Bilder der Levante. Michael Jansen

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Bilder der Levante - Michael Jansen

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Stadtmauern ausgeblichen und ihnen einen gold-beigen Ton verliehen zu haben, ganz anders als Beiruts kräftige Rosa-, Gelb-, Blau- und Grüntöne vor dem Hintergrund des türkisfarbenen Mittelmeers. Als wir im Taxi zu Sawsans Elternhaus fuhren, sagte sie: »Guck mal, die Straßen. Viel sauberer als in Beirut. Und das schon bevor mein Vater Gouverneur wurde.«

      Mit ihrem Vater Rashad hatten Sawsan und ich zuvor in Beirut im »Blue House« bei der Universität zu Mittag gegessen. Er war ein gutaussehender, kräftiger Mann mit dunklem Haar und Schnurrbart, geistreich und charmant. Als Chef der syrischen staatlichen Ölgesellschaft war er in den Jahren 1939 bis 1941 mit seiner britischen Ehefrau ins trostlose Deir ez-Zor in den Osten gezogen. Später wurde er zum Manager eines Unternehmens in Damaskus ernannt, dann zum Gouverneur der Provinz Damaskus, zum Minister für öffentliches Bauwesen und Telekommunikation und schließlich zum Landwirtschaftsminister.

      Das Haus der Jabris war ein bescheidener Bungalow mit einem Garten, den Sawsans Mutter Pearl liebevoll pflegte. Sie hatte Sawsans Vater in Manchester kennengelernt, als er dort Bauingenieurwesen studierte.

      Sawsan wollte mir die ganze Stadt zeigen. Sie bestand darauf, in einem Nachtklub zu Mittag zu essen, »Les Caves du Roy«, wenn ich mich recht erinnere – wie der Klub in Beirut, wenn auch anders buchstabiert. Der Raum war dunkel, das Essen ausgezeichnet, wie eigentlich überall in Damaskus. Für junge Frauen ohne Begleitung war ein Mittagessen akzeptabel, ein nächtlicher Ausflug nicht. Nachmittags spazierten wir in der Altstadt umher und besuchten das staubige Mausoleum Saladins, des arabischen Befehlshabers, der im 12. Jahrhundert die Kreuzfahrer aus Palästina vertrieben hatte.

      An jenem oder dem darauffolgenden Abend, oder am nächsten, gingen wir zu einer Party in die ungemein schicke Wohnung eines Freundes von Sawsan. Die Eltern waren nicht da und wir uns selbst überlassen. Alkohol gab es keinen, aber viel Essen, aufgetragen auf einer Tafel mit feiner Leinentischdecke. Wir hörten arabische Musik und The Green eaves of Summer, eine Ballade, die in jenem Sommer beliebt und aus irgendeinem Grund zu einer Erkennungsmelodie des algerischen Befreiungskriegs geworden war. Ein Lied, das überall und immer wieder gespielt wurde. Die Gespräche waren politisch. Es ging um Nasser, Syriens und Ägyptens Zusammenschluss zur Vereinigten Arabischen Republik, unterstützt von Sawsan und ihren Freunden, die entweder Nassers Bewegung Arabischer Nationalisten angehörten oder mit ihr sympathisierten. Sie hofften, die arabische Welt werde so neuen Antrieb bekommen und sich gegen Israel und die ehemaligen Kolonialmächte, die weiterhin in die arabische Innen- und Regionalpolitik eingriffen, zusammentun.

      Montags fuhr ich mit Leuten vom UNRWA-Büro aus Damaskus ins Flüchtlingslager von Jarmuk, dem größten außerhalb Palästinas. Dort lebten etwa 17’000 Flüchtlinge in dürftigen, eingeschossigen Betonsteinhäusern mit Flachdächern, von ihnen selbst entlang unbefestigter Pfade erbaut. Am nächsten Tag begleitete Sawsan mich in die Lager von Homs. Wir besichtigten den berühmten Uhrenturm von Homs. Dem Mann, der im kommenden Jahr am Mount Holyoke College Arabisch unterrichten sollte, schrieb ich eine Postkarte. In Hama aßen wir in einem Restaurant bei den antiken Wasserschöpfrädern, den Norias. Von den erhaltenen Wasserrädern hieß es, sie seien im 12. und 13. Jahrhundert von der von Saladin gegründeten Dynastie der Ayyubiden erbaut, wobei die ursprünglichen Räder schon sehr viel früher in Betrieb waren. Manche seiner Anhänger verglichen Nasser mit dem verehrten Saladin.

       South Hadley, Massachusetts, USA, 28. September 1961

      Abends berichteten die Fernsehnachrichten über einen Armeeputsch in Syrien und den Austritt des Landes aus der Union mit Ägypten. Nasser hatte sich verrechnet, als er zögerlich darauf eingegangen war, sich mit Syrien zusammenzuschließen. Dort nahm die Macht der kommunistischen Partei zu, was in der syrischen Baath-Partei, der einflussreichen Wirtschaftsschicht des Landes und bei den westlichen Mächten Ängste schürte. Nasser hatte zugestimmt, doch zu Bedingungen, die Syriens Herrscher zurückgewiesen hatten. Trotzdem hatte man die Dokumente über den Zusammenschluss am 22. Februar 1958 unterzeichnet.

