Bilder der Levante. Michael Jansen

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Bilder der Levante - Michael Jansen

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ganz durchdrungen von der Friedlichkeit der östlichen Ghuta. Dann kehrten wir mit Neville und Rosemary zurück nach Schemlan und zum dumpfen Krachen des Haubitzenfeuers auf dem Hügel über Ainab.

      Einige Monate, nachdem wir Schemlan verlassen hatten, wurden die beiden auf der Schwelle ihres Hauses über dem Dorf erschossen.

       Schemlan, Libanon, und Limassol, Zypern, 9./10. Juli 1976

      Wir packten Schallplatten, Kleidung, Porzellan, Wäsche und Bücher in elf Blechkisten, die Godfrey in seiner Zeit als Indiens undiplomatischster Diplomat für Umzüge benutzt hatte. Viele unserer Freunde hatten ihr Zuhause mit nichts als dem, was sie am Leib trugen, verlassen und alles verloren; so hatten wir entschieden, selbst schwer bepackt auszureisen. In eine Kiste legten wir Sachen, die wir für Prue nach Zypern mitnehmen sollten. Sie war mit ihrer Familie schon ein paar Monate zuvor ausgereist. Als wir in ihre Wohnung beim Sanayeh-Park gingen, um Kleidung und andere Dinge zu holen, die sie uns aufgeschrieben hatte, stießen wir im Wohnzimmer auf den aufgedunsenen Körper Orlandos, ihrer orangeroten Katze. Prue hatte ihr Hausmädchen bezahlt, die Katze zu füttern und das staubige Haus zu putzen. D packte Kleidung und Schuhe in eine für sie reservierte Kiste, zusätzlich zu ein paar Koffern, die uns am Abend vor unserer Abreise aus ihrer Beiruter Wohnung gebracht wurden.

      Ich fuhr mein Auto Hadschi rückwärts aus der Garage, den Abhang zur Hauptstraße hinauf und steile Kurven hinunter, hinein in den verwilderten Garten des schönen zweigeschossigen Hauses der Familie Ramez am unteren Ende des Dorfs. Herr Ramez hatte mir angeboten, auf den MG aufzupassen, bis wir zurückkämen – wir hofften, ohne selbst wirklich daran zu glauben, dass wir in drei Monaten wieder da seien, pünktlich zu Beginn von Maryas Schuljahr.

      Am Nachmittag wurden George und Leila vom Dorfpriester getraut. Wir feierten mit Wein und Sandwiches im Haus einer ausgelassenen Sunnitin aus der Baydoun-Familie. Sie holte ihre Kalaschnikow hervor und feuerte in die Luft, bis Nimr sie überzeugen konnte, damit aufzuhören. Schießfreudige Bürgerwehren im Tal könnten zurückfeuern, warnte er.

      Früh am nächsten Morgen kam Abu Hamzeh im Auto seines Arbeitgebers Mohammad Machnouk, begleitet von einem gemieteten Pickup-Truck mit einem hohen Verdeck aus Segeltuch – die moderne Version eines Planwagens. Wir schoben die Kisten auf die Ladefläche, daneben das antike runde Kupfertablett, das Godfrey seit jeher als Esstischplatte diente. Ich schloss die Fensterläden der Küche, verriegelte die Tür, drehte den Schlüssel im Schloss der schweren hölzernen Haustür und machte einen Schritt zurück, um noch einmal das Haus zu betrachten. Gemeißelte weiße Steinblöcke, ein rotes Ziegeldach, blaue Holzläden, Olivenbäume auf der oberen und der unteren Terrasse, Kletterrosen entlang des weißen Kiespfads. Balu wedelte mit ihrem fedrigen Schwanz und T. S. beklagte sich über seine Gefangenschaft in einer Reisetasche – wir hatten Löcher hineingeschnitten, damit er atmen konnte. Der Schlüssel lag schwer in meiner Hand. Wenn man gezwungen ist, einen Ort zu verlassen, bewahrt man Schlüssel gut auf. Schlüssel belegen Besitz, dass man in ein Haus, an einen Ort gehört. In einer der Kisten lag der Schlüssel zu unserem Haus in Kyrenia, ein großer Schlüssel mit einem Schild, auf dem handgeschrieben »Brookings« stand, der Name des vorherigen Besitzers. Wir mussten nun schon unser zweites Haus hinter uns lassen.

      George und Leila kletterten in die Fahrerkabine des Pickups, Godfrey saß neben Abu Hamzeh vorne im Auto, Balu zu seinen Füßen, Marya, D und ich auf der Rückbank. Die Tasche mit T. S. auf meinem Schoß. Abu Hamzeh gab uns ein Zeichen, kurz über seinen Fahrersitz nach vorne zu schauen und hob ein Hosenbein an: darunter, in seiner Socke, eine kleine Pistole, dann das andere Hosenbein, darunter ein Dolch. Er war bereit, uns zu verteidigen – Mohammads uralte, etwas mafiöse Maschinenpistole noch gar nicht miteingerechnet.

      Zum Abschied versammelten sich die Nachbarn aus dem Dorf oben an der Einfahrt. Khalil Hitti, ehemals Bibliothekar beim British Council in Beirut, ein schmächtiger Mann mit einer langen spitzen Nase und schütterem weißem Haar, hatte Tränen in den Augen. Wir waren nicht die ersten, die gingen, doch der Aufbruch des Hindus galt als der Anfang vom Ende für Schemlan – zumindest, wie wir es gekannt hatten.

