Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann

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Hannah von Bredow - Reiner Möckelmann

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„Selbstverständlich wurden alle Festlichkeiten sofort abgesagt“, erklärt Hannah zur ersten Reaktion. Das Attentat war maßgeblicher Auslöser des Ersten Weltkriegs und bedeutete nicht nur für Hannah eine tiefgreifende Zäsur im Leben.

      Bis zu ihrem 21. Lebensjahr genoss Hannah auf Ausflügen, Ausritten, Tanzabenden, bei Vorträgen, Konzerten und Theaterbesuchen den Umgang mit den Söhnen und Töchtern der alten Familien des Guts- und Militäradels sowie mit den Spitzen des Groß- und Bildungsbürgertums. Auf Bällen bei Hof und in Botschaften, in hochadligen Palais und großen adligen Salons bewegte sie sich in den Kreisen der alten Hof-, Diplomaten- und Regierungseliten. In den besten Hotels und Restaurants Berlins nahm sie an geselligrepräsentativen Essen teil.

      Verbunden mit einer aktiven Besuchspolitik beobachtete Hannah das Gesellschaftsleben in Berlin und dessen Aufstieg zur Kulturmetropole. Ihre Jugend konnte sie im „goldenen Zeitalter der Sicherheit“ (Stefan Zweig) verbringen: Seit ihrer Kindheit herrschte wirtschaftliche Hochkonjunktur, und viele Erfindungen und Entdeckungen wie die Röntgenstrahlen oder das Aspirin wurden gemacht. Das von den Engländern zur Abwehr deutscher Produkte verfügte Kennzeichen „Made in Germany“ wurde zum Gütesiegel. Die Kaiserzeit zeichnete ein nahezu grenzenloser Glaube an die Stärke und glorreiche Zukunft des Deutschen Reiches aus, zumal Literatur, Malerei und Musik in Blüte standen. Der Krieg stellte alles in Frage, und dennoch entschied Hannah im Frühjahr 1915, die Ehe mit Leopold von Bredow einzugehen.

      Ehe in Zeiten des Umbruchs

       „Mein Mann hat mich sehr lieb gehabt, und seine Kinder haben ihm das absoluteste Glück bedeutet, was einem Mann zuteil werden kann.“

      (Hannah von Bredow an Sydney Jessen, Nr. 730 – Potsdam, den 4. April 1938)

      Erstmals näher kennen lernte Hannah ihren zukünftigen Ehemann Leopold Waldemar von Bredow Mitte März 1914 im Berliner Hotel Adlon bei einer Soirée, zu der die Freifrau Ludovika von Stumm das Münchner Marionetten-Theater engagiert hatte: „Ah! Ah! Je später der Abend, desto schöner die Gäste; wie charmant, dass ich Sie hier treffe, meine gnädigste Gräfin,“ begrüßte er sie. Hannah war erstaunt, Leopold zu treffen, da er selten auf geselligen Veranstaltungen zu sehen war. Sie erlebte ihn an dem Abend als „wirklich sehr amüsant“. Durch Andeutungen über die Entfernung zwischen der Stadt Brandenburg, Leopolds Wohnsitz, und Friedrichsruh erweckte er bei ihr den Eindruck, als wäre ihm an einer Einladung in das Bismarck-Domizil gelegen. Auf Hannahs Antwort, wonach die Begegnung im Adlon wohl ihr letztes Beisammensein sei, reagierte Leopold „ganz melancholisch“.

      Offenbar entschieden, befindet Hannah im Tagebuch unter dem 15. März 1914: „Solche Menschen sind in Berlin ganz nett, aber bei uns am Land! Ich rühre jedenfalls keinen Finger, um ihn herzubekommen.“ Zwei Monate später wurde ihr aber in Wien „insinuiert, dass ich von Molly Bredow sehr bewundert würde. Jedoch auch dieses wies ich natürlich von mir und glaube, dass ich bis auf weiteres nicht mehr beunruhigt werde.“

      Leopold von Bredow, auch Molly genannt, war aber hartnäckig. Geboren im Jahre 1875 im brandenburgischen Bredow, war er seit 1912 als Rittmeister bei den Gardekürassieren in Brandenburg an der Havel stationiert und nutzte jede Gelegenheit, nach Berlin zu fahren, um auch Hannah bei ihren häufigen Aufenthalten im Winter dort zu treffen. In Brandenburg hatte er mit 17 Jahren die Ritterakademie absolviert, war im Jahre 1893, also im Geburtsjahr von Hannah, mit 18 Jahren Leutnant geworden und diente Prinz Georg von Preußen als 20-jähriger für zwei Jahre als Adjutant. Der Prinz lebte sowohl in Berlin wie in seiner Eigenschaft als Militärgouverneur der Rheinlande in Koblenz. Er galt als Schöngeist, veröffentlichte unter Pseudonym Dichtungen und Theaterstücke und förderte als Protektor wie als Präsident Museen sowie wissenschaftliche Einrichtungen. Von Leopold von Bredow forderte er umfangreiche Literaturrecherchen und förderte dessen von Hannah später geschätzte schöngeistige Interessen.

