Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann

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Hannah von Bredow - Reiner Möckelmann

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seinen Kopf nie verlieren wird. Ich habe Gottfried angefleht, auf mich zu hören, aber es hat keinen Sinn. Blind. Blind.“

      Am folgenden Tag erklärt Hannah von Bredow ihrem Bruder Gottfried, „dass in 10 Jahren alles vorbeisein und es kein Deutschland mehr geben wird, es sei denn, Hitler wurde vorher umgebracht. Ich habe ihm vorgehalten, dass es nur eines gibt, um das arme Land zu retten: Kampf mit allen Mitteln des Verstandes und mit eiskalter Berechnung, denn die Irren kann man nie überzeugen.“ Ihre Prognose verfehlte Hannah zeitlich um zwei Jahre, lag mit dem Ergebnis der Hitlerherrschaft dagegen richtig. Gottfried von Bismarck benötigte aber zehn Jahre, um seine Blindheit abzulegen und der Aufforderung seiner Schwester zu folgen, zumindest ansatzweise kämpferisch gegen das Regime vorzugehen.

      Den „Tag von Potsdam“ am 23. März 1933, die feierliche Konstituierung des Reichstags am Traditionsort preußischer Geschichte, erlebt Hannah in der Garnisonskirche: „Unter den hereinmarschierenden Abgeordneten war Gottfried im braunen Hemde leicht zu erkennen, weil er als einziger keine Mütze in der Hand trug. Hindenburg sah im großen Band des Schwarzen Adlers mit dem Feldmarschallstab monumental aus, und es war ein ergreifender Anblick als er, bevor er sich auf seinen Stuhl setzte, langsam und feierlich mit dem Feldmarschallstabe die vollbesetzte Kaiserloge grüßte und einen Augenblick nach dem Gruß reglos verharrte, um dann mit erstaunlicher Leichtigkeit zwischen Göring und Hitler Platz zu nehmen. Mir kam es wie ein letzter Abschied vor, man sieht die Dinge in solchen Momenten symbolisch, man denkt nicht an das, was die Loge im Augenblick fühlt, man denkt an das, was sie einst verkörperte.“

      Bevor sich Hannah von Bredow während der anschließenden Parade ganz der Erinnerung an die besseren Tage in der Monarchie hingeben konnte, ernüchterte sie ein neben ihr stehender „baumlanger S.A. Mann“, der bemerkte: „Da steht nun der olle Greis mit dem janzen Klempnerladen auf der Brust und mit dem janzen Firlefanz von früher. Wie det alles in der Sonne blitzt!“ Mit ihrer propagandistischen Inszenierung vermittelte die NS-Führung dem In- und Ausland durchaus erfolgreich die symbolische Verbindung vom alten und neuen Deutschland.

      Die Illusion einer harmonischen Koexistenz des alten mit dem neuen Reich verflog auch zwei Tage später, am 23. März, kaum, als die NSDAP mit der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes durch den Reichstag sich auch ihrer rechtlichen Bindungen an die Konservativen für die Verabschiedung von Gesetzen entledigte und den Parlamentarismus im Reich beendete.

      Knapp eine Woche später, am 30. März, war Hannah von Bredow dann „mit all den neuen Männern“ zu einem Empfang im Hause von Papen geladen: „Der Hausherr charmant, aber nervös und elend und völlig hinter seinem Chef verschwindend“, bemerkt Hannah, und weiter: „Es war ein unheimliches Fest, jeder betrachtete misstrauisch den Nächsten, und die Anhänger Marii [Hitlers] musterten einen, als gehöre ihnen die Welt.“ Auch erlebte Hannah einen Wutanfall Hitlers, als der Markgraf von Baden ihn bat, den Leiter des Internats Salem, Kurt Hahn, aus der „Schutzhaft“ zu entlassen: „Nein, auf keinen Fall, Ausnahmen mache ich nicht“, schrie er. Hahn hatte zuvor schriftlich gegen die Ermordung eines jungen Kommunisten durch fünf SA-Männer protestiert. Unmittelbar nach seiner späteren Freilassung emigrierte Hahn in die Schweiz.

