Bilder der Levante. Michael Jansen
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Ich erreichte den Hafen von Beirut als alleinige Passagierin auf einem kleinen griechischen Schiff. Nach Zwischenstopps in Alexandria und Limassol auf dem Weg von Piräus wollte ich noch schneller ankommen und drängte den Maat zur Eile, bis wir schließlich so früh ankamen, dass Sawsan und Constantine, die mich abholen sollten, noch nicht da waren. Ich bestellte mir und meinen zwei Schrankkoffern ein Taxi zum Tor der Medizinischen Fakultät; wie ich die Koffer die lange Treppe hinunter zum Frauenwohnheim für Doktorandinnen bekam, weiß ich nicht mehr. Mein Zimmer hatte eine fantastische Aussicht über das Mittelmeer, azurblau unter klarem Himmel. Wieder war ich der Enge von Bay City entflohen.
Trotz des Putschversuchs an Silvester erschien Libanon als land of hope and glory. Es war weiterhin ein Zufluchtsort für talentierte und regimekritische Araber aus der gesamten Region, besonders aus den direkten Nachbarländern, Palästinenser, die im ersten arabisch-israelischen Krieg aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, und Syrer auf der Flucht vor chronischer politischer Instabilität. Meine Kommilitonen waren Iraner, Jordanier, Libanesen, Palästinenser, Ägypter, Iraker, Afghanen, Pakistanis, Syrer, Zyprer und vereinzelt Amerikaner, von denen einer von der CIA dafür bezahlt wurde, seine Mitstudenten auszuspionieren.
An der AUB belegte ich Graduiertenkurse bei Professoren aus den USA, Syrien und Palästina. Ich arbeitete am Institut für Wirtschaftsforschung als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Yusif Sayigh, einem Palästinenser mit syrischem Pass, der ein Buch über die politischen und sozialen Komponenten wirtschaftlicher Entwicklung schrieb. Weil die Büros des Instituts noch eine Baustelle waren, arbeiteten die meisten Angestellten vorläufig im riesigen Eingangsbereich der West Hall oder anderen freien Räumen. Yusif und mir wurde ein kleines Zimmer in der Jessup Hall zugeteilt, im Institut für Politikwissenschaft. Dass wir überall verstreut waren, beeinträchtigte keineswegs den Enthusiasmus der Professoren und ihrer Mitarbeiter, das wirtschaftliche »Durchstarten« der arabischen Länder zu dokumentieren.
Auch politisch gab es große Erwartungen. Araber waren optimistisch, weil der junge Präsident John F. Kennedy während seiner Zeit im Senat arabische Selbstverwaltung und ein Ende der Einmischung in arabische Angelegenheiten gefordert hatte. Gegenüber dem charismatischen Nasser war Kennedy, statt seinen Sturz zu planen, bereit zur Annäherung.
Beirut war eine lebenslustige Stadt. Wir schwammen am Strand der AUB und im Sporting Club im Schatten der berühmten Taubenfelsen, die sich unter Raouche aus dem Meer erheben, und tranken im »Dolce Vita« auf der anderen Seite der Strandpromenade Negronis oder türkischen Kaffee. In den Kinos liefen die neuesten Filme, und in den Boutiquen gab es Chanel, Jacques Fath, Givenchy und Mary Quant. Rashid, ein tunesischer Freund, schaffte das Unmögliche: Er brachte mir das Tanzen bei, hauptsächlich im »Les Caves du Roy«. Dort gingen wir hin, wenn einer von uns gerade Geld hatte, und Aldo, der Barkeeper, servierte uns Erdbeeren mit Sahne und viel zu teure Champagnercocktails. Irgendwann beschuldigte man ihn, ein Agent für die ein oder andere neugierige ausländische Macht zu sein, niemand wusste, welche. Ein tatsächlicher Spion, der britisch-sowjetische Doppelagent Kim Philby, kam zur Weihnachtsfeier der Sayighs, ein paar Wochen vor seiner misslungenen Entführung durch den britischen Geheimdienst. Er tauchte schließlich in Moskau wieder auf.
Ich hatte genug vom Leben im Wohnheim und zog in eine Zweizimmerwohnung in der Nähe der Rue Hamra, der Westbeiruter Hauptstraße. Zwei Monate später zog ich von dort weiter in eine Wohnung im vierten Stock ohne Fahrstuhl, auf einem Hügel über Raouche, im Dachgeschoss mit einem Streifen Meeresblick zwischen dem Shell-Gebäude und anderen Wolkenkratzern. Auf einem grünen Hügel unter meiner großen Terrasse grasten Ziegen, Glöckchen um den Hals, damit der alte Schäfer wusste, wenn eine sich davonmachte.
