Die große Sache. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die große Sache - Heinrich Mann страница 10
»Das große Grundstück, das die Filmgesellschaft kaufen will für ihre Ateliers, gehört Papas Konzern«, sagte sie, und es schien ihr zu genügen.
»Pappi ist reizend«, erwiderte Inge. »Aber auf einen geschäftlichen Abschluß Einfluß nehmen, damit du Diva wirst, gerade das fehlt ihm noch.«
»Er lernt es vielleicht«, meinte die Sechzehnjährige. »Heute lernt jeder zu.«
Emanuel erkundigte sich: »Kannst du es denn auch? Diva, meine ich.«
»Meine Herren! Ist die Frage dämlich!«
Hierbei bekam die kleine Suse ein überhebliches Gesicht, als wäre sie nicht mehr die kleine Suse. Sie hatte, des Haushaltes wegen, am Sonntagmorgen ihr Arbeitskleid an, das Gesicht war nicht hergerichtet; um so unnachsichtiger formte ihre Miene sowohl den Stolz als die Verachtung. Das war ihre ganze Antwort auf seine komische Frage.
Er sah es ein und unterstützte sie sogar.
»Na ja, meine zwanzig Berufe, darunter auch mal Schauspieler. Was ich kann, kann jeder. Auch ich kann jeden ersetzen. Daher gibt es immer neue Leute, und man überaltert so schnell.«
Jemand war hiermit nicht einverstanden. Margo. Es kam natürlich daher, daß sie ihrem Gatten andere Vorwürfe zu machen hatte. Emanuel sah sie lieber gar nicht an.
»Kann auch jeder boxen?« fragte sie den Champion.
Brüstung besann sich, um allen gerecht zu werden. Dann sprach er, wie immer, zu Inge.
»Das ist etwas anderes«, sagte er. »Erstens bleibt man nicht immer dabei.«
Ihm schien es, daß sie den Mund verzog. Schnell berichtigte er sich.
»Die Weltmeisterschaft will ich haben. Bevor ich sie aber wieder verliere, mache ich doch lieber einen anderen Laden auf.«
Emanuel gab ihm recht, zögernd auch Margo. Wenn Brüstung nur für irgend etwas Sinn gehabt hätte, außer daß Inge die Schultern hob. Sie hob ihre schönen Schultern und sagte ihm damit, daß er nicht ihr Typ sei, und täte er, was immer. In diesem Augenblick fühlte Brüstung sich tödlich vereinsamt und sprach wie in einen inneren Nebel hinein, so traurig war er.
Er sagte: heute abend, wenn sie ihn im Sportpalast kämpfen sähen, werde er wahrscheinlich Sieger werden. Er sprach mit dem Blick auf Inge. Denn ihm gehe es verdammt schlecht, sagte er; und immer dann kämpfe er am besten.
Er sprang auf, in der Erregung äußerte er merkwürdige Dinge.
»Das Glück ist gar kein Glück. Ich habe trainiert, ich muß das Glück sowieso haben. Trotzdem kann es mir entgehn, und gegen den Schrecken vor der Niederlage kommt kein Sieg auf. Jetzt bin ich oben, noch heute aber kann ich abrutschen. Das Gefährliche beim Boxen ist das Ungewisse.«
»Das ist das Gefährliche bei allem anderen auch«, sagte hier der siebzehnjährige Ernst, und alle anderen sahen auf ihn und seine merkwürdige Haarsträhne, die freilag. Sie wunderten sich kaum, daß gerade er den Ausspruch tat, so sehr bestätigte ihn ihr eigenes Wissen.
Ernst, der wieder in die Luft stierte, hatte soeben herausbekommen, warum Brüstung, der breitschultrige Mann mit dem ruhigen Gesicht, ein durchtrainierter Körper und ein aufsteigender Name – warum er feuchte Hände hatte.
Nach einer Weile nahm Inge ihre ältere Schwester beiseite.
