Bilder der Levante. Michael Jansen

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Bilder der Levante - Michael Jansen

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Kisten durch, ohne auch nur eine zu öffnen. »Willkommen in Zypern«, sagte er.

       3Freiheit

       South Hadley, Massachusetts, USA, September 1958

      Meine Flucht aus Bay City fand per Eisenbahn statt, in Begleitung von Ma, mit dem Reiseziel Mount Holyoke College. Aus einer Kleinstadt in Michigan mit 60’000 Einwohnern ging es in ein Städtchen in Massachusetts, wo nur ein Viertel so viel Menschen lebten. Ma begleitete mich bis in mein Zimmer im Erdgeschoss der Porter Hall, ein altersfleckiges Backsteingebäude mit großen Fenstern, schweren Türen und welligen Linoleumböden. Ich hatte 120 Dollar in der Tasche, mein erstes Journalistengehalt. Ich kaufte mir dafür ein rotes Fahrrad und die Freiheit, mit dem Rad den Campus und das Umland zu durchstreifen, an steilen Hügeln schwer in die Pedale zu treten und wieder hinabzuschießen.

      Drei Artikel hatte ich für die Bay City Times geschrieben, über die »irakische Revolution«: Die Monarchie war gestürzt und der junge König Faisal II., sein verhasster Onkel Abd al-Ilah und Nuri al-Said waren ermordet worden. Bis zum Sommer 1957 hatte ich nichts über irakische Politik gewusst. Dann traf ich an der University of Michigan, wo ich ein zweiwöchiges Journalismusseminar für Highschool-Schüler besuchte, eine Gruppe irakischer Studenten.

      Schüchtern, 41 Kilogramm leicht, das Haar raspelkurz und um die Zähne eine Spange – so wurde ich gemeinsam mit einer weiteren journalistischen Hoffnungsträgerin namens Kay zu einem Empfang für ausländische Studenten geschickt. Ich sollte interessante Leute für Interviews finden. Kay verschwand sofort. Ich stand wie festgefroren am Rande des Treffens, bis ein großer Mann mit dunklem Haar auftauchte. »Kann ich dir helfen?« Sami, ein gutaussehender, charmanter Iraki mit leichter Fistelstimme, wollte mich seinen Freunden vorstellen. Am nächsten Tag trafen wir uns in der Studentenvertretung. Dort interviewte ich Herrn Fayyad, einen kleinen fülligen Iraker mittleren Alters; Sami unterbrach das stockende Gespräch immer wieder mit gemeinen Witzen über ihn. Ich weiß nicht mehr, was ich aufschrieb oder wie es bei den Seminarleitern ankam. Bevor ich wieder nach Bay City zurückkehrte, traf ich mich noch ein paar Mal mit Sami und seinen Freunden. Mir hatte sich ein kleines Fenster auf Länder geöffnet, die ich bis dahin nicht auf der Landkarte gefunden hätte.

      Im Laufe des folgenden Jahres öffnete sich das Fenster noch ein bisschen weiter. Sami, der an der University of Chicago Alte Geschichte studierte und in Michigan nur einen Sommerkurs belegt hatte, schrieb mir, sagte, ich solle den Koran lesen – was ich tat –, und schickte mir ein paar Bücher, um mich aus den Tiefen meiner Ignoranz zu holen.

      Nach dem irakischen Staatsstreich vom 14. Juli 1958 fuhr ich zwei oder drei Mal nach Ann Arbor, wo ich wieder Sami und andere Irakis interviewte. Ich entdeckte, dass sie das Ende der Monarchie aus vollem Herzen begrüßten. »Nuri al-Said hat meinen Onkel an einer Laterne in Hillah aufknüpfen lassen«, sagte Sami bei einer dieser Zusammenkünfte. Wir tranken süßen Milchkaffee, den ich eigentlich nicht mochte, aber zu trinken gelernt hatte, und noch jahrelang mit diesen Diskussionen in Verbindung bringen sollte.

      Außer den Irakern kamen noch andere zu diesen Treffen, Hussein, ein Kubaner, der in Harvard Arabistik studierte, und George, Ägypter, ein sanfter Mann mit zaghaftem Lächeln, der als Jugendlicher bei den Pyramiden in der Wüste geritten war. Er sollte in jenem Herbst an der Harvard Law School anfangen und überzeugte mich davon, dass Gamal Abdel Nasser unterstützenswert sei.

      Die zufällige Begegnung mit einem Mann sollte den weiteren Lauf meines Lebens bestimmen. Als ich ihn fragte, woher er stamme, sagte er: »Palästina.« Wo das liege? »Neben Libanon, Syrien und Jordanien.« Ich habe noch nie von Palästina gehört, sagte ich. »Existiert auch nicht. Die haben mein Land weggegeben.« Aber wenn es nicht existiere, welchen Pass habe er dann? »Einen britischen.« Ich erfuhr nie seinen Namen und sah ihn nie wieder.

