Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann

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Hannah von Bredow - Reiner Möckelmann

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auch zu Beginn der Hitlerdiktatur nicht, als sie sich ständig mit der Frage auseinandersetzte, was sie über das Regime denke und wer sie sei: „Ich weiß nur, was ich nicht bin, ich bin nicht Angehöriger irgendeiner Partei, ich bin sicher kein Sozialist, bestimmt kein Demokrat, auch nicht ein Legitimist, vielleicht kein Monarchist, gewiss kein Republikaner – jedenfalls nicht im Sinne der bisherigen deutschen Republik – ich bin kein Kommunist, also passe ich wohl nirgends hin. Aber im Grunde halte ich diese Ungebundenheit bei Frauen für das einzig Wahre, besonders bei solchen, die mit der Öffentlichkeit nichts zu tun haben. Man wirkt aber dadurch manchmal aufreizend, da jeder einen verachtet, weil man keine Hakenkreuzfahne am Haus hat und keine Abzeichen trägt.“

      Ihr Verhältnis zu politischen Fragen beschreibt Hannah ihrem Briefpartner Jessen als irrational und sogar beängstigend: „Wenn mein Leben von Politik der Vergangenheit oder Zukunft in irgendeiner Weise gestreift wird, oder wenn ich mich sogar hinein vertiefen muss, dann wird plötzlich etwas ganz tief Vergrabenes und Zugesiegeltes in mir lebendig. Und dieses Etwas dehnt sich nach allen Richtungen, lässt mir keine Ruhe und gibt mir das geradezu groteske Gefühl, dass ich – bitte stellen Sie sich das nur vor! – derartigen Situationen vollkommen gewachsen wäre, mich in ihnen, je komplizierter sie werden würden, umso sicherer bewegen könnte, ja ich komme mir zu meinem Entsetzen wie eine Art Antenne vor, die spürt, was in der Luft liegt – oh es ist grässlich.“ In solchen Fällen wusste Hannah „genau, was kommt“, und versuchte, ihre innere Unruhe in den Briefen an Jessen loszuwerden.

      Bester Informant Hannah von Bredows über das politische Geschehen im inneren Zirkel der Macht war in den beiden letzten Jahren der Weimarer Republik der gleichaltrige Erwin Planck, Sohn des Physikers und Nobelpreisträgers Max Planck. Nach dem Abitur hatte Erwin Planck die Militärlaufbahn eingeschlagen und wurde nach dem Krieg dem Generalstab zugeordnet. Dort lernte er Kurt von Schleicher kennen, der ab 1929 das Reichswehrministerium und ab Dezember 1932 bis zu Hitlers Machtantritt kurzfristig das Reichskanzleramt leitete.

      Zwischen Schleicher und Planck entstand bald ein enges Vertrauensverhältnis. Schleicher war im Jahre 1923 Trauzeuge von Erwin und Nelly Planck. Ein Jahr später begann Plancks Karriere als Verbindungsmann des Reichswehrministeriums in der Reichskanzlei. Vom Referenten stieg er 1930 im „Kabinett der Frontsoldaten“ des Reichskanzlers Brüning zu dessen persönlichem Sekretär und ab Juli 1932 zum Staatssekretär unter dessen Nachfolger Franz von Papen auf. In den letzten Jahren der Weimarer Republik galt Erwin Planck als „graue Eminenz“ der Kanzler.

      Prägend für Erwin Planck war die großbürgerliche Atmosphäre seines Elternhauses: Musizieren, Opernbesuche und intellektuelle Diskurse waren selbstverständlich. Er war ein guter Cellist und traf sich regelmäßig mit seinem Vater und Albert Einstein zum Triospiel. Erstmals im September 1930 erwähnt Hannah von Bredow eine Einladung im Hause Planck und beschreibt Sydney Jessen im Februar 1931 eine weitere Gesellschaft: „Es wurde viel politisiert und Planck Junior gab seine Ideen bereitwillig zum Besten: ‚Die Nationalsozialisten haben ausgespielt, die einzige Gefahr sind die Kommunisten, deren Macht wächst. Die Deutschnationalen sind untauglich, die Volkspartei ebenso, Treviranus1 hat vielleicht doch Chancen, das Zentrum ist noch immer mächtig, Braun in Preußen desgleichen. Brüning ist der einzige Kanzler von Format seit 1890, Schleicher arbeitet nur pro domo, wird aber einen Freund nie fallen lassen …‘“ Hannah ergänzt: „Das war der langen Rede kurzer Sinn. Planck Senior hörte interessiert zu und sagte mir: ‚Erwin ist so geschmeidig, der würde das alles schon schaffen; Brüning hält sehr viel von ihm.‘“

      Hannah von Bredow hielt nicht ganz so viel von Erwin Plancks Fähigkeiten, wusste aber seine Verehrung für sie und seine Auskunftsfreudigkeit zu schätzen. Zeitweise telefonierten beide täglich miteinander, trafen sich regelmäßig in Cafés und luden sich häufig gegenseitig ein. Planck war bei wichtigen Gesprächen Brünings, Papens und Schleichers „steinerner Gast“. In ihren Briefen nennt Hannah ihren Kontaktmann Planck stets „Puck“ und spielt damit auf die Eigenschaften des kleinwüchsigen Hofnarren in Shakespeares Sommernachtstraum an, besonders auf dessen verwirrende Scherze, aber auch seine Hilfsbereitschaft denen gegenüber, die ihn richtig ansprechen und ihm zuhören konnten.

