Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021 - Alfred Bekker страница 53
„Die Frauen haben davon gesprochen, dass die ganze Karawane sehr lange unterwegs war und tief in ein Land gelangte, in dem es leuchtende Steine geben soll.“
„Was für ein Land soll das gewesen sein?“
„Indien... diese Steine sollen magische Wirkung haben und ein großes Vermögen wert sein. Damit will Firuz nach Jerusalem ziehen, weil dort ein Großonkel mit guten Geschäftsbeziehungen lebt.“
„Es gibt so viele Gerüchte über Wunder und Magie.“
„Hast du nie von diesen Steinen gehört?“
„Ich habe davon gehört, dass dieses Indien ein Land voller Wunder sein soll und die Heimat des großen Buddha ist. Es soll dort Männer geben, die Schlangen beschwören können, aber vielleicht sollte man auch nicht alles glauben, was darüber erzählt wird!“
„Aber Firuz ist jemand, für den nur das zählt, woraus er Silber machen kann! Also warum sollte das mit den Steinen nicht stimmen? Das würde auch erklären, wieso er seine Kamele nicht bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit mit Waren belädt und und uns reiten lässt, anstatt dass wir zu Fuß gehen müssen! Vater, selbst in Xi Xia fanden die meisten Nomaden nichts dabei, ihre Kinder tagelang neben den Kamelen herlaufen zu lassen, denn dann kann man vielleicht noch einen Stoffballen zusätzlich aufladen. Aber die wichtigste Ware, die Firuz mit sich führt, tragen nicht seine Kamele, sondern er selbst! Ich nehme an, dass er die Steine am Körper trägt und sie nie aus den Augen lässt... Auf jeden Fall ist es für ihn wichtiger, dass er vielleicht zwei oder drei Wochen früher in Jerusalem ankommt!“
Jetzt wurde Firuz auf Li und ihren Vater aufmerksam.
„Heh, redet nicht in euren Tierstimmen, sodass man nicht verstehen kann, was ihr sagt!“, wies er sie barsch an.
„Warum hast du die gelben Leute überhaupt mitgenommen und dafür auch noch eine ganze Menge Silber bezahlt?“, meinte einer der anderen Männer. Er hieß Jamal und war wohl Firuz jüngerer Bruder. Inzwischen durchschaute Li schon etwas besser, wer in der Gruppe mit wem verwandt oder verheiratet war. Jamals Frau war Alya, deren Kind auf der Reise nach Indien geboren worden war. Unter den Männern war Jamal der einzige, der es hin und wieder mal wagte, Firuz zu widersprechen, wenn gleich er dabei nie die Autorität seines älteren Bruders in Frage stellte. Als Firuz nicht gleich auf Jamals Worte einging, fuhr dieser fort: „Es ist doch wahr! Wir müssen sie durchfüttern und wer weiß, ob nicht mein kleiner unschuldiger Sohn von dem Husten befallen wird, den einer von ihnen zu uns gebracht hat!“
„Ich weiß, was ich tue!“, verteidigte sich Firuz. „Bedenkt, dass ihr alle von meiner geschäftlichen Klugheit lebt! Habe ich nicht immer gewusst, was sich an wen gut verkaufen lässt?“
„Nun, den Namen einer großen Stadt im Lande Fars will ich jetzt besser wohl nicht erwähnen“, meinte Jamal mit einem Spott, den wohl nur er sich erlauben konnte.
„Dass wir aus Schiras fortziehen mussten, hat uns allen nur Gutes gebracht“, erklärte Firuz. „Ganz besonders dir, mein undankbarer Bruder, denn in Jerusalem warst du gezwungen, die Sprache des Propheten zu lernen, um dich auf der Straße verständigen zu können – und dass hat dich ganz gewiss zu einem besseren Muslim gemacht!“
Jamals Gesicht verzog sich. „Allah sieht, dass du über ihn spottest und seinen Namen missbrauchst!“, zischte er wütend hervor.
