Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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„Was bedeutet das schon für einfache Leute wie uns?“, gab Gao zurück. „Wir sind Papiermacher. Und solange ein Muslim und kein analphabetischer Christ oder Manichäer der Herr dieses Landes ist, wird Samarkand voller Bücher und gelehrter Schriften sein, die sich auf wundersame Weise vermehren und für die Papier gebraucht wird!“ Er zuckte die Schultern. „Man wird immer unsere Dienste benötigen und uns auf die eine oder andere Art ein Auskommen geben...“
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Ein paar Tage später wurde Li erneut in den Palast gerufen. Sie sollte sich dort einfinden, nachdem der Muezzin zum Nachmittagsgebet gerufen hatte. Unvorsichtigerweise hatte sie Gao nach langem Drängen davon erzählt, dass sie ein geheimes Wasserzeichen für das Briefpapier von Prinz Ismail gefertigt hatte. Schließlich konnte sie sich darüber mit ihm recht gefahrlos in der Sprache des Han-Volkes unterhalten, ohne befürchten zu müssen, dass irgendwer etwas davon mitbekam. Von der Form des Wasserzeichens hatte sie ihm natürlich nichts verraten, obwohl Gao es gerne gewusst hätte.
„Ich nehme an, der Prinz verlangt nach einer Abwechslung, was das Wasserzeichen für seine Briefe angeht“, glaubte Gao.
„Das nehme ich nicht an“, meinte Li. Sie lächelte. „Ich nehme an, dass die Empfänger seiner Briefe weiblich sind und ich glaube, dass ich für ihn genau das richtige Zeichen gefunden habe, um das Herz der Adressatinnen zu erreichen.“
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Als Li zur angegebenen Zeit im Palast eintraf, wurde sie in einen großen Raum geführt, der von Licht durchflutet wurde, das durch hohe Fenster fiel, die mit Alabaster verhängt waren – denn inzwischen waren die Winde, die durch die Straßen der Stadt pfiffen, sehr kalt.
Auf einem riesigen großen Mamortisch lagen unzählige Papierstücke mit Zeichen.
Vor allem Zahlen waren darauf zu sehen.
Abgesehen von Prinz Ismail befanden ich noch zwei andere Männer im Raum. Der eine war Abu Nasr Mansur, ebenfalls ein Prinz des Herrscherhauses, der mit großem Gefolge vor ein paar Tagen in die Stadt gezogen war. Li hatte den Zug gesehen, als sie gerade bei Kebir dem Schmied gewesen war, um von ihm Draht für weitere Wasserzeichen zu kaufen. Und in diesem Gefolge hatte sie auch den noch sehr knabenhaft wirkenden Mann gesehen. Er war noch so jung, dass sein Bart sehr dünn war, wie es ansonsten nur bei den Männern des Han-Volkes der Fall war. Auffällig war der Prinz vor allem deswegen gewesen, weil er auf einem Trampeltier gesessen und dabei versucht hatte, mit einem Silberstift auf ein Stück Papier zu schreiben, das er auf ein dünnes Stück Holz gespannt hatte.
Nie zuvor hatte Li etwas ähnlich Seltsames gesehen. Ein schönes Schriftbild konnte man auf diese Weise nicht hervorbringen. Selbst der geschickteste Kalligraph hätte das nicht vermocht, aber darauf war es dem Reiter wohl auch gar nicht angekommen.
Prinz Abu Nasr blickte auf und schien etwas überrascht zu sein, als er Li erblickte. Der junge Mann hingegen ließ sich überhaupt nicht in seinem unaufhörlichen Redefluss aufhalten. „Dass die Erde die Gestalt einer Kugel hat, ist uns seit langem bekannt, aber wo genau wir jetzt gerade auf dieser Kugel stehen, das lässt sich nicht so einfach sagen! Aber mit der Methode, die ich mir jetzt überlegt habe, müsste das eigentlich zu berechnen sein! Man müsste bei einer Mondfinsternis an zwei verschiedenen Orten, deren Entfernung man sehr gut vermessen hat, den Zeitpunkt genau bestimmen, wann der Erdschatten eintritt. Und aus dem Unterschied müsste sich der Meridian genau bestimmen lassen, auf dem...“ Er stockte jetzt, als er Li bemerkt hatte. „Wer ist das?“, fragte er – offenbar etwas irritiert über Lis Anwesenheit.
