Die große Sache. Heinrich Mann
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Sie dachte: ›Hallo. Wenn er mit der Erfindung Geld macht, werden wir schon sehen, für wen. Bringt sie ihm aber Unglück, dann bin ich auch da.‹
Als sie aus der Haustür trat, wer stand noch immer davor und wartete?
»Gnädige Frau«, begann Schattich sogleich, »das einzige, was mich stört, ist, daß Sie ein Kind haben. Sonst würde ich vorschlagen: Sie verlegen Ihre Tätigkeit aus den Büros der Direktion in meine Wohnung.«
»Als Ihre Sekretärin?«
»Ja. Aber Sie werden immer fortwollen, weil das Kind zu Hause schreit.«
»Ich habe gar keins«, erklärte sie mit der größten Natürlichkeit. »Ich schwindelte Sie an, weil Sie mir etwas wegnehmen wollten.«
»Großartig!« rief er.
»Was ist daran großartig? Sie halten mich doch selbst für gerissen genug, um Ihre Sekretärin zu sein.«
Schattich lachte – anders, als er im Zimmer ihres Vaters gelacht hatte.
»Jetzt denken Sie, ich stelle Sie an, damit ich Sie leichter verführen kann. So denkt ihr Mädels euch immer den Chef.«
Er sagte es in einer Art, die alles nur bestätigte.
Margo erwiderte: »Jedenfalls würde ich mir verbitten, daß Sie mich übersehen.«
»Aha! Oho! Und na also!«
»Meine Sache ist es, daß Sie kein Glück haben.«
»Jetzt kenn ich Sie«, sagte er und streckte nach ihr den Zeigefinger aus.
Sie hatte einfach beschlossen, nicht dauernd nur eifersüchtig und hingebend zu sein. Neben aller Angst um ihren Emanuel dachte sie sich einen Spaß zu gönnen, und wer weiß, wofür er gut war.
»Sie sind ä Luder«, schloß Schattich. »Meine Wenigkeit is sowieso ä Luder. Es freut mich nur, daß sie ooch eins sind.«
Dann stieg er in seinen herrlichen Lanciawagen.
Viertes Kapitel
Sie waren natürlich im Kino gewesen, wie jeden Sonnabend. Inge wie Margo waren der Meinung, daß ihr Vater nichts davon hatte, wenn sie seinetwegen auf ihr Vergnügen verzichteten. Übrigens machten sie sich aber auf das Schlimmste gefaßt. Denn nach ihren Begriffen saßen alle älteren Leute nur noch sehr locker im Leben, ja, gehörten ihm höchstens halb an.
Sie waren mit Tränen der Furcht entschlafen. Als sie dann am Sonntag erwachten, herrschte sogleich Ferienstimmung dank der Abwesenheit Birks. Die ganze Wohnung gehörte nun fünf jungen Leuten, den beiden mittleren Töchtern samt dem Schwiegersohn und den Jüngsten, Susanne und Ernst. Zuerst war die Sechzehnjährige auf und öffnete die Tür des jungen Ehepaars.
»Margo, aufstehn! Dein Pilot nimmt dich heute mit!«
Emanuel schalt das Kind.
»Was hast du hier zu suchen, neugierige Elster!«
Es streckte ihm die Zunge aus. Aber die ältere Schwester verließ wirklich das Bett. Ihr lag viel daran, mitzufliegen. Die Luftfahrtgesellschaft beschäftigte die kleine Susanne. Margo war mit Fliegern bekannt geworden und benutzte es, um zu lernen, wie man ein Flugzeug führt. Emanuel hinderte sie nicht.
»Du kannst natürlich abstürzen«, bemerkte er wohl.
»Aber die Gefahr ist auch nicht größer –«, sagte sie.
»Als was uns sonst alles droht«, schloß er.
Sie dachten gleich in fast allem – sie, ihre Geschwister und ihre Freunde. Sie waren gegen Birk darin einig, daß der siebzehnjährige Ernst nur ruhig Mechaniker bleiben sollte. Nicht Ingenieur werden und noch mehr lernen, wie der Vater wollte; denn wohin führte es. Ernst mußte imstande sein, Autos und Flugzeuge zu reparieren, jetzt noch bei der Luftfahrtgesellschaft. Über die eigene Reparaturwerkstätte kam einer, der Glück hatte, dann zu einer Fabrik. Wer viel gelernt hatte, endete bestimmt in abhängiger Stellung, wie Papa … Ernst konnte trotz eifrigem Bemühen seine Finger nicht mehr weiß bekommen. Er bastelte, sobald er nicht aß oder sich auf dem Sportplatz betätigte. Hatte er grade kein Werkzeug zur Hand, stierte er Löcher in die Luft.
