Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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Der Eisenbringer begab sich wieder zu den anderen ans Feuer. Die ganze Zeit schon hatte Arnulf damit begonnen, seine Fesseln gegen die Baumrinde zu scheuern - bislang hatten sie sich als unüberwindlich erwiesen, aber das musste ja nicht bis in alle Ewigkeit so sein. Er musste hier schnellstens fort, denn Thorkild war vollkommen unberechenbar, wie es ihm erschien.
Nach und nach wurde es im Lager ruhiger. Irgendwann weit nach Mitternacht war auch die letzte angeberisch klingende Stimme verstummt. Schließlich war es vollkommen ruhig und das Feuer brannte langsam nieder. Unermüdlich scheuerte Arnulf an dem Seil. Irgendwann kurz vor dem Morgengrauen löste sich die Fessel. Vorsichtig erhob Arnulf sich. Thorkild hatte Wachen eingeteilt, aber die waren nicht besonders aufmerksam. Manche waren selbst eingenickt. Andere patrouillierten gähnend durch das Lager und hatten am Abend wohl selber zu sehr dem Met zugesprochen, um sich nicht auch danach zu sehnen, die Augen zu schließen.
Beinahe lautlos schlich Arnulf in der Dunkelheit davon. Die meisten Wachen waren bei den Tieren und so war es wohl unmöglich, sich ein Pferd zu nehmen, zumal ein einziges lautes Wiehern wohl das ganze Lager aufgeweckt hätte.
Einen der wenigen Wächter auf der anderen Seite des Lagers überraschte er und schlug ihn mit einem harten Faustschlag nieder, ehe er den Ritter so richtig bemerkt hatte. Arnulf duckte sich und hoffte, dass er sich im Schatten befand. Ganz leise waren zwei Stimmen zu hören, die den Wächtern bei den Pferden gehörten. Arnulf nahm unterdessen die Waffen des Bewusstlosen an sich - einen Dolch und ein Schwert, das vermutlich mit genau jenem unzerbrechlichen Stahl gefertigt worden war, wie er in diesem Land bevorzugt wurde.
Was geschah, wenn es hat auf hart ging, hatte er ja bei seiner eigenen Klinge erlebt. Das Metall, das die Schmiede in Tukharistan schmiedeten, war offenbar einfach sehr viel bruchfester und jedem anderen Stahl überlegen.
Arnulf kauerte einige Augenblicke bei dem Bewusstlosen. Dann schlich er davon und wenig später hatte ihn die Finsternis der Nacht in sich aufgenommen.
Ein ungewisser Weg lag vor ihm.
Elftes Kapitel: Ein weiter Weg nach Westen
Li dachte noch oft an Arnulf von Ellingen, und sie hörte aufmerksam zu, wenn fremde Händler auf den Basaren ihre Waren anboten und von den Ereignissen in Tukharistan sprachen. Immer wieder war auch von Fremden die Rede, aber nichts davon ließ sich mit Sicherheit auf das weitere Schicksal des fremden Ritters beziehen. Zudem gab es da andere Dinge, die den Menschen Sorgen machten. Offenbar waren Reiter des Kara Khan bis in die Eisenberge vorgedrungen und manche Schmiede beklagten schon, dass ihnen das gute Erz knapp würde. Aber das waren alles nur Gerüchte. Für ein paar Wochen kampierte ein Heer des Emirs vor den Toren der Stadt. Offenbar gab es in den Bergen ein paar aufständische Stämme, die niedergeworfen werden mussten. Ob der Kara Khan sie zu ihrem Aufstand angestachelt hatte oder ob die Ursache in einer vor kurzem erfolgten drastischen Erhöhung der Tributzahlungen lag – das vermochte Li nicht einzuschätzen.