      Die Kriegstrauung Hannah von Bismarcks mit Leopold von Bredow fand in kleiner Gesellschaft, im Rahmen der Familie, am 15. März 1915 in Friedrichsruh statt. Noch vier Jahre zuvor hatte Mutter Marguerite ihrer Schwester Polly gegenüber Zweifel geäußert, ob Hannah wohl einen Ehemann finden könne: „Es wird sowieso schwer sein, sie in Deutschland zu verheiraten. Sie ist so klar, so selbständig, so sicher, so zuverlässig, aber so gar nicht das, was die Deutschen lieben, so ganz und gar nicht feminin.“ Hannah habe „alle Eigenschaften eines ideal eldest son“ und sie frage sich auch, ob „ein Mann so ein Kind lieben könnte trotz allem, was sie entstellt.“

      Marguerites Schwester Lily dagegen sah für Hannah durchaus Chancen, wenn auch mit Einschränkungen: „Sie kann nur einen älteren Mann heiraten, denn sie ist viel zu klug und brillant für einen jüngeren. Sie ist zu sehr eine heranwachsende große Dame. Auch muss man sie zum Trinken ans Wasser bringen, denn sie weiß absolut nicht um ihre Attraktivität.“ Leopold von Bredow war der von Lily empfohlene ältere Mann, der zudem aus einer alten Familie stammte, die wie die bismarcksche ins 13. Jahrhundert zurückreichte.

      Leopold beeindruckte Hannah durch seine Erfahrung und Weltläufigkeit, sein Kunstverständnis und seinen Charme. Nicht zuletzt konnte er Hannah auch wegen ihrer ausgeprägten Kinderliebe für die Ehe mit ihm gewinnen, denn er brachte die im Jahre 1906 geborene Friederike „Didi“ in sie ein. Sie entstammte der ersten Ehe Leopolds mit Frances, der Tochter des US-Senators für Nevada, Francis G. Newlands. Vor der Eheschließung im Jahre 1905 war Leopold dem Militärattachéstab der deutschen Gesandtschaft in Washington zugeteilt gewesen.

      Die erste Ehe Leopolds währte nur kurz, denn im Sommer 1907 verstarb Frances nach längerer Krankheit in Potsdam. Sie hinterließ Leopold die gemeinsame Tochter Didi und zudem ein beachtliches Vermögen. Somit brauchte Marguerite von Bismarck sich um ihre Tochter keine Sorgen zu machen: „Hannah ist leider gar nicht reich“, schrieb sie ihrer Schwester Polly im Jahre 1911, „dabei muss sie in den größten Rahmen, den man sich vorstellen kann, heiraten.“

      In der kleinen Garnisonsstadt Brandenburg an der Havel, Leopold von Bredows Kürassierstandort, vermisste Hannah den Glanz und das gesellschaftliche Leben von Berlin und Wien. Auch musste sich die Zeit des besseren Kennenlernens im Krieg auf die wenigen Fronturlaube des Ehemanns beschränken. Später machte sie sich zum Vorwurf, dass sie nicht dem Vorbild einer Freundin gefolgt war und Sanitätsdienst an der Front geleistet hatte. Stattdessen sorgte sie dafür, „Mama und Tante Polly und Onkel Ludwig durch den Krieg zu lotsen“.

      Ab 1916 galt Hannah von Bredows Sorge nicht nur der zehnjährigen Didi, denn die erste Tochter des Ehepaars, Marguerite, wurde geboren. Für eine Übergangszeit und kurz nach Kriegsende lebte die Familie in Friedrichsruh. Im Jahre 1919 musste Leopold von Bredow seine Militärkarriere aufgrund der Auflagen von Versailles zur Reduzierung der Reichswehr beenden. Ab diesem Jahr wäre die Familie finanziell allein auf Leopolds Offizierspension angewiesen gewesen, da das ererbte US-Vermögen eingefroren war. Hannah dagegen ermöglichte eine Erbschaft den Kauf eines Hauses, der Villa Ysenburg in der Potsdamer Wörtherstraße, der heutigen Menzelstraße, und den Umzug dorthin. In den folgenden Jahren brachte Hannah vier weitere Mädchen und drei Jungen zur Welt, sodass sie insgesamt neun Kinder zu versorgen hatte. Diener, Haus- und Küchenmädchen sowie Erzieherinnen erleichterten ihr die Aufgaben trotz finanzieller Engpässe, die auch zur Aufnahme von Krediten und Verkäufen zwangen.

      In Deutschland herrschte seit Kriegsende im November 1918 eine Inflation, die ab 1922 außer Kontrolle geriet: Der Wert des US-Dollars, der Ende des Jahres 1921 noch 185 Reichsmark betrug, war Ende Mai 1923 bereits auf 70.000 Reichsmark gestiegen. So konnte Hannah mit 20 Dollar, die sie von amerikanischen Verwandten erhalten hatte, mühelos ihre Bankschulden begleichen. Weite Kreise der Bevölkerung konnten sich nach der goldenen Ära der Sicherheit im Kaiserreich mit der Republik, die für sie Ausdruck von Brüchen und Widersprüchen zwischen Tradition und moderner Welt war, nicht anfreunden.

      Die alte Welt war gerade für den Adel aus den Fugen geraten

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