Aber Ernst liebte seine beiden großen Schwestern mehr als einer. Mit Susanne kam Liebe nicht in Frage; sie war seine Altersgefährtin und das gleiche junge Arbeitstier wie er. Zu Margo und Inge sah Ernst unter seinen zusammengewachsenen schwarzen Brauen empor als zu der unerreichbaren Schönheit. Sie waren seine ganze Romantik. Er träumte von Margo als der ersten festangestellten Flugzeugführerin in der ganzen Luftfahrtgesellschaft. Inge ihrerseits heiratete, wenn es nach Ernst ging, einen allerersten Mann, einen der Führer der Zeit, Boxer Brüstung.
Ernst schaltete den Strom ein, der das Wasser für den Kaffee heizte. Dann betrat er den Küchenbalkon und wartete, bis alle fertig angezogen waren. Außerdem hoffte er den Boxer schon drunten im Park zu sehen. Der verliebte Brüstung bediente sich des jungen Ernst, um jeden Sonntag in Erfahrung zu bringen, wo er Inge antreffen konnte. Sie selbst sagte ihm nicht immer das Richtige. Er warb um sie bisher ohne entscheidenden Erfolg.
In dem stillen Monbijou-Park entdeckten die Blicke des jungen Ernst noch keinen Menschen. Wohl aber stand die junge Zofe der Frau Schattich schon auf der Terrasse des dritten Stockwerks. Sie lehnte sich an den Mast der schwarz-weiß-roten Fahne, die Schattich hier immer wehen ließ, damit die Spaziergänger des Parks sie vor Augen hätten. Vorn auf den Heumarkt hinaus überließ er das Flaggen seinem Mieter Birk, der ganz oben wohnte. Daher trug das Dach die Farben Schwarz-Rot-Gold, und Schattich duldete es. Sie stellten das Gleichgewicht her, und der frühere Reichskanzler war außer Verantwortung.
Im dritten Stock schliefen die Herrschaften mindestens noch zwei Stunden. Marietta hätte sonst nicht wagen dürfen, mit Ernst zu flirten. Ihr Standpunkt war vor dem Schlafzimmer ihrer Herrin. Das zweite Stockwerk enthielt die Schattichschen Gesellschaftsräume, das erste die Büros. Der hohe Konferenzsaal des Generaldirektors reichte vom ersten bis zum zweiten und belegte ihren ganzen hinteren Teil, mit allen seinen Fenstern nach dem Park. Das Dach des Saales war eben die Terrasse mit der Fahnenstange, an der die Zofe lehnte. Eine eigene Treppe führte neben dem Saal hinauf bis hinter die Wand der Terrasse.
Auf dieser Treppe ging Schattich seine Wege, die seine Gattin Nora nicht alle kannte. Auch Marietta suchte den Knaben, den sie begehrte, dort hinunter zu locken. Sie holte jetzt wieder einmal den Schlüssel hervor, tat, als öffnete sie die kleine Tür in der Mauer, dahinter die Treppe lag, und mit der anderen Hand deutete sie an, wie leicht es sei, zu ihr herabzusteigen.
Das wußte er; er hatte es schon erprobt, aber nur, wenn sie nicht da war. Er blieb völlig ernst, ja, düster, während sie so lockende, leichte Mienen zeigte. Im Innern sah er sich mit ihr inmitten der Gesellschaftsräume des Generaldirektors, bei großer Beleuchtung auf ungeheuren seidenen Sofas. Die Aussicht berauschte den jungen Mechaniker nicht sehr und machte ihm nicht übertrieben bange. Er erwog sachlich die Chancen seines Vergnügens. Immerhin klopfte ihm das Herz, und das Mädchen wußte es. Sie lachte ihn aus. Auch eine unanständige Gebärde wagte sie.
»Ich kann alles sehn«, sagte eine hohe Stimme, und sie bemerkte Boxer Brüstung. Er stand auf dem Gartenweg und