Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis - A. F. Morland страница 13
Archie Wingate kam aus dem Bad. Er hatte sich ein dunkelblaues Frottiertuch um die Hüften geschlungen. In eine Ecke des weichen, flauschigen Tuches waren seine Initialen eingestickt. Sie fanden sich überall in der Sechs-Zimmer-Penthouse-Wohnung, auf Gläsern und Flaschen, auf Kissen, Morgenmänteln und sogar Pantoffeln. Wingate war ein Mann, der seine Initialen liebte, und wer ihm zu schmeicheln versuchte, redete ihn einfach mit A. W. an.
Wingate war siebenunddreißig und besaß eine Figur von Modellcharakter. Er opferte täglich eine volle Stunde Zeit, um sich in Form zu halten und wachte aufmerksam darüber, dass seine Idealmaße erhalten blieben.
Er war verheiratet mit Babs, einer geborenen Gonella, der Tochter von Don Bruno, einem der einflussreichsten Mafiabosse der Stadt.
Obwohl Archie Wingate es geschickt verstand, diese Familienbindung zu nutzen, war er nur selten Gast seiner Schwiegereltern, die die Verbindung nicht ohne Einwände hingenommen hatten und in Archie einen Aufsteiger sahen, der es gelegentlich am rechten Augenmaß fehlen ließ.
Archie kannte die Spielregeln der Mafia, schließlich hatte er ihr selbst einmal als Leutnant angehört. Er bemühte sich, diese Regeln nicht zu verletzen. Er pfuschte seinem Schwiegervater und dessen ehrenwerten Gesellschaftern nicht ins Handwerk, wenn es um so traditionelle Einnahmequellen wie Schmuggel, Falschspiel, Prostitution und Rauschgifthandel ging. Stattdessen war Archie seit Langem bemüht, sich eigene Verdienstmöglichkeiten zu schaffen, und zwar dort, wo sie nicht die Bezirke der alteingesessenen Mafiosi verletzten.
Natürlich war es in einer Stadt wie Chicago so gut wie unmöglich, ein illegales, florierendes Rackett aufzuziehen, ohne sich früher oder später mit denen anzulegen, die ein Monopol auf derlei Einnahmen zu haben glaubten. Aber Archies genialer Schachzug, die Tochter des Dons zu heiraten, hatte ihn bislang vor ernstzunehmenden Schwierigkeiten bewahrt.
Die meisten hielten ihn für ein Mitglied des großen, allmächtigen Mafia-Clans. Archie war clever genug, diesen Eindruck beständig zu nähren, aber tatsächlich war er kein offizielles Mitglied der Organisation. Was ihn betraf, so hatte er auch nicht die Absicht, es zu werden. Er hasste Abhängigkeiten und legte Wert darauf, sein eigener Herr zu sein.
Er wusste, dass er nicht im luftleeren Raum operierte und taktierte geschickt, wenn es darum ging, den Mafiosi ein paar Konzessionen abzukaufen. Das gehörte zum Geschäft und tat ihm nicht weh. Damit hielt er sich den Rücken frei für sein ständig wachsendes Einnahmevolumen.
Archie Wingate war hochgewachsen und dunkelhaarig. Er hatte ein bisschen Ähnlichkeit mit Rock Hudson und versuchte, dessen Lächeln zu kopieren. Was dabei herauskam, hatte allerdings nur wenig mit dem Charme des Originals zu schaffen, es fiel stets um ein paar Nuancen zu schief und verschlagen aus.
Archie Wingate betrat das Schlafzimmer. Auf dem breiten Bett räkelte sich Linda Dorsey, die erst kürzlich von New York nach Chicago gekommen war – einem Mann zuliebe, der sie hatte sitzenlassen müssen, weil seine vermögende Frau der Eskapade ein Ende gemacht hatte.
Sie hieß eigentlich Linda Dobroczin, aber seitdem sie in der Modellbranche tätig war, schmückte sie sich mit dem eindrucksvolleren Namen.
