Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann
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Nach Gottfrieds Aussage schätzte Hitler die Rolle des Militärs gering ein und stellte fest: „Sie haben keine Resonanz beim Volk und niemand will sie haben. Schleicher ist ein geriebener Gauner, weiter nichts.“ Gottfried zeigte sich enttäuscht, dass seine Schwester Hannah nicht an dem Gespräch teilgenommen hatte, „allein schon des Gedächtnisses wegen“. Der ältere Bruder Otto dagegen, der Hannahs offene Sprache fürchtete, hatte sie aus fadenscheinigen Gründen von der Teilnahme abgehalten.
In Unkenntnis der Hintergründe war nicht nur Bruder Gottfried, sondern auch Mutter Marguerite enttäuscht darüber, dass Hannah nicht an dem Hitler-Treffen teilgenommen hatte. Sie schrieb Hannah später wenig schmeichelhaft: „Ich kann absolut nicht begreifen, warum Du damals z.B. nicht mit Hitler im Kaiserhof gefrühstückt hast, das wäre doch eine Gelegenheit gewesen. Es macht doch gar nichts, dass Ann Mari z.B. so viel jünger und hübscher ist wie Du – ich habe mir nämlich überlegt, ob das der Grund für Deine Zurückhaltung ist.“
Diese abwegige Annahme ihrer Mutter bewertet Hannah von Bredow am 29. Januar 1932 gegenüber Jessen: „Der Brief meiner Mutter ist so charakteristisch. Ich hatte ihr geschrieben, dass ich von Göring-Goebbels nichts hielte, Hitler nicht beurteilen könnte. Das verursacht ihr eine schlaflose Nacht.“ Allein aus Neugier hätte Hannah ihre Brüder zum Treffen mit Hitler, über den sie sich sehr wohl ein Urteil gebildet hatte, gern begleitet. Bereits am 12. Dezember 1930 stellte sie im Tagebuch ernüchtert, aber auch besorgt fest: „Die Menschen reden immer: Hitler oder Kommunismus. Hitler, dieser miese, aufgeregte, hysterische, weibische Trommler, ist Prolet und Kommunist mit nationalem Einschlag. Wenn er nur nicht Diktator wird. Dann wird Deutschland ein Irrenhaus. O. + G. machen bestimmt mit.“ Otto und Gottfried von Bismarck machten in der Tat mit.
Im Brief vom 29. Januar 1932 berichtet Hannah von Bredow ihrem Vertrauten Jessen von einem bevorstehenden Fest, zu dem die preußische Kronprinzessin Cecilie eingeladen hatte: „Ich werde hingehen und mir die Sache ansehen; mich beunruhigt am meisten die absolute Intimität, die Ihre Kaiserliche Hoheit mit Marius’ Partei hat.“ Marius’ Partei war die NSDAP und deren Führer Adolf Hitler. Hannah hatte Hitler den Namen des römischen Diktators Gaius Marius verliehen, der im ersten vorchristlichen Jahrhundert mit Gewalt die Macht von Sulla übernommen hatte und dem im anschließenden Terror viele Aristokraten zum Opfer fielen.
Im Hause Hohenzollern hatte sich bislang nur Prinz August-Wilhelm, von Hannah „Auwi“ genannt, als glühender Verehrer der Nationalsozialisten gezeigt. Hannahs Bemerkung spielt zweifellos darauf an, dass Kronprinz Friedrich Wilhelm im Januar 1932 Adolf Hitler in seinem Potsdamer Schloss Cecilienhof empfing. Der Kronprinz schlug Hitler eine Lösung zur Stabilisierung der politischen Lage vor, welche ihn selbst als Reichspräsidenten und Hitler als „seinen“ Kanzler vorsah. Kurz darauf publizierte der Prinz zum zweiten Wahlgang um die Reichspräsidentschaft im April 1932, in dem Hitler gegen Hindenburg antrat, in der Schlesischen Zeitung einen weithin wahrgenommenen Wahlaufruf zugunsten Hitlers: Der Thronfolger stellte sich öffentlichkeitswirksam hinter den NSDAPFührer und gegen den früheren Feldmarschall.1
Die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf“ hätte dem Kronprinzen eigentlich verdeutlichen können, dass das Führerprinzip mit der Institution der Erbmonarchie unvereinbar war.2 Friedrich Wilhelm ließ sich vermutlich von den Avancen, die Hitler den Hohenzollern machte, und dem Kapitel seiner Kampfschrift über „Die monarchistische Idee“ blenden. Darin stellt Hitler fest, dass „der Wert und die Bedeutung der monarchischen Idee nicht in der Person des Monarchen selber liegen, außer der Himmel entschließt sich, die Krone einem genialen Helden wie Friedrich dem Großen oder einem weisen Charakter wie Wilhelm I. auf die Schläfen zu drücken.“3
