Friedhöfe 2020. Forum Verlag Herkert GmbH
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Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Verknüpfung von Tod und Natur eine lange Tradition hat. Im bürgerlichen Zeitalter des 19. Jahrhunderts wurden neue Muster der Friedhofskultur entwickelt, bei denen Natur und Landschaft ein zentrales Leitbild bildeten. Einzelne Vorbilder stammten aus dem 18. Jahrhundert. Zwar frühe Ausnahme, jedoch in der Öffentlichkeit vielbeachtet, war der Friedhof der pietistischen Herrnhuter Brüdergemeine (Herrnhut, 1730) mit seinen gepflegten Rasenflächen und den für alle gleich gestalteten Grabstätten. Knapp 30 Jahre später erwarb der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock auf dem ländlichen Kirchhof von Ottensen am hohen Elbufer bei Altona eine naturgeprägte Grabstätte für seine früh im Kindbett verstorbene Frau Meta. Ein weiteres prominentes Beispiel für die Synthese von Tod und arkadischer Natur bildet das Inselgrab des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau im Park zu Ermenonville (1776/78). Wie die Klopstock-Grabstätte wurde es zu einer vielbesuchten Pilgerstätte des gebildeten Bürgertums. Der französische Philosoph sah den Garten als idealen Schauplatz jener Verschmelzung mit der Natur, von der er die wahrhafte ideale Bildung des bürgerlichen Individuums erhoffte.
Auch die Theorie wandte sich der Synthese von Tod, Friedhof und Natur zu. In seiner mehrbändigen, 1779–1785 erschienenen „Theorie der Gartenkunst“ widmete der Kieler Philosophieprofessor Christian Cay Lorenz Hirschfeld dem Friedhof eigene Abschnitte. Hirschfeld konzipierte hier den Friedhof als Parklandschaft nach englischem Muster.
Diese Visionen hingen mit veränderten Vorstellungen vom Tod zusammen. Natur und Landschaft sollten den Tod versöhnlich gestalten. Als Katalysator fungierte eine, durch die Malerei vorgeprägte Landschaftsästhetik, die Natur als arkadisches Idyll idealisierte. Nicht zuletzt spielte die in der Kulturgeschichte seit Langem verankerte Idee des Gartens als irdisches Paradies eine wichtige Rolle. Diese Ideale wirkten sich im bürgerlichen Zeitalter auf die Friedhöfe aus. Neben dem weithin als internationales Vorbild wirkenden Pariser Friedhof Père Lachaise als erstem europäischen Friedhof im Stil des englischen Landschaftsparks sorgte die aus den USA kommende „rural cemetery“-Bewegung (zuerst Mount Auburn, Cambridge/Massachusetts, 1831) für einen weiteren Ästhetisierungsschub.
In Deutschland waren es zunächst kleinere Anlagen, die naturlandschaftlich gestaltet wurden, u. a.
• | der französisch-reformierte Friedhof in Hamburg 1825 und |
• | der Domfriedhof in Braunschweig (Umgestaltung bis 1835). |
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dann auch größere städtische Anlagen als Parkfriedhöfe gestaltet:
• | Hauptfriedhof Schwerin 1863 |
• | Südfriedhof Kiel 1869 |
• | Friedhof Riensberg in Bremen 1875 |
• | Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg 1877 |
Hier wurde eine möglichst naturnah gestaltete Sepulkrallandschaft zur Kulisse für eine immer monumentalere Grabstättenkultur.
Unter anderen Vorzeichen bildete im frühen 20. Jahrhundert der 1907 eröffnete Waldfriedhof München ein Beispiel naturnaher Bestattungen. Im Gegensatz zu heutigen Bestattungswäldern, bei denen die Asche im Wurzelbereich der Bäume beigesetzt wird, wurden hier die Grabstätten in einen vorhandenen Baumbestand hineinkomponiert. Der Waldfriedhof München wirkte als Vorbild für eine möglichst naturnahe Friedhofsgestaltung und war nicht zuletzt ein Gegenentwurf zu den durchgestylten Parkfriedhöfen des späten 19. Jahrhunderts.
Bestattungswälder {Bestattungswälder}
Im späten 20. Jahrhundert entstanden in Großbritannien frühe Ideen zur Naturbestattung. Sie wurden unter Stichwörtern wie „Green Burials“ oder „Natural Burials“ bekannt, bei denen Sarg- und Aschenbestattungen in Wäldern vorgenommen werden. Das 1991 in Großbritannien gegründete Natural Death Centre hat die Einrichtung sog. Natural Burial Grounds (Naturfriedhöfe) betrieben. Von der gemeinnützigen Organisation Earthworks Trust wurde im Jahr 2000 im englischen Nationalpark South Downs (Hampshire) ein 14 ha großer Naturfriedhof eröffnet, der nur Erdbestattungen vorsieht. Die Särge bestehen aus Weide, statt Grabmälern dienen Inschriften-Bänke der Erinnerung.
Der Trend hat sich letztlich in den heute in Deutschland bekannten Formen der Naturbestattung fortgesetzt. Als herausragendes und wichtigstes Beispiel sind die sog. Bestattungswälder zu nennen, die in Deutschland vorwiegend unter geschützten Markennamen von Unternehmen wie Friedwald GmbH oder Ruheforst GmbH privatwirtschaftlich vermarktet werden. Sie greifen mit ihrem Angebot auf besonders in Deutschland bis heute wirksame, romantische und naturmythologisch geprägte Auffassungen vom Wald zurück.
Bild 2: Beschilderung für den Bestattungswald in Wingst von der Ruheforst GmbH (Quelle: Norbert Fischer)
Die Baumbestattung in der freien Landschaft kollidierte zunächst mit den Bestattungsgesetzen der einzelnen Bundesländer, bevor diese nach und nach entsprechend novelliert wurden.
Friedwälder {Friedwälder}
Der erste „Friedwald“ entstand 1997 in der Schweiz (Mammern/Kanton Thurgau). Die Idee dieses „Friedwaldes“ liegt darin, die Aschenbestattung mit landschaftlich schöner Umgebung, v. a. aber mit Bäumen zu verbinden (in der Schweiz kann die Asche an jedem beliebigen Ort beigesetzt werden).
Der erste deutsche Bestattungswald wurde nach Schweizer Vorbild von der Friedwald GmbH 2001 im Reinhardswald zwischen Kassel und Göttingen eröffnet. Der Baum mit seinem Wurzelwerk in einem möglichst naturbelassenen Waldgebiet ist hier Grabstätte und Grabzeichen zugleich.
Dienten in der Frühzeit der Bestattungswälder lediglich Plaketten mit Nummern als Orientierungszeichen, so finden sich neuerdings immer häufiger Namensplaketten (Beispiel „Friedwald“ Neukloster bei Buxtehude). Die als solche belassene Umgebung des Waldes soll weitgehend naturnah wirken, die Bestattungsflächen sind nur bei genauerem Hinsehen zu erkennen. Es handelt sich um Urnenbeisetzungen auf gepachteten Grundstücken.
Bild 3: Andachtsplatz im „Friedwald“ Neukloster bei Buxtehude (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 4: „Friedwald“ Neukloster bei Buxtehude (Quelle: Norbert Fischer)