Linda war zwanzig. Sie trug in diesem Augenblick auf ihrem schimmernden, biegsamen Leib nur ein Platinkettchen mit Namensplatte. Es zierte ihr rechtes Fußgelenk. Linda war schön und wusste es. Ihr schulterlanges Blondhaar war leicht getönt und schimmerte in einem sanften Rotton.
„Hallo“, hauchte sie.
Es war zweifellos eine Auszeichnung, in Archie Wingates Schlafzimmer gebeten zu werden. Archie zeigte sich im Allgemeinen recht großzügig, so schien es jedenfalls, aber seine Geschenke und Vermittlungsdienste erfolgten niemals ohne Zweck und Berechnung, er schlug selbst noch aus der Liebe Kapital.
Es war nicht schwer für ihn, attraktiven Mädchen zu Jobs und kurzfristigen Erfolgen zu verhelfen. Die Werbebranche war unersättlich und hatte einen unstillbaren Hunger nach frischen, anziehenden Gesichtern. Hatte Wingate die Mädchen erst einmal auf diese Weise zur Dankbarkeit verpflichtet, verstrickte er sie mit großem Geschick in nicht immer einwandfreie Geschäfte. Er machte sie abhängig und zwang sie schließlich zu Aktionen von dubiosem und kriminellem Zuschnitt.
„Hallo“, sagte er, setzte sich auf den Bettrand und griff nach einer Zigarette. Linda fuhr ihm mit einer Fingerspitze verspielt über den Rücken und zählte seine Wirbel.
„Ist was?“, fragte er und zündete sich die Zigarette an.
Er fühlte sich eher gereizt als entspannt. So war es fast immer, wenn er Babs betrogen hatte.
Er hatte die Tochter des Dons aus purer Zweckmäßigkeit geheiratet und sich über ihren grotesk anmutenden Hang zur konservativen Bürgerlichkeit insgeheim lustig gemacht, aber seit einiger Zeit schätzte und respektierte er Babs zielstrebige Linie. Er hatte angefangen, seine Frau zu verehren.
„Was war mit Cindy?“, fragte Linda.
Archie Wingates Kopf zuckte herum, er warf einen Blick über seine nackte Schulter. „Was soll mit ihr gewesen sein?“, fragte er.
„Sie ist tot.“
„Ich weiß, dass sie tot ist.“
„Sie war meine Freundin“, erklärte Linda. „Warum musste sie sterben?“
Archie Wingate blickte wieder nach vorn. Er musterte das glühende Ende seiner Zigarette. „Warum fragst du mich?“, wollte er wissen.
„Du hast sie gekannt. So gut wie mich. Du hattest Streit mit ihr, nicht wahr?“
„Hat sie das gesagt?“
„Nein, aber ich weiß es.“
„Warum hätte ich mich mit ihr streiten sollen?“
„Es ging um diesen Hillary, glaube ich.“
„Glaubst du. Ich frage, was du weißt, alles andere ist doch Quatsch“, knurrte Wingate.
„Du hast keinen Grund, böse zu werden. Aber es ist so schrecklich. Ich habe das Foto in den Zeitungen gesehen. Ich möchte ja nur hören, dass du nichts mit dieser schrecklichen Geschichte zu tun hast!“ Archie Wingate entzog sich dem streichelnden Finger und stand auf. Er lächelte. „Dummchen. Ich bin doch kein Killer.“
In Lindas Augen war ein seltsamer Ausdruck. „Jeder weiß, dass du dir einen leisten könntest – gleich ein Dutzend, wenn es sein müsste.“
„Ich habe nichts mit der Sache zu tun“, sagte Wingate. Er log überzeugend. Das war seine Stärke. Er hätte selbst dann nicht die reine Wahrheit sagen können, wenn es in seiner Absicht gelegen hätte. Die Lüge war ihm zur zweiten Natur geworden.
„Ich bin so froh, dass du das sagst“, hauchte Linda und öffnete ihm ihre Arme. „Komm!“
„Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust“, sagte Wingate.
„Gern. Welchen?“, fragte das Mädchen erwartungsvoll.
Archie Wingate klaubte sich einen Tabakkrümel von der Lippe. „Du ziehst ins Hotel. Palmer House, Monroe