      Hannah von Bredow ihrerseits spürte den wachsenden Druck auf Andersdenkende, als Hitler sie im Hause Papen mit einer Frage konfrontierte, welche sie mit kurzer Einleitung kommentarlos im Tagebuch wiedergibt: „Gestern sagte mir das Ekel Hitler: ‚Wollen Sie, dass Ihre Kinder in der Gosse aufwachsen?‘“ Bruder Otto von Bismarck hatte Hannah mit Hitler bekannt gemacht, und sie bemerkt gegenüber ihrem Briefpartner Jessen: „Er verneigte sich tief und küsste mir die Hand. Er ist sehr viel kleiner als ich, ich musste an die Hofbälle denken, wenn ich zum ‚Allerhöchsten‘ befohlen war.“

      Mit seiner Frage an Hannah von Bredow deutete Hitler an, welche Folgen es für sie haben könnte, wenn sie sich Aktivitäten in der NSDAP verweigern würde. Späteren Hinweisen von NS-Chargen, dass sie mit ihrer großen Kinderzahl ganz der Rolle der „arischen“ Mutter entspreche und ihre positive Gesinnung in einer NS-Mitgliedschaft zum Ausdruck bringen solle, begegnete Hannah regelmäßig mit der Antwort, sie habe das Ihrige fürs Vaterland bereits vor Antritt der Nazis geleistet und benötige jetzt ihre Zeit, um sich ganz im Interesse des Volkes der Kindererziehung widmen zu können.

      Für alle Deutschen sichtbar zeigte sich Hitlers Rassenwahn erstmals am 1. April 1933, als im ganzen Reich jüdische Geschäfte, Kanzleien und Ärztepraxen boykottiert wurden. Das bevorstehende Ereignis beschäftigte am 30. März Hannah und ihre Brüder, als sie zusammen mit Freunden vor dem Empfang bei Papen im Hotel Adlon Gottfrieds 32. Geburtstag feierten: „Alle sprachen ausschließlich über das am Sonnabend beginnende Judenpogrom“, berichtet Hannah und fährt fort, dass Gottfried es „als eine primitive, aber gesunde Reaktion“ bezeichnete, „die man den Leuten nur gönnen kann“.

      Wahrscheinlich teilte Otto von Bismarck nicht die Ansicht seines Bruders, als er mit Hitler beim anschließenden Empfang über das bevorstehende Pogrom sprach und von diesem „mit wild fuchtelnden Armen“ unterbrochen wurde: „Da lass’ ich mir nichts dreinreden! Es wird mit äußerster Schärfe vorgegangen, und der Einwand, dass es uns Geld kosten könne, zählt bei mir nicht. Ich denke nicht daran, diesem Geschmeiß entgegenzukommen.“

      In ihrem Tagebucheintrag vom 1. April 1933 kommentiert Hannah von Bredow, vermutlich nach Gesprächen mit Bruder Otto, deutlich die zu erwartenden ausländischen Reaktionen auf den Boykott: „Das gibt eine Riesenwut im Ausland. Wenn die Nazis stark genug sind, eine völlige Isolierung zu vertragen, soll es mich wundern. Denn dass es genau wird wie im Krieg, ist klar.“ Indessen trat die Isolierung nicht so bald ein, da sich in den USA Überlegungen zu einem Handelsboykott auf Drohungen beschränkten.

      Der Boykott vom 1. April war ein erstes Zeichen, dass die Nationalsozialisten es mit der Verfolgung von Juden ernst meinten. Die systematische Entrechtung begann noch im selben Monat. Von heute auf morgen brachte das NS-Regime mit mehreren Gesetzen „Nichtarier“ um Amt und Brot. Sehr bald erstreckte sich die NSWillkür darüber hinaus auf „nichtkonforme Arier“ und wenig später zudem auf Personen, die es wagten, Umgang mit „Nichtariern“ oder „Nichtkonformen“ zu haben und hierauf trotz Drohungen, Schikanen und Verhören weiterhin bestanden. Zu diesen zählte Hannah von Bredow.

       Briefpartner Dr. rer. pol. Sydney Jessen im Jahre 1926

       Brief Hannah von Bredows an Dr. Sydney Jessen Nr. 187 aus Potsdam vom 2. Dezember 1932

       Familie Hannah und Leopold von Bredow mit 7 Kindern im Jahre 1931

       Hannah von Bredow mit dem schwedischen Gesandten Arvid Gustaf Richert im Jahre 1938

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       Staatssekretär Dr. Erwin Planck und Reichstagspräsident Hermann Göring in Berlin 1932

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