#Glücksmomente in der Toskana. Nana Claudia Nenzel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу #Glücksmomente in der Toskana - Nana Claudia Nenzel страница 7
SCOPPIO DEL CARRO
Die Ostertaube spielt Orakel
In Begleitung von Fahnenschwenkern und Trommlern trifft der von zwei weißen Ochsen gezogene Karren mit einem mehrstöckigen Kanzelgebilde, dem Brindellone, aus Holz, vor dem Domportal ein. Mit Spannung wird das Ende der Ostermesse erwartet. Dann öffnen sich die Haupttüren, und nervöse Messdiener knüpfen ein am Hochalter befestigtes Drahtseil draußen am Brindellone fest. Alle starren in die Kirche. Plötzlich rast eine Rakete in Form einer Taube ins Freie. Dort rammt der »Heilige Geist« den Wagen. Es knallt und pfeift und zischt, ein ohrenbetäubender Lärm begleitet von buntem Funkengestöber. Die Menschen tosen und klatschen, ihre Lippen schmecken bitteres Pulver, sie stören sich nicht am Feinstaub, der brüderlich verteilt auf die vielen Köpfe der Gläubigen rieselt. Mit Spannung warten alle auf den letzten Böllerknall, er gibt der Taube genügend Druck, um zum Chor zurückzusausen. Wenn dieses Finale reibungslos verläuft, erlebt Florenz ein gutes Jahr. 1966 glückte das Spektakel nicht, die Taube kehrte nicht zurück, der Arno überschwemmte die Stadt …
Fussball-Match
MIT HARTEN BANDAGEN
Zu Ehren des Schutzpatrons werden weder
Kostüme noch Knochen geschont
Während es beim religiös begründeten Scoppio del Carro nur um möglichst lautes Feuerwerksknallen geht, lassen es die Florentiner beim historischen Fußball, dem Calcio Storico oder Calcio Fiorentino, so richtig krachen. Keine Fußball-Tradition soll härter sein! Brutal? Florentiner lieben es, dabei zu sein, als Zuschauer und als Mitspieler. Sie kommen aus den vier Stadtvierteln von Florenz: aus Santa Croce die Blauen (Azzuri), aus Santa Maria Novella die Roten (Rossi), aus Santo Spirito die Weißen (Bianchi) und aus San Giovanni die Grünen (Verdi). Bei jedem Spiel stehen 27 gegen 27 Mann auf dem Platz und bilden eine für den fremden Zuschauer recht unübersichtliche Spielsituation. Seit dem 15. Jahrhundert ist das so bei mehreren Spielen ab dem letzten Mai-Sonntag, gipfelnd im Finale am 24. Juni, dem Johannestag, zu Ehren des Schutzpatrons von Florenz.
Bühne frei auf der mit Sand bedeckten Piazza Santa Croce mitten in Florenz: Am 24. Juni steht die ganze Stadt kopf, nach dem Umzug in historischen Kostümen ist Anpfiff. Von den schönen Trikots bleibt nach 50 Minuten ohne Pause kaum etwas übrig. Ziel ist es, wie bei jedem anderen Fußballspiel, den Ball ins gegnerische Netz zu befördern, egal wie, ob tatsächlich mit den Füßen oder auch mit den Händen. Jeder Treffer bringt bei dieser Mischung aus Fußball und Rugby einen Punkt, fliegt der Ball übers Netz, erhält die Gegenseite einen halben Punkt. Alles ist erlaubt: Schläge und Tritte sowie Catcher-Technik. Allein der Kopf sowie Angriffe von hinten sind tabu. Es kämpfen nur Mann gegen Mann, nie zwei gegen einen. Zu erheblichen Verletzungen kommt es dennoch immer wieder …
www.calciostoricofiorentino.it
Ein Comic
FÜR DEN KOCH
Eine Skizze zeigte Michelangelos
Leibkoch die Speisenfolge
Michelangelo bewirtete gern Gäste in seinem edlen Florentiner Haus, doch sein Koch ließ sich bei aller Mühe nicht dazu bewegen, Lesen und Schreiben zu lernen. Für den begnadeten Künstler kein Problem – kurzerhand hinterließ er seinem unverbesserlichen Küchenchef eine Skizze für die Speisenfolge. Ein Glücksfall, dass diese hübsche Notiz erhalten geblieben ist und im Archiv der Casa Buonarotti in Florenz lagert. Ab und zu wird sie bei passender Gelegenheit ausgestellt. Dabei hatte Michelangelo vor seinem Tod 1564 vor, alle Skizzen und Kartone zu vernichten, damit, so Vasari, niemand erkennen könne, mit wie viel Mühe er seine Werke vollbracht habe.
