Straßenbegleitgrün. Forum Verlag Herkert GmbH

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Mitstreiter, dem Leiter der Stadtgärtnerei, um. Zum Erfolgsmodell wurde das Konzept v. a. durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit. Von Anfang an wurden die Bevölkerung, Vereine und Bildungsträger eingebunden und über die Ziele sowie die natürlichen Prozesse aufgeklärt. Beispielsweise war es besonders wichtig, im Rahmen von Ortsterminen und Vorträgen darzulegen, warum eine Wiese, wenn sie am schönsten blüht, gemäht werden muss, und weshalb sie im Herbst manchmal erst geschnitten wird, wenn vieles schon braun und unansehnlich ist. Der erste Schnitt wird deshalb ab Mitte Juni durchgeführt, damit sich eine zweite Blütenpracht entwickelt. Wenn die teils überreifen Blüten und Gräser bis Ende September stehen bleiben, können sich die Arten versamen und im Folgejahr wieder reichhaltig blühen. Einige Vogelarten, wie der farbenfrohe und stetig singende Stieglitz, bevorzugen als ganzjährige Futterquelle artenreichen Wildblumenwiesen, weshalb zuweilen als Nahrungsquelle auch Altgrasstreifen stehen bleiben sollten.

      Bild 12: Seit 2016 sind in Bad Saulgau alle öffentlichen Grünflächen nach ökologischen Standards gestaltet. (Quelle: Monika Böhm)

      Im Rahmen des ökologischen Konzepts wurden die Wechselflorbepflanzungen in der Kernstadt und allen 13 Stadtteilen Bad Saulgaus komplett aufgegeben. Stattdessen wurden zahlreiche Verkehrsinseln entsiegelt und mit dauerhaften, insektenfreundlichen Staudenpflanzungen gestaltet.

      Ähnlich wie Konstanz verwendet Bad Saulgau zwei unterschiedliche Kombinationen von Staudenmischung mit speziellen Substraten. In Wandkies, direkt von der Wand abgebauter Kies mit Fein- und Grobanteilen der Körnung 0/16 mm, gedeihen Berglauch, Küchenschelle, Natternkopf, Bergminze, Thymian, Salbei und Astern-Arten. 70 % der Arten sind einheimisch. Zu den nicht heimischen Arten zählen Katzenminze, Blauraute, Muskatellersalbei und Prachtkerze. Gefüllt blühende Arten werden überhaupt nicht verwendet, da sie für Insekten wertlos sind.

      Auf einem Substrat mit humoser, torffreier Spezialerde und einem geringeren Teil Wandkies fühlen sich weitere Arten, wie die blaue Eselsdistel, die große Fetthenne, Lavendel, Herbstanemone sowie Phlox und Roter Sonnenhut, wohl. Außerdem freuen sich Insekten und Schmetterlinge über diese alternativen Nahrungsangebote.

      Bild 13: Insektenfreundliche und mehrjährige Stauden ersetzen einjährige Wechselbepflanzungen. (Quelle: Monika Böhm)

      Im Straßenbegleitgrün wurden sämtliche Rasenflächen in artenreiche zweischürige Magerwiesen umgewandelt. Bei Intensivrasenflächen wird häufig die komplette Grasnarbe abgezogen, Wandkies aufgefüllt und 30 bis 40 Arten ausgesät. Verwendet wird ausschließlich gebietsheimisches zertifiziertes Saatgut mit maximal 10 % Grasanteil, damit die Wiesen reichhaltig blühen. Bei manchen Rasenflächen reicht es dagegen, die Düngung einzustellen und den Mährhythmus auf anfangs drei, später zwei Mal pro Jahr zu beschränken. Die Umwandlung von Rasen in artenreiche Wiesenflächen kann jedoch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Stadtgärtnerei lässt sich dabei von dem Halbschmarotzer Klappertopf (Rhinantus) unterstützen. Dieser zapft die Wasserleitbahnen verschiedener Wirtspflanzen, besonders bei Gräsern, mit entsprechenden Saugwurzelfortsätzen an und entnimmt so ihre Lebensgrundlage, Wasser und Nährsalze. Gemäht wird zweimal im Jahr inklusive Abfuhr des Mähguts in einem Fenster von drei bis vier Wochen, um den Insekten und Vögeln nicht auf einmal diese Nahrungsquelle zu entziehen.