Aber Firuz ließ sich davon nicht beeindrucken. „Ich habe euch nach Indien geführt und wir werden reich nach Jerusalem zurückkehren! Aber wir können noch reicher werden.“ Er deutete auf Li und Meister Wang. Gao saß am weitesten vom Feuer entfernt, obwohl er gewiss seine Wärme am nötigsten gehabt hätte. Aber es hatte niemand in der Nähe eines Mannes sitzen wollen, der so schwer hustete. „Diese gelben Leute aus dem Reich der Mitte können Papier in einer Weise schöpfen, wie es selbst in Bagdad oder dem fernen Konstantinopel niemand vermag! Zeichen aus Licht sind in ihren Papieren enthalten! Und wir haben das Glück, in Jerusalem zu leben, der Stadt, in der der Prophet Jesus lebte und der Prophet Mohammed zum Himmel auffuhr! Eine Stadt, von der Muslime, Christen und Juden glauben, dass sie heilig sei und in der deswegen wahrscheinlich ein größerer Bedarf an heiligen Schriften vorhanden ist, als an irgendeinem Ort sonst in der Welt! Die Christen pilgern aus ihren Ländern dorthin und manche von ihnen können inzwischen sogar lesen! Und die Muslime gehen zum Felsendom, die Juden dorthin, wo früher angeblich der Tempel Salomos stand – und die Anhänger aller drei Buch-Religionen gehen an jene Stelle, wo Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte! Aber sie alle brauchen Papier! Papier, das die drei dort für uns schöpfen werden!“
„Wie viele Blätter können drei Papiermacher schon schaffen?“, meinte Jamal zweifelnd. „Sie werden selbst kaum von ihrer Arbeit ernährt werden, wenn man alle Kosten abzieht. Und vielleicht wirst du sogar noch Silber dazulegen müssen, wenn du sie nicht auf der Straße schlafen lassen willst!“
„Sie werden ihre Kunst anderen zeigen und schon bald werden wir ganz Jerusalem mit Papier versorgen!“, widersprach Firuz. „Unser Großonkel hat gute Verbindungen im ganzen Land und kann uns alle Türen öffnen!“
Firuz schien von seinem Plan vollkommen in Beschlag genommen zu sein. „Die Abschriften des Korans werden überall zu erwerben sein. Wir werden die Schreiber aus fünf Städten dafür anstellen und...“
„Er sollte diese Bücher drucken, wie es in Bian seit zwei Jahrhunderten geschieht!“, raunte Meister Wang Li in der Han-Sprache zu. Aufgrund der Hitzigkeit des Wortgefechts zwischen Firuz und seinem Bruder bekam davon allerdings keiner der beiden etwas mit.
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Sie setzten den Weg am nächsten Morgen fort. Li saß auf ihrem Kamel und hing ihren Gedanken nach. Was mochte wohl aus Arnulf geworden sein? Hatte er das Land der Eisenberge erreicht und dort gefunden wonach er suchte, oder hatten ihn Thorkilds Männer erschlagen? Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass letzteres nicht geschehen war. Zwischen ihren Seelen gab es zweifellos eine innere Verbindung, wie sie manchmal einfach da war, ohne dass man genau hätte ergründen können, aus welchem Grund. Aber hätte sie es dann nicht auch spüren müssen, wenn diese Seele aus dem Leben fortgerissen worden wäre?
Sie seufzte und schalt sich selbst eine Närrin, über diese Dinge nachzugrübeln. Dabei gefror ihr Atem zu einer grauen Wolke. Du wirst ihn nie wiedersehen!, ging es ihr durch den Kopf. Sie waren wie zwei Sandkörner in der Karakum, die der Wind fortgerissen und dann abwechselnd in verschiedene Richtungen geweht hatte. Solche Sandkörner konnten tausende von Meilen weit getragen werden - und dass sie und dieser Ritter aus Saxland sich wiedertrafen war ebenso unwahrscheinlich, wie das erneute Zusammentreffen zweier Sandkörner im Wüstenwind.
Und wenn es irgendwo ein Felsmassiv gab, zu dem alle Winde ihre Last früher oder später hintrugen und sich all das irgendwann wieder einfand, was zunächst scheinbar sinnlos verstreut worden war? Dieser Gedanke beschäftigte Li und sie glitt erneut in ihre Gedankenwelt ab, die ihr trotz aller Aussichtslosigkeit doch um so vieles tröstlicher zu sein schien, als der tägliche Trott dieser Karawane.
Dann hörte sie hinter sich das Schnaufen eines Trampeltiers, dessen Schritte mithilfe von ein paar schrillen Befehlen einer Frauenstimme stark beschleunigt worden waren. Das Tier holte auf und lief dann genau neben jenem Kamel, zwischen dessen Höckern Li ihren Platz hatte.