      Kurz nachdem wir in das Haus gezogen waren, der erste Neubau im Dorf seit hundert Jahren, hatte Godfrey Khalil gefragt, wie lange es dauern werde, bis wir akzeptiert seien. Entworfen hatte das Haus ein Freund aus Beirut, doch die Bauaufsicht hatte jemand aus dem Dorf, die Maurerund Schmiedearbeiten stammten von anderen Schemlanis und die Schreinerarbeiten von Khalils Cousin. Khalil zog eine Augenbraue hoch und antwortete: »Nun ja, sehen Sie, Herr Jansen, Schemlan wurde von den Hittis im 11. Jahrhundert gegründet. Das Land gehörte den Drusen. Im 15. Jahrhundert kamen dann die Tabibs. Wir Hittis sprechen noch immer nicht mit den Tabibs.« Eine Fehde habe die Spaltung offiziell gemacht, als ein Barbier aus der Familie Tabib bei einem Streit über eine lang vergessene Frage mit einer Schere auf Khalils Vater eingestochen habe.

      Unser Abschied sagte mehr über unsere Zugehörigkeit aus, als uns klar war. Über dreißig Jahre später holten George und Leila mich im Mayflower-Hotel in Beirut ab und wir fuhren zu einem Restaurant im Städtchen Brummana, im hauptsächlich maronitisch-christlichen Gouvernement Libanonberg. Ein anderes Paar von der Hitti-Seite des Dorfs, die Farajallahs, stieß dazu. Beim Abendessen erzählte ich Maud Farajallah, was Khalil damals zu Godfrey gesagt hatte. Sie antwortete, ganz ernst: »Nein, nein, ihr Jansens wart immer respektierter als die Tabibs.«

      Die Reise in den Süden, nach Tyros, führte uns auf die Küstenstraße, mit Unterbrechungen an zahlreichen Kontrollpunkten der syrischen Armee. Der Verkehr war spärlich, während unser Konvoi entlang der Bananenhaine zu beiden Seiten der Straße fuhr, durch Sidon kurvte und weiter nach Tyros, vorbei an einem unserer Lieblingsrestaurants, »Hassan und Hussein«, wo der Fisch immer frisch und gut zubereitet war. Am Hafen von Tyros erfuhren wir, dass noch am selben Abend ein Frachtschiff nach Zypern auslaufen werde, und gingen sofort ins Büro der Reederei, um die Überfahrt zu buchen, bezahlt mit einem Bündel Reiseschecks von einer vorherigen Zypernreise. Seit mehreren Monaten schon hatten wir Godfreys Gehalt von unserem Konto in Nikosia abheben müssen, Überweisungen an Banken in Libanon waren wegen des Bürgerkriegs ausgesetzt worden. In der Bar am Fuß des Kais gab es statt des libanesischen Almaza und Aziza gelbe Dosen Keo-Bier aus Zypern.

      Weil die Kabinen schon alle ausgebucht waren, suchten wir uns einen Platz an Deck auf einem Lukendeckel, und bauten uns aus unseren Kisten eine Art Burg. In der Mitte rollten wir einen Kelim aus und legten das Kupfertablett auf eine Kiste, ein niedriges Tischchen. Ein wenig Zuhause auf der Reise aus dem Kriegsgebiet. Das Abendessen bestand aus einer Flasche Champagner und furchtbaren Sandwiches, Feta mit Corned Beef, die D am Morgen geschmiert hatte, als niemand hingesehen hatte. David Hirst, ein Guardian-Journalist und Mitpassagier, gesellte sich zu uns, um auf George und Leila anzustoßen.

      Die seekranke Balu stand gemeinsam mit einem eleganten Irish Setter an der Reling, dann legte sie sich zwischen Godfrey und Marya in unser kleines Fort. Ich öffnete den Reißverschluss der Reisetasche ein wenig und schob meine Hand durch die kleine Öffnung, um T. S. zu beruhigen und ihn davon abzuhalten, maunzend an den Innenseiten der Tasche zu kratzen. Unser Siamkater hasste es, eingesperrt zu sein. Doch so lange er wusste, dass ich in der Nähe war, fühlte er sich sicher. Wir schliefen kaum und warteten auf die Morgendämmerung, die sich schließlich zwischen kühlfeuchten Schichten von Nebel und Wolken vor Limassol auftat. Das Schiff ging außerhalb des Hafens vor Anker, und wir warteten auf die Leichter, die uns mit unseren Kisten in den Hafen brachten. Dort griff sich ein Beamter in perfekt gebügelter weißer Uniform sofort Balus Leine. »Den Hund können Sie nicht mit an Land bringen«, erklärte er. »Aber Sie haben Glück, es ist gerade ein Mann vom Veterinäramt da. Der nimmt ihn mit in den Quarantänezwinger nach Nikosia.« T. S. in der Reisetasche verschwiegen wir, und zum Glück blieb er still. Der Beamte schrieb uns die Telefonnummer der Quarantänestation auf und führte Balu weg, die mit schlaffen Ohren und hängendem Schwanz davontrottete.

      Am Einwanderungsschalter verbürgten wir uns für George und Leila: Zypern war überlaufen von mittellosen libanesischen Flüchtlingen.

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