Friedhöfe 2020. Forum Verlag Herkert GmbH
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Historisch greifen solche Stätten auf gemeinschaftlich-genossenschaftliche Bestattungsanlagen zurück, wie sie beispielsweise von Gilden, Handwerkerzünften und anderen Berufsvereinigungen, Ordens- und Schwesterngemeinschaften sowie besonderen nationalen, kulturellen und religiösen Vereinigungen bekannt sind. Im weiteren Sinn können auch die in Europa seit dem Ersten Weltkrieg verbreiteten Soldatenfriedhöfe ebenso als vergleichbare Anlagen gelten wie die Friedhöfe der Namenlosen für unbekannte Tote an Flüssen und Meeresküsten oder die Opfer von Katastrophen. Bei diesen letzten Beispielen handelt es sich allerdings um unfreiwillige Gemeinschaften.
Aus historischen Gründen gibt es bis heute in einigen Orten komplette Friedhofsanlagen, die gemeinschaftlich betrieben werden. Ein überregional bekanntes Beispiel ist der Friedhof der sog. „Holmer Beliebung“ in Holm, einem Stadtteil von Schleswig an der Schlei. Er geht auf eine Fischergilde zurück. Rechtlich ist diese Beliebung heute ein „Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“. Laut Friedhofssatzung ist die Grabstätte kostenlos und wird über eine gemeinschaftliche Kasse finanziert, in die jedes Mitglied zu Lebzeiten einzahlt.
Bild 21: Friedhof der „Holmer Beliebung“ in Schleswig an der Schlei (Quelle: Norbert Fischer)
Jenseits dieser und vergleichbarer, i. d. R. historisch begründeter Einzelfälle zeigen sich heutige Gemeinschaftsgrabanlagen als Ausdruck für den zunehmenden Bedeutungsverlust der klassischen sozialen Verbände (Familie, Kirche). Umgekehrt repräsentieren sie neuere gesellschaftliche Formationen in den eher lockeren, frei gewählten Vereinigungen der nachindustriellen Gesellschaft.
Naturlandschaftliche Anlagen
Im Folgenden geht es i. d. R. um Gemeinschaftsgrabanlagen, die Bestandteile regulärer Friedhöfe sind. Wichtigstes Merkmal ist hier die Überformung der alten räumlichen Strukturen, also der bislang als Gestaltungsprinzip dominierenden Familien- bzw. Einzelgrabstätten.
Ein neueres Beispiel für einen Friedhof mit mehreren thematisch orientierten Gemeinschaftsgrabanlagen ist der um ein Krematorium („Flamarium“) angelegte „Friedgarten Mitteldeutschland“ in Kabelsketal bei Halle/Saale. Es handelt sich um einen homogen gestalteten Natur- und Kulturraum, in den Einzel- und Gemeinschaftsgrabstätten gleichsam hineinkomponiert sind. Durch spezielle, historisch oder mythologisch verankerte Namensgebungen erhalten die einzelnen Bereiche teilweise eine spezielle Atmosphäre und Bedeutung, z. B. „Schiffssetzung“, „Röse“ und „An der Dalbe“.
Bild 22: Aschengemeinschaftsgrab im Friedgarten Mitteldeutschland (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 23: Durch Steine gekennzeichnetes Aschengemeinschaftsgrab im Friedgarten Mitteldeutschland (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 24: Bereich „Schiffsetzung“ im Friedgarten Mitteldeutschland (Quelle: Norbert Fischer)
Die Auflösung klassischer Friedhofsstrukturen gilt auch für den sog. Naturfriedhof „Garten des Friedens“ in Fürstenzell bei Passau, der ebenfalls an ein Krematorium angeschlossen ist. Abgegrenzte Grabstätten sind nicht mehr zu erkennen. Vielmehr sind vielfältig gestaltete Erinnerungsorte in eine weitgehend naturbelassene, nach geomantischen Prinzipien gestaltete Landschaft eingefügt.
Stärker ökologisch orientiert ist die 2010 im schleswig-holsteinischen Ahrensburg auf dem dortigen kirchlichen Friedhof eingeweihte „Wildblumenwiese“. Es handelt sich um ein 2 ha großes, von der evangelischen Kirchengemeinde verwaltetes Areal, das in seinen Randbereichen als Aschenbeisetzungsanlage dient.
Auf anderen Friedhöfen sind einzelne Anlagen nach naturlandschaftlichen Kriterien gestaltet. Ein frühes und bekanntes Beispiel findet sich auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe. Dort wurden 2003 und 2007 unter dem Titel „Mein letzter Garten“ neuartige Bestattungsflächen für Aschenbeisetzungen (teils auch für Sargbeisetzungen) in einer homogen gestalteten Miniaturlandschaft geschaffen. Räumlicher Hauptbezugspunkt ist ein von Granitblöcken eingefasster Wasserfall, dem sich ein trocken gefallenes Bachbett als Symbol für das beendete Leben an-schließt. Des Weiteren prägen Felssteine, geschwungene Wege, alter Baumbestand und Rasenflächen die Beisetzungslandschaft. Die Urnengräber sind als Gemeinschaftsgrabanlagen konzipiert. Der Verstorbenen wird auf gemeinschaftlichen Erinnerungsmalen aus Stein und Holz – darunter ein künstlerisch gestalteter Eichenstamm – gedacht.
Bild 25: Aschenfeld „Mein letzter Garten“ auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 26: Aschengemeinschaftsanlage auf dem Friedhof Hameln-Wehl (Quelle: Norbert Fischer)
Themenanlagen {Themenanlagen}
Auf der Bundesgartenschau 2009 in Schwerin wurden erstmals die sog. „Memoriam-Gärten“ vorgestellt – themenbezogene Miniaturfriedhöfe innerhalb regulärer Friedhöfe, die vom Bund deutscher Friedhofsgärtner betreut werden. Inzwischen gibt es zahlreiche solcher Themenanlagen, u. a. in Aachen, Berlin-Steglitz und -Zehlendorf, Duisburg-Waldfriedhof, Bonn und Saarbrücken-Dudweiler.
Ähnlich ausgerichtet sind die von Friedhofsgärtner-Genossenschaften in Kooperation mit den Friedhofsverwaltungen angelegten „Bestattungsgärten“ in Köln (siehe Kapitel „Praxisbeispiel: Gärtnergepflegte Gemeinschaftsgrabanlage“) und Bergisch-Gladbach. Auch hier handelt es sich um themenbezogene Beisetzungsflächen, die sich als Landschaftsgärten en miniature zeigen, in die die Gräber ohne feste Grenzen hineinkomponiert sind. So ist der „Garten der Lichter“ im Stil eines japanischen Gartens konzipiert und will der symbolischen Bedeutung brennender Lichter für Trauer und Erinnerung – über Allerheiligen hinaus – gerecht werden. Der Auengarten bezieht seine Gestaltung über feuchte Landschaftsflächen.
Bild 27: Urnenthemenpark Rhododendron auf dem Hauptfriedhof Saarbrücken (Quelle: Norbert Fischer)
Neueste Trends umfassen regionalspezifische Gemeinschaftsanlagen, wie Weinberg-Bestattungen (Ahrweiler und Nordheim am Main) und Deichbestattungen (Schweiburg am Jadebusen). Wie letzteres Beispiel hat die maritim gestaltete Urnengemeinschaftsanlage „Letzter Ankerplatz“ auf dem Neuen Friedhof Westerland (Insel Sylt) ebenfalls symbolischen Bezug zur Nordseeküste.
Bild 28: Deichgrab auf dem Friedhof Schweiburg (Quelle: Sonja Windmüller)
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