Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann

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Hannah von Bredow - Reiner Möckelmann

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nicht verwirklichen. Dazu war sein Vorgehen als Reichskanzler, danach als Hitlers Vizekanzler und ab März 1934 als Beauftragter Hindenburgs für den Entwurf seines politischen Testaments zu arglos und durchsichtig. Unvorsichtigerweise vertraute der Beauftragte seinen testamentarischen Nachfolgeplan Adolf Hitler so frühzeitig an, dass dieser sich bereits einen Tag vor Hindenburgs Tod mit dem „Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches“ die Machtvollkommenheit im „Dritten Reich“ sichern konnte.11

      Für den 1. August 1934 hält Hannah von Bredow im Tagebuch fest: „Hitler in Neudeck. Hindenburg trat um 6.30 p.m. ins Koma ein“; und am nächsten Tag: „Hindenburg gestorben um 9. a.m.“ Nur einen Tag darauf, am 3. August, erkennt Hannah die Tragweite der Vereidigung der Soldaten durch Reichswehrminister Werner von Blomberg nicht mit dem Schwur auf die Verfassung, sondern auf Hitler: „The army has been sworn and so we have an absolute dictatorship.“

      Die Agonie der Weimarer Republik bis zu Hitlers Machtantritt am 30. Januar 1933 zeichnet Hannah von Bredow in Tagebuch und Briefen im Detail auf. Das Ergebnis der letzten Reichstagswahlen der Weimarer Republik am 6. November 1932 wertet sie am selben Tag in ihrem Tagebuch: „Nun fällt Papen bestimmt und ich wette 10:1, dass man erst Schleicher dranlässt statt Hitler.“ Hannahs Vorhersage traf knapp einen Monat später ein, als Hindenburg nach Papens Rücktritt am 17. November und vergeblichen Verhandlungen über Hitlers Regierungsbeteiligung Schleicher am 2. Dezember 1932, einem Freitag, mit der Bildung eines neuen Präsidialkabinetts beauftragte.

      Nach einem Gespräch mit Erwin Planck befindet Hannah von Bredow: „An einem Freitag soll man nichts beginnen! Aber heute ist Schleichers Traum zur Hälfte erfüllt. Er ist Kanzler!! Nun hofft er natürlich auch noch auf den Reichspräsidenten.“ Auch dank der Hintergrundarbeit seines direkten Amtsvorgängers währte Schleichers Kanzlertraum nur kurz, bis zum 28. Januar 1933. Sein Versuch, den Hitlerrivalen und studierten Apotheker Gregor Strasser für sein Kabinett zu gewinnen und die NSDAP zu spalten, scheiterte kläglich.

      Der unerwartete NSDAP-Wahlsieg in Lippe am 15. Januar 1933 hatte Hitlers Position gestärkt, wie Hannah von Bredow ihrem Briefpartner am 19. Januar bestätigt: „Nach den lippeschen Wahlen wurde der Apotheker weniger laut, und jetzt hat er erklärt, ohne das Einverständnis Marii [Hitlers] fühle er sich nicht im Stande, die Verantwortung zu ertragen. Er müsse leider, leider darauf verzichten, in Fouchés [Schleichers] Kabinett einzutreten.“

      Im Hause Bismarck setzte Gottfried Anfang Januar 1933 noch Hoffnung in Gregor Strasser, den machtbewussten Reichsorganisationsleiter der NSDAP. Hannah warnte ihn, da sie Hitlers Chancen im Machtkampf weit höher einschätzte. Falls Gottfried seine Zukunft weiter in der NSDAP sehe, müsse er sich auf Hitler stützen, riet sie ihm. Gregor Strasser und dessen Bruder Otto stünden schon auf Hitlers schwarzer Liste. Sydney Jessen berichtet Hannah am 8. Januar 1933 in Englisch: „I told Gottfried, that this was the most crucial and decisive moment in his life, and that I could only repeat again and again: hands off both Hitler and Gregor, but if he absolutely insists, he must stick to Hitler to save his skin. Hitler means murder, and why should Gottfried be murdererd by that scoundrel.“

      Zwei Tage darauf, am 10. Januar 1933, erklärt Hannah von Bredow ihrem Bruder Gottfried in Friedrichsruh: „I am certain that Hitler will win, alas, alas for Germany and for the world. ‚Goebbels ist klug‘, said Gottfried. Good Lord! As if that mattered.“ Resignierend zitiert Hannah dann am 28. Januar die Haltung vieler ihrer Gesprächspartner zu Hitler: „Den machen wir in 6 Wochen fertig.“ Und sie kommentiert: „Der macht uns alle so fertig, dass wir nie mehr zur Erholung kommen. Aber was hilft’s. Quem deus vult perdere!“12 Einen Tag nach diesen Gesprächen vertraut Hannah am 29. Januar schließlich ihrem Tagebuch an: „They say Hitler is not coming in! I offered bets 1:1000 he would be in by tomorrow. If only Gottfried were not in it.“

