Das 1x1 der Baumkontrolle. Forum Verlag Herkert GmbH

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Das 1x1 der Baumkontrolle - Forum Verlag Herkert GmbH

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können sie im Falle des Versagens Sachgegenstände beschädigen oder sogar Personen verletzten. Für die Beurteilung des Gefahrenpotenzials ist neben den Fragen nach wann und warum Bäume oder Teile von ihnen versagen, auch die Sicherheitserwartung im Baumumfeld in die Entscheidung für den Untersuchungsaufwand oder für baumpflegerische Maßnahmen mit einzubeziehen (Bild 1).

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      Bild 1: Gefahren durch Bäume aus statischer Sicht (Quelle: H. Weiß)

      Baumkontrollrichtlinien – Regelwerke für die Praxis

      Trotz der bereits sehr langen „rechtlichen Tradition“ im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen (vgl. z. B. Grundsatzurteil des BGH vom 21.01.1965) bestand hinsichtlich der konkreten praktischen Umsetzung von Baumkontrollen und ihrer Organisation (Umfang, Häufigkeit, Dokumentation usw.) in der Praxis längere Zeit eine große Verunsicherung. Für die Kontrollen zur Verkehrssicherheit bei Bäumen wurden sehr unterschiedliche Begriffe verwendet, so wurde u. a. von Sichtkontrolle, Baumkontrolle, Baumschau, fachlich qualifizierter Inaugenscheinnahme, Baumdiagnose oder Baumuntersuchung u. v. m. gesprochen. Für die einzelnen Begriffe existierten keine oder unzureichende Definitionen, und für den Außenstehenden war es schwer, den Umfang gegeneinander abzugrenzen (Dujesiefken et al. 2004).

      Daneben ist nicht immer sofort klar, welche Bäume im Verantwortungsbereich eines Grundstückseigentümers oder eines Straßenbaulastträgers ggf. der Verkehrssicherungspflicht unterliegen. Die Festlegung des kontrollpflichtigen Baumbestands ist eine der zentralen Fragen für die Organisation von Baumkontrollen im urbanen Raum. Innerhalb der freien Landschaft und im Wald fern von öffentlichen Straßen haftet der Eigentümer nicht für Schäden durch waldtypische Gefahren (BGH 2012). Deshalb sind hier auch keine regelmäßigen Kontrollen zur Überprüfung von Bruch- und Wurfgefahr erforderlich.

      Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht müssen aber z. B. Bäume an Straßen, Wegen, Plätzen, Wohnanlagen, Spiel- und Sportanlagen, in Grün-, Freizeit- und Erholungsanlagen, auf Friedhöfen, an Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen kontrolliert werden. Auf solche Bäume erstreckt sich deshalb der Geltungsbereich der im Jahr 2004 erstmalig erschienenen FLL-Baumkontrollrichtlinie. Mit dem Regelwerk, das 2010 und zuletzt 2020 umfassend überarbeitet und an die neuen fachlichen Erkenntnisse angepasst wurde (FLL 2020), liegt ein einheitlicher Leitfaden für die Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen im besiedelten Raum vor.

      Natürlich kann sich jeder Baumeigentümer eine eigene Vorgehensweise für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ausdenken, im Schadensfall wird das organisatorische und fachliche Vorgehen aber sicher an den Kriterien der FLL-Baumkontrollrichtlinien überprüft werden, da diese in weiten Teilen der Fachwelt als Konsens angesehen werden und auch in der aktuellen Rechtsprechung als Regeln auf dem aktuellen Stand der Technik zunehmend Anerkennung finden. Wenn die allgemeinen Formulierungen nicht zu sehr den Spezifika eines größeren kommunalen Baumbestands widersprechen, sollte das Regelwerk der FLL-Baumkontrollrichtlinie mit ihren beiden Teilen Baumkontrollrichtlinien (FLL 2020) und Baumuntersuchungsrichtlinien (FLL 2013) konsequent angewendet werden.

      Stufen der Baumkontrolle {Baumkontrolle, Stufen der}

      Prioritäres Ziel einer Baumkontrolle im Rahmen der Verkehrssicherungspflichterfüllung ist das Erkennen von Anzeichen für Gefahren und die Beantwortung der Frage: „Ist die Verkehrssicherheit des beurteilten Baums gegeben?“ Bei Feststellen von Gefahrenanzeichen ist die Frage zu verneinen, und es besteht dann selbstverständlich Handlungsbedarf. Baumkontrolle und Baumpflege müssen dabei als funktionelle Einheit begriffen und aufeinander abgestimmt werden.

      Nach FLL-Baumkontrollrichtlinien erfolgt die Organisation der Baumkontrolle abgestuft.

