Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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Arnulf trat auf den Toten zu, beugte sich nieder und zog ihm den Dolch aus der Brust. Das Blut wischte er an der Kleidung des Toten ab.
Als er sich wieder aufrichtete, glitt sein Blick genau in jene Richtung, aus der Li ihn beobachtete. Er starrte sie an und es konnte keinerlei Zweifel daran geben, dass er sie tatsächlich sehen konnte. Eigentlich hatte Li geglaubt, dass das nicht möglich war, weil der Schatten sie verbarg. Aber offenbar hatte sie sich in diesem Punkt getäuscht. Sie schluckte. Arnulf machte einen Schritt in ihre Richtung.
„Bist du es – die Frau, die meinen Namen kannte?“, fragte er.
Li trat jetzt auf ihn zu. „Ja“, sagte sie. Sie deutete auf den Toten. „Dieser Mann wollte Euch im Schlaf umbringen?“
„Das scheint dich nicht zu überraschen!“
Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen. Und dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. Sie nahm keine Rücksicht auf richtige Anreden oder sprachliche Feinheiten. Mochte ihr Latein ruhig so barbarisch klingen, wie es wahrscheinlich auch war! Hauptsache, er verstand die eindringliche Warnung, die sie ihm geben wollte und von der sie sich jetzt wünschte, sie hätte sie ihm schon vorher zukommen lassen. „Thorkild Eisenbringer will Euch töten. Vielleicht durch einen Mann, der für Geld tötet – oder er tut dies selbst, wenn er später auf Euch lauert!“
Arnulf trat näher. Sein Gesichtsausdruck verriet Misstrauen.
„Woher weißt du das?“
„Ich habe gehört, wie Thorkild mit Kentikian darüber gesprochen hat.“
„Wer ist Kentikian?“
„Der oberste Hofschreiber des Statthalters. Sie dachten, ich verstehe sie nicht, weil sie in der Sprache der Griechen redeten... Da habe ich Euren Namen zum ersten Mal gehört – Arnulf von Ellingen“
„Du kannst auch Griechisch?“
„Bitte glaubt mir – sonst reitet Ihr in den Tod.“
„Ich bin nicht sehr ängstlich“, erwiderte Arnulf.
„Ihr wollt im Auftrag Eures Herrschers ins Land der Eisenberge gelangen – aber das will Thorkild um jeden Preis verhindern.“
Inzwischen waren im Haus weitere Geräusche zu hören. Wenig später trat der Mönch ins Freie, gefolgt von dem Jungen. Der Mönch öffnete beide Flügel. Wie üblich befanden sich im Erdgeschoss Stallungen und Lagerflächen. Ein Pferd wieherte. Offenbar machte sich jemand an den Tieren zu schaffen. Li hoffte, dass der Junge bereits damit beschäftigt war, die Pferde zu satteln – denn es lag auf der Hand, dass die Fremden Samarkand jetzt so schnell wie möglich verlassen mussten.
„Geht noch in dieser Nacht!“, riet Li. „Die Wachen am Tor werden Euch passieren lassen, wenn Ihr ihnen ein paar Silberstücke gebt.“
„Bist du sicher?“
„Die sind nur misstrauisch, wenn jemand hinein will – aber wenn jemand die Stadt verlassen möchte, sind sie bestechlich.“
Der Mönch sprach jetzt mit Arnulf und sah sich kurz den Toten an. „Fra Branaguorno hat den gleichen Gedanken wie du – nämlich, dass wir uns schleunigst davonmachen sollten!“
„Dann hört auf ihn.“
„Er wundert sich aber darüber, weshalb du uns warnst!“
Ihre Blicke begegneten sich erneut. „Weil ich der Stimme des Herzens folge“, sagte Li. „Und nun geht und haltet Euch vom Land der Eisenberge fern!“
Li drehte sich um, denn inzwischen waren offenbar bereits mehrere andere derzeitige Bewohner des Gasthauses wach geworden. Sie hörte schon die Stimme von Nedjans Frau, die sehr durchdringend war, ihren Mann aufscheuchen. Es fehlte gerade noch, dass der Wirt sie hier sah! „Viel Glück – Arnulf!“, sagte sie und drehte sich dabei bereits halb zum Gehen.
„Warte!“ Er folgte ihr noch zwei Schritt. „Du kennst meine Namen – aber ich den deinen noch nicht!“
Sie drehte sich noch einmal um.
„Li“, sagte sie. „Ich heiße Li. Aber das ist ohne Bedeutung, denn wir werden uns nie wieder begegnen.“
Fra Branaguorno fasste Arnulf bei der Schulter, sprach ein paar Worte im Dialekt von Saxland zu ihm und wandte sich dann in Lis Richtung. In seinem geschliffenen Persisch sagte er. „Halt uns nicht länger auf und vergiss am besten, dass du uns je begegnet bist!“
––––––––
Li eilte die Straße hinunter und wartete dann an der nächsten Ecke, wo es in eine der dunklen Nebengasse hinein ging. Eigentlich wäre es das Beste gewesen, jetzt so schnell wie möglich zur Werkstatt zurückzukehren und darauf zu hoffen, dass sie außer von Arnulf und Fra Branaguorno von niemandem bemerkt worden war. Aber irgendetwas hielt sie dort. Für einen Moment kam ihr ein Gedanke, der ihr völlig absurd erschien. Was wäre, wenn ich einfach zu diesem Fremden auf das Pferd steigen und mit ihm davon reiten würde – mochte dies auch ein Ritt in völlige Ungewissheit sein.
Sie beobachtete, wie die Pferde aus dem Stall geholt wurden und die drei Fremden alles für die Reise vorbereiteten. Der Junge hatte offenbar bereits Arnulfs Sachen mitgebracht, sodass er draußen auf der Straße Lederwams, Stiefel, Umhang und Helm anlegte.
Wenig später stand Nedjan auf der Straße und zeterte laut herum. Fra Branaguorno warf ihm ein paar Münzen zu, die der Wirt aus der Luft fing, woraufhin er sehr viel ruhiger wurde. Selbst der Anblick des Toten schien ihn jetzt nicht mehr sonderlich zu beunruhigen. Er rief zwei Stallburschen herbei und wies sie an, ihn in eine der dunklen Gassen zu tragen, wo man ihn am Morgen finden und wohl für das Opfer eines Raubüberfalls halten würde.
Die drei Reiter preschten davon. Am Ende der Straße zügelte Arnulf noch einmal sein Pferd. Er drehte sich kurz im Sattel um. Er ließ suchend den Blick schweifen, dann verschwanden alle drei Reiter im Dunkel einer Nebenstraße.