Dass sich selbst der preußische Hofadel, die Familie Hohenzollern, in Gestalt von „Auwis“ Sohn Prinz Alexander Ferdinand, von Hitler einwickeln ließ, schildert Hannah von Bredow ihrem Briefpartner Jessen im September 1932. Sie gibt ein Gespräch wieder, in dem der Prinz ihr erklärt hatte: „Das einzig störende Element ist die sogenannte alte wirkliche Aristokratie, nicht der Militär-, nein der Hoch- und der Landadel. Mit dem Volk wird unsereins immer gut fahren, auch mit dem Bürgertum; von mir aus kann Hitler gar nicht scharf genug gegen diesen verfluchten Adel vorgehen, dann haben wir endlich Luft. Es sind ja alles renitente Kerle, diese Adligen, kommen sich vor, als seien sie wunder was!“ Hannahs lakonischer Kommentar: „Sehr ermunternd wirkt das Beispiel ja nicht!“
Nicht zu klären ist, ob die Brüder Otto und Gottfried von Bismarck angesichts ihres ausgeprägten Interesses an Hitler dessen generelle Einstellung zum Adel in „Mein Kampf“ zur Kenntnis nahmen. Im Kapitel über die „Herrschaft des Geldes“ bedauert Hitler, dass der Kaiser und „leider selbst Bismarck“ die drohende Gefahr des Finanzkapitals verkennen würden. Die ideellen Tugenden des Adels sah Hitler hinter den „Wert des Geldes“, den „Schwertadel in kurzer Zeit schon hinter dem Finanzadel zurücktreten“ und den „nächstbesten Bankjuden“ ausgeliefert. Konsequenz dieser Entwicklung war für ihn: „Der Adel verlor immer mehr die rassische Voraussetzung zu seinem Dasein, und zu einem großen Teil wäre viel eher die Bezeichnung ‚Unadel‘ für ihn am Platze gewesen.“4
Aber auch in seinem regenerativen Verhalten schnitt der Adel bei Hitler durch „eine dauernde Missachtung der natürlichen Voraussetzungen für die Ehe“ schlecht ab: „Hier hat man die Ergebnisse einer Fortpflanzung vor sich, die zu einem Teil auf rein gesellschaftlichem Zwang, zum anderen auf finanziellen Gründen beruhte. Das eine führte zur Schwächung überhaupt, das andere zur Blutvergiftung, da jede Warenhausjüdin als geeignet gilt, die Nachkommenschaft Seiner Durchlaucht zu ergänzen. In beiden Fällen ist vollkommene Degeneration die Folge.“5
Den Diplomaten Otto von Bismarck schließlich hätte Hitlers Ansicht beunruhigen können, wonach die Nationalsozialisten kein Verständnis dafür haben dürfen, „dass irgendein altersschwach gewordener Adelsstamm seinem meist schon sehr dürr gewordenen Reis durch Bekleidung des Gesandtenpostens neuen Nährboden gibt. Unsere diplomatischen Vertretungen im Ausland waren schon zur Zeit des alten Reiches so jämmerlich, dass weitere Ergänzungen der damals gemachten Erfahrungen höchst überflüssig sind.“6
Während die Brüder Otto und Gottfried von Bismarck einen Tag nach ihrem Treffen mit Hitler im Kaiserhof am 12. Januar 1932 bei Hermann Göring frühstückten, verfolgte Hannah von Bredow zu Jahresbeginn 1932 die weiteren Entwicklungen zunächst distanzierter. Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 19. Februar beschäftigten sie indessen, und sie sieht das Ergebnis voraus: „Hitler kandidiert; das Ganze ist so ungeschickt. Ich sagte heute beim Lunch dem Prinzen Philipp von Hessen, dass ich mir maximal für Hitler 12 Millionen, für Hindenburg glatt 16–18 vorstellen könne. Er glaubt umgekehrt. Das ist unmöglich.“ Hannah lag richtig, denn Hindenburg gewann, wenn auch erst im zweiten Wahlgang am 10. April. Auf ihn entfielen sogar 19 Millionen, auf Hitler 13 Millionen Stimmen.
Besorgt und rigide beurteilt Hannah von Bredow Mitte April 1932 die Folgen der von Reichskanzler Brüning verfügten Auflösung der S.A., der paramilitärischen Kampfgruppe der NSDAP: „Wenn je ein Tag als ‚böses Omen‘ aufgefasst werden könnte, so ist es dieser 13.! Denn nun wird die Situation, die ohnehin verfahren genug ist, ganz und gar auf die Spitze getrieben. Ich gebe diesem miesen Brüning nicht mehr als 4 Wochen. Aber leider wird der Alte sicher noch wursteln anstatt die Nazis hereinzunehmen. Schleicher glaubt natürlich, dass er Kanzler wird. Davor bewahre uns Gott.”
Brüning war zwar noch sechs Wochen im Amt und Hannahs Hoffnung zu Schleichers Zukunft bestätigte sich nicht, denn am 3. Dezember übernahm dieser die Kanzlerschaft, wenn auch nur für knapp zwei Monate. Am 20. April 1932 lag Hannah indessen mit ihrer Prognose richtig: „Heute ist