Europas kleine Tiger. Christine Sonvilla
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Während sich die Jägerschaft in vorsichtiger Toleranz übt, tun sich viele Förster von Haus aus leichter damit, der Wildkatze unvoreingenommen entgegenzutreten. Markus Wunsch ist trotzdem ein bemerkenswerter Vertreter seiner Zunft. »Ich versuche so naturverträglich wie möglich zu arbeiten, damit alle Tiere, nicht nur die Wildkatze, einen Lebensraum haben.« Für ihn lassen sich Ökologie und Ökonomie verbinden, zur gleichen Zeit und auf derselben Fläche. »Ich mache gelegentlich Femelhiebe, d. h. ich fälle alle 100 Meter zehn Bäume, damit wieder mehr Licht auf den Boden kommt«, sagt Wunsch. Das Holz kann er verkaufen, viele Waldtiere profitieren von der entstandenen Lichtung und der Wald verjüngt sich. 4800 Hektar Wald betreut er südlich des Nationalparks Eifel im deutsch-belgischen Grenzgebiet, dort, wo die Wildkatze selbst in der Zeit der größten Verfolgung nie ganz verschwunden war. Mindestens vier verschiedene Wildkatzen, die er zum Teil auch regelmäßig sieht, streifen durch sein Revier. Damit das so bleibt, schafft er nicht nur Lichtlöcher im ansonsten dunklen Wald, sondern legt auch Reisighaufen oder dauerhafte Holzstapel an, die sich genauso gut als Verstecke eignen wie umgestürzte Wurzelteller, vermodernde Baumstämme oder verbuschte Waldränder voller Hartriegel, Schlehen, Berberitzen und Haselnüsse. Manche Ecken dürfen sich sogar weitgehend selbstbestimmt entwickeln.
Markus Wunsch lässt aber auch für sich arbeiten. »Fuchs und Wildkatze sind meine Mitarbeiter, sie fangen Mäuse, die sonst überhandnehmen und sämtliche Samen und damit Bäume wegfressen würden. Wenn die beiden da sind, brauche ich keine Chemie!«
Erkenntnisse wie diese teilt er glücklicherweise nicht nur mit mir, sondern auch mit vielen anderen. Er ist einer von rund 100 Wildkatzenbotschaftern, die seit 2014 auf Impuls des BUND, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, quer durchs Land aktiv sind.104 Warum er dafür bzw. überhaupt als Naturbotschafter die ideale Besetzung ist, lässt sich erahnen, als er mir eine Antwort auf die Frage gibt, inwiefern Wildkatzen, auch unabhängig von der Ökologie, wichtig für uns sind: »Wenn ein kleines Kind die Wahl hat, eine Maus oder einen Löwen als Spielfigur auszusuchen, nimmt es zu 99 Prozent den Löwen. Raubtiere sind größer, anmutig und ein Stück weit identitätsstiftend, für unsere Wälder und für uns selbst.« Ohne die Raubtiere, die großen wie die kleinen, fehlt etwas. Dieses Gefühl kenne ich nur allzu gut. Der Wald erscheint ohne sie leer. Doch die meisten Menschen, sobald sie dem Spielzeugalter entwachsen sind, sehnen sich heutzutage vor allem nach einem: Sicherheit. Raubtiere passen schlecht in dieses Schema.
Darüber hinaus fungieren Tiere ja nicht nur als Dekogegenstände. »Nehmen wir den menschlichen Körper als Beispiel. Wenn wir zu wenig trinken, dehydrieren wir, bis irgendwann unsere Organe versagen. Wenn ich Tiere aus dem Wald nehme, dem Wald sinnbildlich sein Wasser entziehe, verhält es sich ganz ähnlich«, gibt Förster Wunsch zu bedenken. Unser Handeln zieht jeden Tag Konsequenzen nach sich. Sichtbar werden diese aber oft erst zeitversetzt, sodass wir die Folgeerscheinungen gar nicht mehr mit unseren ursprünglichen Handlungen in Verbindung bringen. Stichwort Klima- und Biodiversitätskrise. »Wenn die Tiere fehlen, wissen wir nicht, was mit dem Ökosystem Wald passiert, wie es sich weiterentwickelt«, bringt es der Förster aus Nordrhein-Westfalen auf den Punkt.
Alle zwei Wochen diskutiert er über Themen wie diese, über Wolf, Luchs und Wildkatze mit bis zu 40 Schülern des Stiftischen Gymnasiums Düren in der Eifel, er macht Führungen für Kinder und Erwachsene, hält pro Woche zwei bis drei Vorträge für Naturschutzverbände oder an der Volkshochschule und natürlich ist er auch noch Förster. Fast fragt man sich, wie sich Frau und drei Kinder da ausgehen, gleichzeitig wünscht man sich mehr von diesen engagierten Waldmännern. Übrigens, auch einige Jäger, wie etwa Frank Bohlem, sind als Wildkatzenbotschafter aktiv. Die Zeiten ändern sich, langsam, aber doch.
Die Falle steht
Bevor uns Klemen im slowenischen Hornwald allein lässt, erwähnt er noch beiläufig, dass es immer wieder Probleme mit Bären gebe. Wir wissen sofort, was er meint, aus eigener Erfahrung.105 Auch wenn es unglaublich erscheint, der Süden Sloweniens verfügt tatsächlich über eine der dichtesten Braunbärenpopulationen der Welt.106 Für uns selbst stellen sie keine Gefahr dar, aber Klemens Wildkameras und unsere Fotofallen müssen sich vor den zotteligen Tieren in Acht nehmen. Daher gilt es alles bombenfest zu sichern, will man bei der nächsten Kontrolle keine unangenehme Überraschung erleben. Mit Spanngurten schnallen wir die Ausrüstung an Bäume, die selbst ein Bär nicht zu entwurzeln vermag. Die Kamera selbst sitzt in einer Hartschalenbox, die Bärenbissen standhält. Nur die Linse – als einziges verletzliches Teil – lugt vorne aus der Box heraus. Die meisten Bären halten einen Respektabstand zu unseren Geräten oder huschen rasch daran vorbei. Hie und da taucht aber ein neugieriges Individuum auf und will es genauer wissen. Zerkaute Blitze, abgeschleckte Linsen oder »umgebaute« Installationen haben uns vorsichtig werden lassen.
Machete, Hammer und Holzpflöcke haben wir diesmal umsonst mitgeschleppt. Es finden sich genügend geeignete Bäume und Äste, um die »Falle« einzurichten. Dennoch: Der einmal gewählte Platz muss wohl überlegt sein, zumal unser Aufbau für mehrere Wochen sich selbst – und auch den Bären – überlassen bleibt. Eine Buche passt aber genau für die Box und der Winkel eines Auslegerastes scheint wie geschaffen für einen der beiden Blitze. Wir brauchen knapp vier Stunden, bis alles an Ort und Stelle ist, der Bewegungsauslöser im richtigen Moment detektiert und nichts mehr nachgibt, rutscht oder ruckelt. Die Wildkatze kann kommen. Per SMS lasse ich Klemen wissen, dass wir fertig sind und Bescheid geben, wenn wir das nächste Mal vorbeischauen. Etwas später antwortet er: »Okay, I hope we have success!« Fein, wenn sich ein Jäger genauso auf ein Foto freut.
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