      Einjährige Begrünungen, wie es andere Kommunen bei Neuanagen und Sanierungen teilweise praktizieren, hat Bad Saulgau nicht im Repertoire. Die Vorteile von mehrjährigen Ansaaten liegen auf der Hand:

      image Die Anlage ist genauso teuer wie einjährige Aussaaten. Auf Dauer wird die Pflege jedoch durch den Wegfall der permanenten Neuanlage günstiger.

      image Mehrjährige Wiesen sind bis auf das erste Anwachsjahr aufgrund der zweimaligen Mahd pflegeleicht.

      image Der ökologische Wert nimmt durch die Verwendung heimischer Arten stetig zu.

      image Die Wiesen dienen Insekten als Eiablage und Puppenplätze.

      image Wildblumensäume bieten auch im Winter Nahrung für Vögel.

      image Artenreiche Blumenwiesen können bei guter Pflege sehr langlebig sein.

      Bild 14: Der ökologische Wert von mehrjährigen Wiesen steigt von Jahr zu Jahr. (Quelle: Monika Böhm)

      Bild 15: Einjähriger Augenschmaus, jedoch zeitlich begrenzter ökologischer Wert. (Quelle: Monika Böhm)

      Wo genügend Platz zur Verfügung steht, wird das Angebot im Verkehrsgrün durch Gehölzstreifen mit einheimischen Bäumen, Bodendeckern und Strauchrosen ergänzt. Mittlerweile können 20 Wildrosenarten im Straßenraum bewundert werden. Bei Baumpflanzungen werden prinzipiell verschiedene einheimische Bäume in einem Gebiet verwendet. Sollten Einzelbäume von individuellen Schädlingen oder Pilzen befallen werden, kann auf diese Weise einem Totalausfall in einer Allee oder Baumreihe entgegengesteuert werden. Artenvielfalt bietet insofern ein großes Potenzial für die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge. Außerdem ziehen unterschiedliche heimische Baumarten ein breites Spektrum an Insekten und Vögeln an, sodass der Tisch für viele Nahrungssuchende gedeckt und Lebensräume gesichert sind.

      Bild 16: Einheimische Strauchrosen und Bäume ergänzen das Angebot im Verkehrsgrün. (Quelle: Monika Böhm)

      Die Grünflächen haben sich verdoppelt, die Pflanzkosten halbiert

      Mit der Umstellung auf ökologisch hochwertigere Flächen wurden mineralische Dünger und Pflanzenschutzmittel nicht mehr verwendet und die Mähhäufigkeit deutlich reduziert. Obwohl sich die Grünflächen in den letzten 25 Jahren verdoppelt haben, ist der Personalstand in der Stadtgärtnerei gleichgeblieben. Durch die intensive Einbindung der Bevölkerung sind zudem viele Grünpatenschaften entstanden. So wird die Gemeinschaft für das große Ziel der Biodiversität auf natürliche Art zusammengeschweißt.

      Die Umwandlung in artenreiches Grün hat Bad Saulgau im Jahr 2017 für die Gesamtstadt außer für die pflegeintensiven Sportplätze abgeschlossen. Dafür hat die Stadt als Pionier im Stadtnaturschutz mit vielen Einzelmaßnahmen, nicht nur im Straßenbegleitgrün, sondern auch mit unterschiedlichen Naturlehrpfaden und weiteren Angeboten bundes- und europaweit Preise gewonnen. Für die Kurstadt ist das besondere Grün- und Lehrangebot mittlerweile zum bedeutenden Marketingfaktor geworden. Und nicht nur die Kurgäste, sondern andere Kommunen fahren scharenweise in die Stadt, um das attraktive naturhafte Modell möglichst bald umzusetzen.

      In

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