Verschollen in Ostfriesland. Ulrich Hefner
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Читать онлайн книгу Verschollen in Ostfriesland - Ulrich Hefner страница 4
»Die Taxis ja, ob er ein Fahrrad besaß, wissen wir nicht. Eine Taxifahrt gab es aber nicht. Zumindest nicht von seiner Adresse aus.«
Trevisan blätterte weiter im Ordner und stieß auf einen Brief, der in einer Klarsichthülle steckte.
Wenn du deine Finger nicht bei dir halten kannst, dann wirst du bald merken, wie gefährlich es sein kann, sich an fremden Früchten zu vergreifen.
»Was ist das?«, fragte Trevisan und zeigte auf das Blatt, das aus einem Drucker stammte.
»Ein Drohbrief, da sind noch zwei weitere. Das sind die Kopien, die Originale sind auf dem Weg zur Spurensicherung nach Oldenburg.«
Trevisan blätterte weiter.
Ich habe dich gewarnt, das nächste Mal bist du tot!
Der zweite Brief glich dem ersten und stammte augenscheinlich aus demselben Drucker.
Du hast deine Lektion nicht gelernt, jetzt reicht es, sieh dich besser um, wenn du in der Nacht nach Hause gehst.
Auch dieses Schriftbild stimmte mit den anderen überein.
»Woher habt ihr die?«, fragte Trevisan.
»Frau Haferkamp gab sie uns, sie kamen in den letzten drei Wochen und waren in einem neutralen Kuvert ohne Briefmarke. Leider wurden die Umschläge bereits weggeworfen, es sind nur noch die Briefe da.«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Hier stimmt etwas nicht, das passt alles nicht zusammen. Drohbriefe, Urlaub am Gardasee, fehlende Klamotten aus dem Kleiderschrank und die Jacht vor Baltrum. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
Janson lächelte. »So ging es mir auch, deshalb bin ich auch nicht beleidigt, dass ich den Fall vom Tisch habe und ihr euch damit herumschlagen müsst.«
»Können wir den Ordner mitnehmen?«
Janson nickte. »Meinen Bericht mit den bisherigen Erkenntnissen schicke ich euch zu, aber das ist auch nicht mehr, als wir gerade besprochen haben. Ich kann nur sagen, an Feinden, die ihm an den Kragen wollten, mangelt es nicht. Und er hat offenbar jeden Tag fleißig daran gearbeitet, dass die Anzahl der Leute, die ihm die Pest an den Hals wünschen, größer wurde. Auch im Rathaus lief nicht alles rund. Am besten wird es sein, ihr macht euch selbst ein Bild. Redet doch mal mit der Sekretärin, sie weiß eine ganze Menge über Enno Ollmert.«
Trevisan schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, ehe er sich erhob. »Gut, dann machen wir uns an die Arbeit. Vielen Dank, Kollege.«
Als Trevisan neben Monika im Wagen auf dem Beifahrersitz Platz nahm, war seine Miene eher finster.
»Was grübelst du?«, fragte sie.
Trevisan zeigte auf den Ordner, den er im Fußraum abgelegt hatte. »Dieser Fall gefällt mir nicht. Janson ist gottfroh, dass er die Sache vom Tisch hat. Viel hat er nicht herausgefunden. Ich fürchte, wir müssen ganz von vorne beginnen.«
»Okay, wo fangen wir an?«
»Mit der Sekretärin.«
»Dann gib mir die Adresse, damit ich weiß, wohin ich fahren muss.«
3
Rathaus Diekenhörn, Störtebeker-Platz
Das Rathaus von Diekenhörn verbarg sich hinter zwei großen Platanen, die auf einem begrünten Vorplatz standen. Nur der hohe Turm inmitten des roten, modernen und dreistöckigen Backsteinbaus mit den großflächigen Glasfronten und der weit sichtbaren Turmuhr lugte zwischen den Bäumen hervor. Auf dem Vorplatz flatterten die Fahnen von Europa und Deutschland, gegenüber die Fahne Niedersachsens und die Fahne der Stadt, zwei gekreuzte Schwerter und darunter der friesische Adler. Die Fahne war in Schwarz und Weiß gehalten.