»Ich habe endlich einen Fettpuder gefunden, der richtig hält.«
Dauer und Sicherheit, da waren sie. Immer jung, immer schön bleiben, fühlten Margo und Inge. Jene dachte es für Emanuel zu sein, diese für noch viele. Vor allem aber war es nötig, um zu leben. Daher prüften sie mit Eifer den neuen Puder.
Emanuel antwortete auf eine Frage Brüstungs: »Ich weiß wirklich nicht, ob ich dich heute abend ansehen kann. Man ist so furchtbar überlastet – selbst sonntags. Ich habe mich auf ein Unternehmen eingelassen, das mich mit neunzig Prozent Sicherheit zum reichen Mann macht. Aber die anderen zehn Prozent! Die machen Sorgen. Das Schwerste ist, in Gang zu kommen. Die ganze Nacht war mir, als ob ich laufe.«
»Ist es denn eine sportliche Angelegenheit?«
»Mehr oder weniger«, sagte Emanuel, fest entschlossen, nichts zu verraten.
Inge sah auf und brachte einen Satz.
»Laß dich nur nicht gleich in der ersten Runde k. o. schlagen, lieber Em«, sagte sie wie einstudiert und ging wieder zur Pflege ihres Gesichtes über. Margo hingegen stieß sie an, ihr war noch dies zuviel. Sie hatte nicht gewollt, daß der Vater sein großes Geheimnis in ungeübte Hände lege. Jetzt aber: man schwieg und handelte!
Sie stand auf.
»Ich gehe zu Papa.«
»Und dein Flugzeugführer?« rief die kleine Susanne. »Er erwartet dich bestimmt.«
»Ich möchte auch unbedingt. Wie soll ich nur – meinst du, daß er meinetwegen eine halbe Stunde später –? Ach, das ist Unsinn. Aber ich muß zu Papa, am Telefon sagt mir niemand die Wahrheit über ihn, nein, Rolf erst recht nicht.«
»Das Telefon!« meldete Ernst. »Margo wird verlangt.«
Von wem? Der Herr hatte sich nicht genannt, aber es war Schattich. Kein Geringerer als der Generaldirektor selbst wünschte Margo zu sprechen. Noch war nicht Zeit gewesen, von der Begegnung mit ihm zu erzählen; es gab mehr Aufregungen. Alle standen verblüfft, bis sie aus dem Arbeitszimmer Birks zurückkehrte.
»Gestern wollte er, daß ich meine Tätigkeit zu ihm ins Haus verlege. Jetzt soll es sogleich sein.«
»Findet ihr das auffallend?« fragte Inge ohne jede Betonung.
»Wie werden wir«, sagte die kleine Suse nicht weniger undurchdringlich. Keine von ihnen sah Emanuel an.
Er äußerte fragend: »Am Sonntagmorgen –«, als ob ihm nur dies auffiele. Plötzlich warf er die Schultern zurück und beschloß drohend: »Ich gehe natürlich statt deiner. Der Herr scheint nicht im Bilde.«
»Aber Em!« Suse war es. »Willst du dir denn einen Vollbart stehen lassen? So klingen deine Ansichten.«
Margo fragte: »Sehe ich aus, als ob ich zum Opfer Schattichs bestimmt wäre?« Schnell erinnerte sie sich ihrer aufgeworfenen Nase.
Sie blickte umher. Alle sechs jungen Leute lachten beherzt über die falschen Erwartungen eines älteren Herrn. Auch Emanuel fand die Sache jetzt einfach komisch.
»Mach, was du willst«, bestimmte er. »Mein Tag ist besetzt.«
Er holte schon seinen Hut.
Auch Margo setzte ihren Hut auf, aber sie lachte nicht mehr.
»Ich wollte fliegen. Ich wollte Papa besuchen. Schließlich werde ich drunten im ersten Stock sitzen und stenographieren. Man hat nie Zeit. Nie tut man, was man will.«
»Und so vergeht das Leben«, ergänzte ihre sechzehnjährige Schwester, die sich lustig machte.
»Lache nur!« war die Antwort. »Wenn du erst zwanzig bist,