Die Skizze ist klein, aber für Kenner ebenso ein besonderes Erlebnis wie für Feinschmecker, die versuchen könnten, die Speisenfolgen nachzukochen. Ein Wunder, dass kein Wirt der toskanischen Hauptstadt bislang auf die Idee gekommen ist, ein Menü à la Michelangelo anzubieten …
Casa Buonarroti, Via Ghibellina 70, www.casabuonarroti.it
Alte Schätzchen,
ECHTE ENTDECKUNGEN
Der Antiquitätenmarkt auf der
restaurierten Piazza dei Ciompi
Seit der hübsche historische Platz mit seiner langen Loggia im Osten der Altstadt restauriert wurde, ist die Piazza dei Ciompi noch viel schöner geworden. Sie hat in der Mitte ein grünes Herz bekommen und wuchs zu einem wichtigen Treffpunkt heran. Besonders hübsch sind die kleinen Kioske, Wintergärten ähnlich, in denen das Stöbern bei jedem Wetter Vergnügen bereitet, etwa die Buchantiquariate oder die Puppenläden.
Vier feste Wochenend-Termine teilen sich die Marktleute: Kunsthandwerk, alles handgemacht, läutet am ersten Samstag des Monats den Reigen der Märkte ein mit Artefacendo. Am zweiten Wochenende ist die Creative Factory vertreten mit jungen Kreativen, die vor allem Mitmachwerkstätten für die ganz Kleinen bieten. Der dritte Samstag des Monats gehört den unabhängigen Buchhändlern, die sich gern mit kulturellen Veranstaltungen präsentieren, beispielsweise mit Lesungen. Am letzten Wochenende findet der Flohmarkt statt, das Highlight des Monats – und jeden Freitagvormittag wechseln hier Blumen den Besitzer.
Fabio Picchi, eine
FLORENTINER INSTITUTION
Kulinarische Künste und das Teatro
del Sale als Dreingabe
Fabio Picchi ist ein Florentiner Urgestein und einer der bekanntesten Wirte der Stadt, weitab vom Gewusel des Zentrums wirkt er in Sant’Ambrogio. Auf dem hiesigen Markt kostet alles Frische einen Tick weniger als im Mercato Centrale. Ringsum hat sich Picchi seit 1979 sein kulinarisches Reich unter dem Namen Cibrèo, benannt nach einem einfachen Gericht seiner Großmutter, geschaffen: Es gibt ein Restaurant (exklusiv und recht teuer), eine Trattoria (günstiger, aber aus derselben Küche), ein Café (großartig für den Aperitif) und ein neues orientalisch angehauchtes Lokal, das Ciblèo. Doch das ganz Besondere bietet das Teatro del Sale nebenan, dem seine Frau, die Schauspielerin und Regisseurin Maria Cassi vorsteht, mit rund 240 Aufführungen im Jahr! Einlass nur für Mitglieder – doch jeder kann Mitglied werden, der das Jahresabonnement des Circolo bucht, für einen eher symbolischen Betrag. Nur Mitglieder dürfen sich auch am stets wechselnden Buffet vor der Vorstellung satt essen. Die Küche ist nur durch eine Glasscheibe vom Theaterraum getrennt.
Ganz