      Letzteres vermochte Hannah von Bredow sehr gut, sodass sie Jessen laufend von ihren politischen Gesprächen mit Planck berichten konnte. Hannahs Vertrauter Planck erfuhr Details über historisch bedeutsame Treffen und gab diese, oft in Dialogform, an sie weiter. So berichtete er ihr auch von der zweiten Unterredung, welche Reichspräsident von Hindenburg mit Hitler am 13. August 1932 hatte, sowie von verschiedenen Gespräche der Reichskanzler von Papen und von Schleicher vor der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933. Die Nachwelt kann erstaunt feststellen, dass Hannah von Bredows Aufzeichnungen historischen Erkenntnissen weitgehend entsprechen.2

      Erwin Plancks ständige Bereitschaft, Hannah von Bredow über aktuelle politische Entwicklungen zu unterrichten, erklärt sich daraus, dass er von ihr stets seine Bedeutung als „Strippenzieher“ an den Schalthebeln der Macht vermittelt bekam. Hannah ihrerseits schätzte Plancks Offenheit, bemerkte allerdings auch kritisch, dass ihm „im Grunde alles gleichgültig ist, so lang er selber weiterkommt.“

      Der ambitionierte Erwin Planck setzte Ende 1932 und noch Anfang Januar 1933 alle Hoffnung und seine Zukunft in seinen Freund Kurt von Schleicher. Hannah von Bredow dagegen sah die Entwicklungen realistischer und befand nach einem Abendessen mit ihm am 23. August 1932: „Er erzählte interessant, aber der Mann ist entweder gewollt blind oder ahnungslos.“

      Am 21. Januar 1933, also neun Tage vor Hitlers Machtübernahme, schreibt Hannah von Bredow im Tagebuch: „I warned Planck. He disbelieved me. I give him a week and then – Planck said: ‚Sie werden doch nicht glauben, dass die Deutschen alle irre sind!‘ I replied: ‚Irre? Ahnungslos, genau wie Sie.‘ – ‚Die ich rief, die Geister‘, werden bald viele singen. Ich riet Planck abzureisen.“ Mit Hitlers Machtantritt wurde der Vertraute Schleichers persona non grata im neuen Deutschland. Er entzog sich den wachsenden Bedrohungen aber erst Mitte März 1933 durch eine ausgedehnte Ostasienreise.

      Für die politische Beobachterin Hannah von Bredow bestand nach Erwin Plancks Rückkehr von seiner langen Reise im Mai 1934 kein ausgesprochenes Interesse mehr an Treffen mit ihm. Auch hatte sich Erwins eifersüchtige Frau Nelly gegen weitere Begegnungen ihres Manns mit Hannah ausgesprochen. Im Oktober vermerkt Hannah im Tagebuch noch einen äußerst aufgeregten Anruf Erwin Plancks. Zu dieser Zeit bemühte dieser sich nach wie vor intensiv um die Aufklärung des Mordes an Kurt von Schleicher und seiner Frau in der „Nacht der langen Messer“ vom 30. Juni 1934.

      Damit kam Planck wieder ins Fadenkreuz der Gestapo, der er sich bald durch Aktivitäten in der Privatwirtschaft, nämlich als Geschäftsführer der Handelsfirma Otto Wolff, entzog. Unpolitisch blieb er indessen nicht, denn sein Name wird ab Ende 1939 in Verbindung mit Widerständlern genannt. Anders als Hannah ihn charakterisiert, war dem nationalkonservativen Erwin Planck durchaus nicht alles gleichgültig, „so lang er selber weiterkommt.“ Ihm ging es um Deutschlands Zukunft, und kurz nach Kriegsbeginn findet sich sein Name bis zum 10. Juli 1944 regelmäßig unter den Vertrauten des konservativen Widerständlers Ulrich von Hassell in dessen Tagebüchern.

      Häufiger findet sich in von Hassells Tagebüchern auch der Name Franz von Papen. Dieser war nach dem Krieg bemüht, den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg von seiner Widerständigkeit zu überzeugen, ebenso wie später auch die Leser seiner Memoiren „Der Wahrheit eine Gasse“. Hannah von Bredow machte indessen Ende des Jahres 1937 Erfahrungen mit einer Denunziation Papens, die alles andere als dessen Widerständigkeit belegte.3

      Hannah von Bredow lernte Franz von Papen bereits Anfang der 1930-Jahre kennen und unterhielt sich bei verschiedenen Gelegenheiten mit ihm. So erfuhr ihr Briefpartner Jessen im Frühjahr 1931, also vor Papens Kanzlerzeit, von einer Abendgesellschaft bei den Bredows mit Papen als Gast, auf der Hannah ihrem Bruder Gottfried beispringen musste: „Papen grauste Gottfried so mit seiner geradezu krankhaften Frankophilie, dass es fast zu Unannehmlichkeiten kam,“ schreibt sie. Daraufhin beruhigte Hannah

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