August 1963
Eines Morgens traf ich mich mit Usama Khalidi auf dem Campus, um den Besitzerwechsel seines vierzehn Jahre alten MG TC amtlich zu machen. Die Mechaniker nannten das Auto »Hadschi«, weil es so oft die Pilgerfahrt in ihre Werkstatt machte. Schon seit Monaten bewunderte ich Hadschi. Verlassen stand er beim Tor der Medizinischen Fakultät. Usama Khalidi, ein Professor für Biochemie, wollte den Oldtimer verkaufen, seit er ein Familienauto hatte. Als wir zur Behörde am Stadtrand fuhren, wo der Besitzerwechsel registriert und das Auto den méchanique, den Straßentauglichkeitstest, bestehen musste, erklärte mir Khalidi das geheimnisvolle Innenleben der Gänge; ich kannte bis dahin nur Automatikgetriebe. Ich sah zu und hoffte, alles verstanden zu haben. Auf dem Rückweg in die Stadt wurde ich ins kalte Wasser geworfen: Mitten im Mittagsverkehr hielt Khalidi vor seinem Wohngebäude, stieg bei laufendem Motor aus und sagte, ich solle nun übernehmen. Ich kletterte über das Getriebe und lernte das Schalten sofort. Knirschende Fehler vergab Hadschi. Soweit ich weiß, fuhr ich in Beirut als erste Frau einen Sportwagen. Viele sahen in Hadschi, einer Schönheit in British Racing Green, nur ein altes Auto, zu gestrig für Bewunderung.
Ich fuhr mit Hadschi durch ganz Beirut und wählte Routen, wo der Hall zwischen den Gebäuden am schönsten dröhnte. Weil Parkplätze im Zentrum schwer zu finden waren, nahm ich zum Einkauf auf dem Souk al-Franj die kleine rote Tram. Dort kaufte ich Käse bei Herrn Mamoud, einem kleinen runden Mann in engem beigem Overall, der im Sommer 250 Sorten Käse führte und im Winter 500, und frisches warmes Brot aus der Bäckerei direkt vor dem Suk.
Gaza, Ostern 1963
Neville Kanakaratne hatte mich zu einer Galaveranstaltung von UN-Friedenstruppen nach Gaza eingeladen, aber ich bekam für die Tage keinen Urlaub. So fuhr ich stattdessen Mitte April, in den Osterferien, für ein paar Tage hin. Wieder saß ich in einem UNRWA-Flugzeug, einer altertümlichen DC-3, in einem Schalensitz mit einer Decke gegen die Kälte, denn das Flugzeug war nicht luftdicht. Ich hatte im »Marna House« reserviert, einer kleinen Pension, geführt von Margaret Nassar, einer schönen Palästinenserin mit Geschäftssinn. Seit meinem ersten Besuch in Gaza wohnte ich immer dort. Für Besucher im Auftrag der UNO und Journalisten ist das Marna House in Gaza stets ein zweites Zuhause geblieben, auch wenn es an der Meeresfront inzwischen modernere Hotels gibt.
Das Abendessen mit den indischen Truppen war ein prachtvolles Ereignis im indischen Offizierskasino, geschmückt mit den Battle Honours des Regiments, Flaggen und Silber – glänzenden Kerzenleuchtern, Bechern, Tellern und Tabletts. Liebevoll poliert. Hinter jeder Person an der langen Tafel stand ein festlich uniformierter jawan, der Speisen und Getränke reichte.
Am nächsten Morgen organisierte Neville für mich eine private Akrobatikshow indischer Soldaten. Auf einem kleinen Sandhügel am Rand des Camps wurde ich mit einem Glas Bier in einen Korbstuhl gesetzt. Neville stand neben mir, ein verschmitztes Funkeln in den Augen, auf der anderen Seite stand Patrick, ein korpulenter Feldwebel irisch-indischer Abstammung. Auf der Ebene unter uns kletterten indische Soldaten einen eingefetteten Pfahl hinauf, machten Purzelbäume, überschlugen sich und stellten ihre Beweglichkeit und ihr Können zur Schau, während ich wie