Friedhöfe 2020. Forum Verlag Herkert GmbH
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Gemeinschaftsanlagen für Stillgeburten {Gemeinschaftsanlagen, Stillgeburten} („Sternenkinder {Sternenkinder}“)
Unter einem anderen Vorzeichen bedeutsam für neue, gemeinschaftsbezogene Anlagen sind Begräbnis- bzw. Gedenkstätten für totgeborene Kinder (sog. Stillgeburten). In der Regel dienen sie – beispielsweise dank regelmäßiger Gedenkfeiern – auch für jene als Erinnerungsort, die dort keine Beisetzung durchgeführt haben.
Hier ging die Initiative häufig von Krankenhäusern, Klinikseelsorge oder anderen privaten Initiativen aus, die sich für eine würdevolle Beisetzung von im Mutterleib Verstorbenen engagierten. Von ihnen wurden mit Unterstützung der Friedhofsverwaltungen, aber auch außerhalb von Friedhöfen, v. a. seit Mitte der 1990er-Jahre besondere Orte von Trauer und Gedenken und teilweise auch der Bestattung geschaffen.
Zu den größten und bedeutendsten dieser Anlagen gehört der 2004 eingeweihte „Sternengarten“ auf dem Hauptfriedhof Mainz. Der Name dieser Grabanlage geht zurück auf eine Passage aus dem Roman „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry.
Bild 36: Sternengarten auf dem Hauptfriedhof Mainz (Quelle: Norbert Fischer)
Eine ähnliche, allerdings weitaus größere Bestattungs- und Erinnerungslandschaft für Kinder ist auf dem Zentralfriedhof Wien zu finden: der sog. „Babyfriedhof“. Die Inschrift auf der Hinweistafel lautet: „Hier ruhen die Babys, die viel zu kurz bei uns waren.“
Bild 37: Erinnerungskarussell Babyfriedhof Wien (Quelle: Norbert Fischer)
Bild 38: Gemeinschaftsdenkmal Babyfriedhof Zentralfriedhof Wien (Quelle: Norbert Fischer)
Eine besondere Anlage zur Erinnerung an frühverstorbene Kinder ist im April 2015 in Wyk auf der nordfriesischen Insel Föhr vom Verein Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister Schleswig-Holstein e. V. eingeweiht worden: die „Himmelsbäume“. In diesem Gedenkwald wird für jedes frühverstorbene Kind zu regelmäßigen gemeinsamen Terminen ein Baum gepflanzt. Ein früher im lokalen Hafen verwendeter, nun künstlerisch gestalteter Dalben bildet den Mittelpunkt des Gedenkwalds.
Mensch-Tier-Bestattungen
Eine miniaturisierte Form des Gemeinschaftsgrabes sind die zu den neuesten Trends auf Friedhöfen zählenden gemeinsamen Mensch-Haustier-Bestattungen. Seit Mitte 2015 ist dies auf den Friedhöfen Dachsenhausen (Rheinland-Pfalz) und Essen-Fintrop (Nordrhein-Westfalen) möglich. Das Konzept unter dem Titel „Unser Hafen“ stammt von der Deutschen Friedhofsgesellschaft mbH, die in Deutschland 15 Friedhöfe betreibt. Die Bestattung von Mensch und Tier im gemeinsamen Grab erfolgt hier ausschließlich als Aschenbeisetzung.
Eine Hamburger Seebestattungs-Reederei bietet seit 2014 eine gemeinsame Seebestattung von Mensch und Tier an.
{Rasenbestattungen}
Damit zeigen die neueren Gemeinschaftsgrabanlagen ein anderes Gesicht als die des späten 20. Jahrhunderts mit ihren anonymen Rasengräbern. Diese waren eine weitere Stufe auf dem Weg zur Miniaturisierung der Grabstätten gewesen und schien vor der Jahrtausendwende zur all-gemein üblichen Bestattungsform zu werden, ist aber inzwischen von den beispielhaft erwähnten Themengräbern eingeholt werden.
Anonyme Beisetzung {Anonyme Beisetzung}
Bei der gleichwohl bis heute praktizierten anonymen Rasenbeisetzung – bei der die sog. Aschestreuwiese (Rostock, Schwerin) ein Sonderfall ist – handelt es sich um die Beisetzung in einer gemeinschaftlichen Anlage ohne individuelles Grabzeichen und ohne Möglichkeit zur individuellen Grabpflege.
Die anonyme Beisetzung ist, von Ausnahmen abgesehen, gleichzusetzen mit Aschenbeisetzung.
Dabei wird die Asche in einer zweckentsprechenden Urne unter zunächst ausgestochenen und dann wieder eingesetzten quadratischen Rasensoden beigesetzt. Der exakte Beisetzungsort der einzelnen Urne innerhalb dieser Anlage ist nur der Friedhofsverwaltung bekannt. Die Gesamtanlage ist gartenästhetisch meist ansprechend gestaltet und wird häufig von einem Gemeinschaftsdenkmal geschmückt.
Die Bezeichnungen für diese Anlagen variieren in den einzelnen Städten; geläufig sind u. a.
• | „Urnengemeinschaftsanlage“, |
• | „Urnenhain“, |
• | „Anonymer Urnenhain“, |
• | „Urnengemeinschaftshain“ |
• | oder auch schlicht „Rasenfriedhof“. |
Am zentralen Denkmal oder in den Randbereichen besteht i. d. R. die Möglichkeit, Blumenschmuck zu hinterlegen.
Bild 39: Anonymer Urnenhain auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf (Quelle: Anna Maria Götz)
Bekannt als sog. Urnengemeinschaftsanlagen hatten sie innerhalb Deutschlands zunächst Friedhöfe auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geprägt. Diese entsprachen den staatssozialistischen Vorstellungen von kollektiver Bestattung, die gesellschaftliche Unterschiede im Tod verschwinden lassen sollte. Gelegentlich sind auf einem Gemeinschaftsdenkmal die Namen aller Bestatteten verzeichnet, in anderen Fällen auf sog. Jahresfeldern mit einem Gedenkstein die Bestattungen eines jeden Jahres markiert. Auf dem Leipziger Südfriedhof haben sich aus einem bereits früher für Sozial- und Anatomieleichen angelegten Urnengarten seit 1960 mehrere Urnengemeinschaftsanlagen entwickelt.
In den alten Bundesländern ist ab 1970 eine signifikante Entwicklung der anonymen Bestattung als reguläre Bestattung zu beobachten: Frühe anonyme Urnenhaine in den westlichen Bundesländern entstanden beispielsweise 1970 auf dem Friedhof Hamburg-Öjendorf, 1974 in Bremen-Riensberg und 1975 auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf.
Zahlreiche Zwischenformen
Aus diesen rein namenlosen Rasenbestattungen haben sich inzwischen zahlreiche Zwischenformen mit unterschiedlichen Bezeichnungen entwickelt. Die bekanntesten Formen sind die Aufstellung von Gemeinschaftsdenkmälern, auf denen Namen und ggf. Lebensdaten der Verstorbenen verzeichnet sind. Bekannt sind auch Anlagen, auf denen in den Boden (Rasen) eingelassene Platten Namen und Lebensdaten aufnehmen.
Bild 40: Rasenbestattung mit Denkmal auf dem Friedhof Göttingen (Quelle: Norbert Fischer)