      Nasser hatte in seinem Umgang mit der Union eine Reihe schwerer Fehler begangen. Er ging hart gegen Kommunisten vor, löste Syriens politische Parteien auf und verbot der Armee jegliche Beteiligung an der Politik. Seine eigene Nationale Union wurde zur einzigen Partei beider Flügel des neuen Staats. Doch das 600-köpfige Parlament war stark zu Ägyptens Gunsten gewichtet, mit 400 Abgeordneten, gegenüber 200 für das viel kleinere Syrien. Zudem erließ Nasser Verfügungen zu Verstaatlichungen, ohne die syrische Regierung zu konsultieren.

      Wenngleich die Kommunisten in Syrien und Ägypten ausgemerzt waren, betrachteten Jordanien und Libanon die Vereinigte Arabische Republik als existenzielle Bedrohung. Die westlichen Mächte empfanden die Union und den populären Nasser, der 1948 gegen die Gründung Israels gekämpft hatte, derweil als Gefahr für den jüdischen Staat. Als der libanesische Präsident Camille Chamoun im Mai 1958 eine Verfassungsänderung anstrebte, um eine zweite Amtszeit anzutreten, rebellierten die sunnitischen und drusischen Gemeinden in Libanon und wendeten sich an Nasser, der damit in Libanons ersten Bürgerkrieg involviert wurde. Westliche Bedenken gegenüber Nassers Absichten wurden weiter geschürt, als am 14. Juli 1958 in Irak die Armee die Monarchie stürzte, von Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg eingesetzt. US-Präsident Eisenhower entsandte Truppen nach Beirut, um eine friedliche Machtübergabe sicherzustellen, obwohl die USA gar nicht in der Lage waren, Chamoun im Amt zu halten.

      Gelöst wurde die Krise durch die UN-Gesandten Rajeshwar Dayal und den norwegischen General Odd Bull, Mitglieder einer Mission, die überwachen sollte, dass keine Menschen und Waffen über die syrische Grenze nach Libanon geschmuggelt wurden. Mit Godfreys Hilfe, damals indischer Chargé d’Affaires in Beirut, bastelten sie einen Bericht zusammen, der eine Verwicklung der Vereinigten Arabischen Republik bestritt, und verhinderten somit eine größere Krise. General Fuad Schihab, für die zerstrittenen Fraktionen Libanons als Kandidat annehmbar, wurde zum Präsidenten gewählt und übernahm die Präsidentschaft von Chamoun zu Ende von dessen Amtszeit im September 1958.

      Die außenpolitischen Abenteuer der Vereinigten Arabischen Republik hatten zusammen mit innenpolitischem Druck in Syrien zu einem Putsch geführt, den sowohl die Baath-Partei als auch Mitglieder der wirtschaftlichen und politischen Elite des Landes unterstützten. Einige Wochen nach dem Zusammenbruch der Union erhielt ich einen bitteren Brief von Sawsan; sie schrieb, ihr Vater habe in der Auflösung der Union eine tragende Rolle gespielt.

       South Hadley, Massachusetts, USA, Januar 1962

      Nach den Weihnachtsferien, kurz nach meiner Rückkehr ans College, erhielt ich einen Brief vom Ausbildungsleiter des UNRWA, Dr. Van Diffelen. Er schrieb über das Krachen von Schüssen an Silvester, als jüngere Offiziere gemeinsam mit der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP), der ersten panarabischen politischen Partei, geputscht hatten. Ziel der säkularen SSNP, 1932 von Antun Sa’ada gegründet, war ein Zusammenschluss der Länder des Fruchtbaren Halbmonds. Die Offiziere wurden sofort festgenommen und SSNP-Mitglieder reihenweise zusammengetrieben, was dem Putschversuch ein Ende setzte. Unter den Verhafteten waren Freunde, die ich in meinem Beiruter Sommer kennengelernt hatte.

       Beirut, Libanon, 10. September 1962

      Genau ein Jahr nach meiner Abreise kehrte ich nach Beirut zurück. Zum Abschluss am Mount Holyoke College hatte ich mir eine Fahrkarte dritter Klasse auf einem Transatlantikliner gewünscht, und die Weiterfahrt vom Heimathafen bis nach Libanon. Die Queen Frederica, 1926 vom Stapel gelaufen, fuhr unter griechischer Flagge. Im Zweiten Weltkrieg war sie als Truppentransporter eingesetzt und später mehrfach als Passagierschiff modernisiert worden. Mit sieben anderen Frauen teilte ich mir eine Doppelkabine mit vier Stockbetten. Eine der Frauen, eine betagte Griechin, legte sich ins Bett, sobald wir an Bord waren, und blieb dort, bis wir sechs Tage später Athen erreichten. Unter meinen Kabinengenossinnen war eine gutgelaunte Griechin mittleren Alters, Sophia, die mir Volkstänze beibrachte, und ein paar andere Studentinnen. Zu Anfang der Reise saßen wir bei griechischem Essen und Retsina nur zu dritt

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