„Das ist Li, die talentierteste unter den Papiermachern von Samarkand“, erklärte Prinz Ismail. „Sie vermag wie niemand sonst die Kunst des Wasserzeichens anzuwenden. Ein Händler verkaufte sie mir und ich bin froh, sie in meiner Stadt zu wissen.“ Prinz Ismail wandte sich nun an Li. „Tritt näher, Papiermacherin. Mein Bruder Prinz Abu Nasr Mansur ist ein Förderer der Zahlenkunst und der Wissenschaft und der junge Mann, der gerade ein Zeugnis seiner Beredsamkeit gegeben hat, ist trotz seiner Jugend bereits unter dem Namen Al-Biruni als gelehrter Sternendeuter über die Grenzen von Mawarannahr und Chorasan bekannt.“
„Kein Wunder!“, meinte Prinz Abu Nasr. „Er schreibt ja auch täglich mehrere Briefe, die an Gelehrte in Bagdad, Isfahan und anderswo gehen, sodass er wahrscheinlich Bekannte in allen Ländern des Kalifen hat!“ Mit sanftem Spott fügte er noch hinzu: „Eines Tages wird man ihn sogar noch in Indien und im Reich der Mitte kennen, wo es ja auch viele Gelehrte geben soll!“
Der junge Mann mit dem dünnen Bart schien ob des Spottes seines Förderers etwas verunsichert zu sein. Und Li begann darüber zu rätseln, weshalb man sie in den Palast gerufen hatte. Ihre Befürchtung, dass es etwas mit dem zu tun haben könnte, das sie Gao über das geheime Wasserzeichen des Prinzen erzählt hatte, schien sich nicht zu erfüllen. Doch warum war sie dann hier? Brauchte vielleicht auch Al-Biruni ein besonderes Wasserzeichen für seine Briefe?
Aber das, was man ihr dann eröffnete, ging weit darüber hinaus.
„Ich möchte mit Hilfe dieses jungen Sternendeuters eine Sternenkarte erstellen“, erklärte nun Prinz Ismail. „Sie soll so groß sein wie ein Wandteppich – aber aus Papier. Die Positionen der Sterne sollen dort in ihren exakten Abständen zueinander markiert sein, aber das Papier soll Wasserzeichen enthalten, die sie zu den bekannten Sternbildern verbinden, sobald von hinten Licht hindurch dringt. Hältst du so etwas für möglich?“
„Es ist sicher möglich, aber es bedarf einer sehr guten Planung“, erklärte Li.
„Dass wir uns nicht missverstehen: Ich möchte einen einzigen Bogen Papier, nicht mit Harz aneinander geklebte Stücke, bei denen die Übergänge immer zu sehen sein werden.“
„Eine schwierige Aufgabe“, sagte Li ausweichend. „Wenn Ihr gestattet, werde ich mich mit meinem Vater darüber beraten, denn er versteht mehr davon, wie ein geeignetes Sieb und ein Schöpfbecken herzustellen wäre, während ich mehr Geschick bei den Wasserzeichen habe...“
„Du und dein Vater, ihr sollt alles bekommen, was nötig ist“, versprach Prinz Ismail. „In meiner Bibliothek gibt es ein Werk, das exakte Zeichnungen aller Sternbilder enthält. Es sollen dir alle Drahtzieher zur Verfügung stehen und Mauerleute, die ein großes Schöpfbecken errichten können. Ich nehme an, dass sich ein Sieb, wie es dafür nötig wäre, nur durch Winden und Flaschenzüge betätigen lässt.“
Li hörte den Worten des Statthalters zu und bemerkte den Ausdruck von Begeisterung in seinem Gesicht, der schon an eine Entrücktheit grenzte. All das, was die Menschen auf den Basaren redeten, was über knappes Metall und gestiegene Preise und einen aufziehenden Krieg erzählt wurde, schien dem Statthalter von Samarkand in diesem Moment nicht weiter zu bekümmern.
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