Das Rathaus stand in Deichhagen, dem größten Teilort der Samtgemeinde. Diekenhörn selbst gab es als einzelnen Ort nicht. So etwas kam hier oben im Norden öfter vor.
Rund um den Platz lagen die Geschäfte, darunter ein kleiner Einkaufsmarkt, eine Apotheke, zwei Modegeschäfte und ein Schuhladen, daneben gab es zwei Cafés, deren Außenbestuhlung nur durch die unterschiedlichen Farben der Sonnenschirme zu unterscheiden war. Die Cafés waren im Begriff zu schließen, und der Parkplatz war nahezu leer. Die Sonne stand bereits tief im Westen, dennoch war es recht warm.
Monika und Trevisan betraten das Rathaus über die grauen Gehwegpflastersteine und das große Portal mit der Drehtür. Im Foyer war es überraschenderweise angenehm kühl. Hinter einem Empfangspult, an dem allerlei Prospekte und Kartenmaterial aus der Umgebung auslagen, saß ein älterer Herr im schwarzen Sakko und mit ergrauten Haaren.
»Zu Frau Haferkamp«, sagte Trevisan zu dem Mann und nickte ihm freundlich zu.
Der Mann zeigte hinter sich zur Wand, an der eine große weiße Uhr mit dem Emblem der Seenotrettung aufgehängt war. »Wir schließen in fünf Minuten.«
Trevisan fasste in die Hosentasche und zog seine Kripomarke hervor. »Ich denke, Frau Haferkamp hat sicherlich noch für uns Zeit.«
Der bärbeißige Pförtner griff zum Telefon.
»Da sind ein Herr und eine Dame von der Polizei«, sagte er.
Es dauerte ein klein wenig, bis er nickte. »Ja, zu Ihnen.«
Nachdem der Pförtner aufgelegt hatte, wies er zur Treppe. »Dritter Stock, Zimmer 303, nach der Treppe rechts. Sie können aber auch den Fahrstuhl nehmen.«
Trevisan bedankte sich bei dem Mann. Sie nahmen die Treppe, denn Bewegung tat gut. Vor dem Zimmer 303 blieben sie stehen.
»Vorzimmer – Bürgermeister«, stand auf dem Türschild und darunter der Name der Sekretärin. Der Bürgermeister residierte im Raum 301, das Zimmer mit der Nummer 302 lag dazwischen. Trevisan klopfte.
Frau Haferkamp öffnete mit gespannter Miene die Tür. Trevisan schätzte die Frau auf Mitte 60. Ihr ergrautes, zum Zopf gebundenes Haar lag eng am Kopf an. Mit dem dunklen Rock, der hochgeschlossenen weißen Bluse und der schwarzen Strickjacke darüber wirkte sie wie eine Nonne aus einem Kloster. Ihre Züge waren hart und streng.
»Guten Tag, gibt es etwas Neues von Herrn Ollmert?«, fragte sie und ging einen Schritt zur Seite.
Trevisan zeigte seine Dienstmarke. »Martin Trevisan und meine Kollegin Monika Sander. Wir sind vom 1. Fachkommissariat in Wilhelmshaven und haben den Fall übernommen.«
Die Frau wies auf die Stuhlreihe an der Wand, an dem wohl normalerweise die Bittsteller Platz nahmen, die einen Termin mit dem Bürgermeister hatten oder anstrebten. Wie eine Sünderbank, dachte sich Trevisan, als er sich setzte. Monika nahm daneben Platz, während sich die Sekretärin hinter ihren Schreibtisch zurückzog.
»Sie sind von der Mordkommission, richtig«, feuerte sie ihre erste Feststellung ab.
Trevisan nickte. »Unter anderem bearbeiten wir Mordfälle.«
»Ich kenne Sie aus dem Fernsehen, damals, vor einem Jahr, als dieser Fernfahrer ermordet wurde, da gab es eine Pressekonferenz.«
»Kann sein«, bestätigte