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Fräulein Keller näherte sich ihnen zusammen mit einigen Helfern, die eine kleine Holzkiste trugen. In dem Augenblick, in dem sie die Kiste vor dem Tisch abstellten, gellte ein Schrei durch den großen Saal.
„Hier ist ein Toter!“, schrie jemand laut, und alle Köpfe fuhren herum.
„Der Polizeipräsident wurde erschossen!“, rief ein anderer, und nun brach eine Panik unter den Zuschauern aus, die kaum zu bewältigen war. Alles drängte sich zu den Ausgängen, niemand nahm Rücksicht auf den anderen. Jeder hatte nur den einen Wunsch: So schnell wie möglich den Konzertsaal zu verlassen.
„Warten Sie bitte! Es besteht kein Grund zur Flucht! Überall an den Türen stehen meine Helfer bereit, bitte, seien Sie doch vernünftig! Niemand hat in diesem Saal scharf geschossen!“, klang flehentlich die Stimme der jungen Wissenschaftlerin durch den Raum.
„Warum hat dann der Polizeipräsident ein Loch in der Brust?“, rief jemand laut, und ein mehrfaches Kreischen antwortete ihm. Gleich darauf drängte alles verstärkt zu den Ausgängen, und die dort postierten Ordner hatten ihre Mühe, die Massen aufzuhalten. Doch die Türen blieben verschlossen, und über das Geschrei der Menge klang jetzt die Stimme des alten Polizeipräsidenten. Dr. Thomas Faust hatte die Bühne erreicht und ließ sich von Fräulein Dr. Keller das Mikrofon geben.
„Bleiben Sie bitte ruhig und kehren Sie auf Ihre Plätze zurück. Ich bin Thomas Faust, Polizeipräsident im Ruhestand. Seien Sie unbesorgt, Ihnen droht keine Gefahr. Aber bitte, kehren Sie auf Ihre Plätze zurück! Seien Sie vernünftig und vermeiden Sie jegliche Lauferei durch den Saal! Meine Männer sind vor Ort und werden Sie schützen!“
Als die Menschen die Stimme des alten Präsidenten hörten und ihn schließlich auf der Bühne entdeckten, kehrte tatsächlich allmählich wieder Ruhe im Saal ein. Die meisten gingen zu ihren Plätzen zurück, nur einige wenige sammelten sich vor den Ausgängen und warteten ab, ob man nicht doch noch die Türen für sie öffnen würde. Doch daran war nicht zu denken.
„Gut, bitte bleiben Sie so ruhig und besonnen wie bislang. Wir werden in Kürze die Ausgänge öffnen. Bitte, haben Sie Verständnis dafür, dass wir von jedem die Namen und Adressen erfassen müssn. Immerhin hat es wirklich einen Toten gegeben.“
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