      »Die haben mein Land weggegeben.« Diese Worte sollten mich viele Jahre lang beschäftigen.

      Sobald ich wieder zu Hause war, musste ich mehr über diese Palästinenser herausfinden, deren Land man weggegeben hatte. Ich ging sofort in die öffentliche Bibliothek und fand They Are Human Too von Per Anderson, einen Fotoband über palästinensische Flüchtlinge.

      Im Mount Holyoke College belegte ich schließlich Internationale Beziehungen im Hauptfach, mit Schwerpunkt Naher Osten. Als Praktikantin des UNO-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) reiste ich nach Beirut und eröffnete mir weitere Fenster auf die Region, in der ich mein Leben verbringen sollte.

       Beirut, Libanon, 10. Juni 1961

      Vollgepumpt mit Impfungen gegen Typhus über Paratyphus bis zu Gelbfieber und von Ma mit einer Rolle Toilettenpapier ausgestattet, kam ich nachmittags am Beiruter Flughafen an. Man hatte mich durch halb Europa geschickt. Das Reisebüro in Bay City, unvertraut mit Reisezielen im Nahen Osten, hatte mich in eine TWA-Maschine nach London Heathrow gesetzt. Von dort sollte es mit Air India nach Beirut weitergehen. Aber es gab keinen Air-India-Flug nach Beirut. Jemand vom Bodenpersonal fuhr mich schnell über das Rollfeld zu einem Alitalia-Flug nach Rom. Das Flugzeug war fast leer und ich durfte in der ersten Klasse sitzen. Von Rom flog ich weiter nach Athen, stand dort vor dem kleinen Flughafengebäude auf dem staubigen Rollfeld und wartete auf das Flugzeug nach Beirut. Griechenland war damals noch zu großen Teilen vom Zweiten Weltkrieg verwüstet und nicht der Touristenmagnet, zu dem es später wurde.

      Ich war verwirrt und aufgeregt, es war meine erste Reise außerhalb der USA. Obwohl ich nicht zur vereinbarten Zeit in Beirut ankam, wartete ein Fahrer des UNWRA so lange am Flughafen, bis ich eintraf. Er brachte mich in Windeseile zum Mayflower-Hotel in der Hamrastraße und sagte, der UNRWA-Bus würde mich am Montagmorgen um halb acht abholen.

      Mein Zimmer lag im zweiten oder dritten Stock, sehr einfach eingerichtet, zwei Betten, ein Stuhl und ein Tisch. Der Duschkopf hing im Badezimmer in der Mitte der Decke, und wenn ich duschte, wurden Toilette und Waschbecken nass. Ich schlief bis sechs Uhr und wachte von einem quäkenden Hupen auf, ein Eselgespann mit Ölfass. Draußen wimmelte es vor geschäftigem Treiben. Verkäufer schoben Karren voller Obst und Gemüse vor sich her und riefen ihre Waren aus, Auberginen, Bohnen, Kartoffeln, Erdbeeren und Loquats – kleine ovale orangefarbene Früchte, die ich noch nie gesehen hatte. Die meisten Einkäufer waren Männer mit Körben, manche in Anzügen und Krawatten, bereit fürs Büro, andere in T-Shirt oder Unterhemd und Pyjamahose. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ließ eine Frau in geblümtem Hauskleid einen Korb mit einer Bestellliste an einem Seil vom Balkon hinunter. Noch im Schlafanzug holte ich mir den Stuhl auf den Balkon hinaus und setzte mich, gebannt vom morgendlichen Straßentheater.

      Beim Frühstücksbuffet unter einer Markise auf dem Hoteldach traf ich meinen ersten »Expat«: Genevieve Maxwell, eine nicht mehr ganz junge Dame mit der Energie eines Teenagers. Sie war gebürtige US-Amerikanerin und schrieb eine Gesellschaftskolumne für den Beiruter Daily Star. Wer ich sei, was ich in Beirut mache, ob ich gern der Foreign International Group beiträte, die sie gerade organisiere, um junge Leute zusammenzubringen. »Libanesen sind nicht erlaubt«, sagte sie entschieden. Da wir uns in Libanon befanden, erschien mir das wenig gastfreundlich, und ich zögerte, in der Woche drauf zum ersten Treffen der Foreign International Group auf dem Hoteldach zu gehen. Schließlich ging ich doch hin und nahm Saud mit, der mal mit einer Kommilitonin vom Mount Holyoke College ausgegangen war. Wir waren uns zufällig auf der Rue Bliss vor der AUB über den Weg gelaufen; er besuchte gerade seine Familie in Beirut. »Er ist Saudi und geht in Amherst zur Universität«, sagte ich zu Maxwell, als ich ihn vorstellte. Ihr Verbot betraf keine Araber per se, nur Libanesen. Ich ging nie wieder zu einem ihrer Treffen.

      Das

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