Jedenfalls wünschte sich Li, dass der Christengott, an den Arnulf von Ellingen zweifellos glaubte, ihn beschützen mochte. Der Gedanke an diesen Mann machte ihr gleichzeitig aber auch in aller Schmerzlichkeit bewusst, dass es für sie wahrscheinlich nie eine innige Verbindung zu einem Mann geben würde. Liebe, Ehe, Kinder und die Gewissheit, dass man nicht nur für sich selbst gelebt hatte, sondern als Ahn von seinen Nachfahren Verehrung erfuhr – das alles würde es in ihrem Leben aller Wahrscheinlichkeit niemals geben. Der Überfall einer Nomadenhorde in Xi Xia hatte diesen eigentlich bereits schicksalhaft festgelegten Plan für ihr Zukunft fortgefegt und bedeutungslos werden lassen. Als Tochter eines Papiermachers in Xi Xia hätte es sicherlich genug Männer gegeben, die in ihr eine mögliche Ehefrau gesehen hätten. Aber hier in Samarkand war ein solcher Weg für sie völlig aussichtslos. Man mochte manchen der Papiermacher zwar noch ansehen, dass ihre Vorfahren einst aus dem Reich der Mitte gekommen waren, aber das hieß keineswegs, dass sie sich mit Li besonders verbunden fühlten. Sie war eine Fremde und außerdem eine rechtlose Schuldknechtin, die sich allenfalls unter ihresgleichen hätte verbinden können. Aber kein Mann in Samarkand hätte ihr zugetraut, Kinder zu gläubigen Muslimen erziehen zu können. Daran hätte es auch nichts geändert, wenn sie diesem Glauben beigetreten wäre. Sie hatte das immer wieder erwogen, es aber letztlich doch nicht getan. Vielleicht in erster Linie deshalb nicht, weil sie spürte, dass dies ihren Vater tief verletzt hätte. Meister Wang schien es als Ausdruck seiner innersten Würde zu betrachten, sich in diesem Punkt nicht seiner Umgebung anzupassen.
Gao hingegen war inzwischen Muslim geworden und hielt die Gebetszeiten genau ein.
„Wir werden hier den Rest unserer Tage verbringen, glaube ich“, meinte er einmal, als er zusammen mit Li auf dem Basar unterwegs war, um Lumpen einzukaufen.
„Ich bin mir da keineswegs so sicher“, meinte hingegen Li.
„Du glaubst wirklich, dass wir irgendwann zurück nach Xi Xia gelangen?“ Er schüttelte den Kopf. „Unser altes Leben, das wir dort hatten, ist vorbei, Li. Und je eher wir es endgültig verabschiedet haben, desto weniger wird es uns schmerzen.“
„Bist du deswegen der Gemeinschaft der Gläubigen beigetreten?“
„Es ist immer das Beste, man unterscheidet sich nicht zu sehr von allen anderen.“
„Das ist sicher wahr... Dass wir irgendwann zurück nach Xi Xia gelangen werden, halte ich auch für ziemlich ausgeschlossen, obwohl...“ Ein Lächeln huschte über ihr ebenmäßiges Gesicht. „Eigentlich solltest gerade du als jetzt frommer Muslim, doch auf Allahs Gerechtigkeit und Barmherzigkeit vertrauen!“
„Darüber solltest du dich nicht lustig machen, Li. Ich finde mich einfach nur mit den Dingen ab, wie sie sind. Etwas, was dein Vater zwar immer sagt, dass man es tun sollte – es aber selber wohl nicht so richtig fertig bringt.“
„Muss ein Wegweiser falsch sein, nur weil er nicht selbst in die Richtung geht, in die er weist?“, gab Li zurück.
„Nein, gewiss nicht.“
„Weißt du, ich kann es nicht erklären und es ist eigentlich auch mehr ein Gefühl, als ein wirklich vernünftig zu begründender Gedanke – aber ich glaube tatsächlich, dass sich alles sehr schnell für uns ändern könnte. Dies scheint mir nicht der Ort zu sein, an dem wir für länger bleiben werden.“