      Das nachfolgende Schema (Bild 2) verdeutlicht die Abfolge der Erfassungs-, Kontroll- und Untersuchungstätigkeiten sowie der ggf. erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht in Anlehnung an das Ablaufschema nach den FLL-Richtlinien (FLL 2013, 2020). Zusätzlich grün hervorgehoben sind die Schritte zur längerfristigen Förderung der Baumentwicklung.

      Baum-Grunderfassung

      Zur Überprüfung größerer Baumbestände ist es vor der eigentlichen Kontrolltätigkeit zunächst sinnvoll, den kontrollpflichtigen Baumbestand während einer Grunderfassung {Grunderfassung} (Ersterfassung) genau zu definieren. Hierzu gehören Recherchen zu Grundstücksgrenzen, Verantwortlichkeiten (z. B. bei Straßenbäumen) oder die mögliche Zugehörigkeit zu Wald und sonstigen z. B. nicht öffentlich zugängigen Flächen. Gegebenenfalls unterliegen Teile des Baumbestands nicht der Verkehrssicherungspflicht, jemand anderes ist verantwortlich oder Bäume stehen auf anderen Grundstücken.

      Regelkontrolle {Regelkontrolle}

      Zentrales Element und damit auch für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht von wesentlicher Bedeutung ist eine regelmäßige Sichtkontrolle (Regelkontrolle). Diese erfolgt als qualifizierte Inaugenscheinnahme (vom Boden aus, ohne Aufgraben der Wurzeln). Bei dieser Kontrolle wird der gesamte Baum von allen Seiten (soweit vom Boden aus möglich) intensiv nach solchen Symptomen untersucht und beurteilt, die Anzeichen für eine Wurf- und/oder Bruchgefahr oder sonst für eine eingeschränkte Verkehrssicherheit (z. B. Äste im Lichtraumprofil, „Stolperwurzeln“) sind. Es werden vorrangig visuell erkennbare Merkmale und Symptome an den aus der natürlichen Baumgestalt abgeleiteten Bereichen Krone, Stamm, oberirdische Teile der Wurzeln und Baumumfeld berücksichtigt, die insbesondere beim Einwirken „normaler“ Kräfte (keine außergewöhnlichen Naturereignisse) zum Versagen führen können. In manchen Fällen führt der Einsatz einfacher Werkzeuge schnell zu weiteren Erkenntnissen (z. B. Benutzen eines Fernglases, Abklopfen von Wurzelanläufen oder des Stamms mit einem Diagnosehammer, Einsatz eines Sondierstabs und/oder einer Taschenlampe). Die Beurteilung der Verkehrssicherheit orientiert sich dabei an konkreten Anzeichen für weitere Gefahren – nicht an eher pauschalen Kriterien, wie Baumart, Alter der Bäume o. Ä.

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      Bild 2: Schema der Vorgehensweise bei der Überprüfung und ggf. erforderliche Handlungen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit (orange hinterlegt) und ggf. zur Pflege von Bäumen (grün hinterlegt) in Anlehnung an FLL, 2020 (Quelle: H. Weiß)

      Handlungsbedarf bei nicht gegebener oder unklarer Verkehrssicherheit

      In den meisten Fällen ist die sorgfältige, qualifizierte Inaugenscheinnahme für eine abschließende Beurteilung der Verkehrssicherheit eines Baums und Vorhersage zu Gefahren im Zeitraum bis zur nächsten Regelkontrolle ausreichend und es kann die zentrale Frage „Ist die Verkehrssicherheit gegeben?“ eindeutig beantwortet werden. In seltenen Fällen lässt sich diese Frage jedoch nicht eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten, dann muss sich bei beabsichtigtem Erhalt des Baums an die Kontrolle eine weiterführende Inaugenscheinnahme oder sogar eine Baumuntersuchung anschließen.

      Handlungsbedarf zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit besteht selbstverständlich auch bei all den Fällen, bei denen eine Gefahr festgestellt wurde – die Pflichterfüllung ist für diesen Regelkontrollzyklus erst dann beendet, wenn die Gefahren durch entsprechende Maßnahmen beseitigt wurden. Hierfür kommen Baumpflege- und Sicherungsmaßnahmen gemäß aktueller ZTV-Baumpflege (FLL 2017), aber auch die Fällung des Baums infrage. Langfristige Handlungsempfehlungen zur Förderung der Baumentwicklung und/oder zum Vorbeugen künftiger Fehlentwicklungen oder zur Standortsanierung sind zwar manchmal nicht unmittelbar für die kurzfristige Wiederherstellung und den Erhalt der Verkehrssicherheit im Zeitraum bis zur nächsten Regelkontrolle zwingend erforderlich, für ein sinnvolles Baummanagement sind sie aber u. U. sehr wichtig.

      Ist absehbar, dass durch das weitere Vorgehen artenschutzrechtliche Belange betroffen

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