      Die Ereignisse vor und nach dem historischen 30. Januar 1933 beobachtet Hannah von Bredow sehr genau.13 Die Sachverhalte, die zur sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten führten, konnte sie detailliert beschreiben, einordnen und bewerten, weil sie durch ihre Bekannten, insbesondere Erwin Planck und Rudolf von Schmidtseck, Geschäftsführer der Berliner Philharmoniker und NS-Mitglied, sowie ihre Brüder Otto und Gottfried von Bismarck unmittelbar Einblick in die damaligen Ereignisse hatte. Zur Machtübernahme Hitlers bemerkt sie am 30. im Tagebuch: „So, jetzt haben wir die Nazis. Hitler ist Kanzler. Die Begeisterung grenzenlos. Riesiger Fackelzug. Der alte Mann stand von 8–11.30 und ließ sich auch huldigen.“

      Am folgenden Tag, dem 31.1., erkennt Hannah: „Die Welt ist aus den Fugen, und wir können nur abwarten, bis uns das Genick umgedreht wird. Schauerlich. Die Menschen sind alle toll. Ich habe so etwas doch nicht für möglich gehalten. Ach, Gottfried! Er wird furchtbare Dinge erleben.“ Entsetzen, Wut, aber auch Mitleid bestimmen den Eintrag am 1. Februar: „Es wird ja immer schöner. Die Tobsucht, die Hysterie und dazu der Greis Hindenburg. Papen verdient, gehängt zu werden. Der arme Planck!“

      Wenig später, am 7. Februar 1933, hatte Hannah von Bredow ihre Schwägerin Ann Mari zu Gast und fand sie „in seliger Nazibegeisterung“. Hannah dagegen war vorausschauender und riet schon Mitte Februar 1933 ihrer Freundin Leonie, der Frau des jüdischen Bankiers Paul von Schwabach, an Auswanderung zu denken. Mit der Begründung, „dass Hitler sich bald totläuft“, antwortete Leonie ihr: „Das tut mein Mann nie, er ist ein deutscher Patriot.“ Schwabach musste die schlimmsten Auswüchse des nationalsozialistischen Rassenwahns, den Holocaust, nicht mehr erleben. Nachdem er sich im Jahre 1937 aufs Land zurückgezogen hatte, starb er Ende des Jahres 1938 im Alter von 71 Jahren eines natürlichen Todes. Vier Jahre später verstarb seine Frau Leonie mit 73 Jahren in Berlin.

      Am 27. Februar 1933, dem Tag des Reichstagsbrands, hörte Hannah von Bredow in der Berliner Philharmonie ein Furtwänglerkonzert. Gleichzeitig mit der Nachricht vom Brand erfuhr sie am selben Tage, dass Kommunisten ihn vorgenommen haben sollten. Mit Blick auf den einsetzenden Terror stellt sie im Tagebuch drastisch fest: „Es soll um den Kopf gehen, wenn man behauptet, das Schwein Göring hätte die Fackel geschwungen. Sei’s drum. Wer mag so leben?“

      Nur einen Tag später vermerkt Hannah von Bredow: „Nun haben die Nazis die Handhabe gegen den Kommunismus; dieser Brand war wirklich ein unerhörter Glücksfall. Göring ganz in seinem Element.“ An diesem Tag waren Georg und Lily von Schnitzler bei ihr zu Gast. Als sie den beiden NS-Sympathisanten mitteilte, „Göring hätte gekokelt, wurden sie scharf.“ Kurz darauf wurde Hannah dann von einem Freund gewarnt, dass ihre Äußerungen kolportiert würden. Sie zeigt sich aber unbeeindruckt: „Wenn schon. Mir ist es ja so einerlei, denn das Leben ist ohne Bedeutung, wenn man nicht kämpfen kann gegen das Böse, das Verruchte.“

      Schmerzvoll war für die begeisterte Musikliebhaberin Hannah von Bredow, wie brutal und schnell sich „das Böse, das Verruchte“ bei den Berliner Philharmonikern zeigte. Am 4. März 1933 erlebt Hannah ein Konzert des deutsch-jüdischen Dirigenten Otto Klemperer und fürchtet: „Klemperer dirigierte wunderbar die ‚Missa Solemnis‘. Von morgen ab wird eine wildere Luft wehen, und Klemperer wird hoffentlich nicht ihr Opfer sein. Aber da sie seit Jahren Pogrom predigen, werden sie sich wohl irgendwie Luft machen.“

      Am Folgetag erbrachten die letzten noch mit mehreren Parteien durchgeführten Reichstagswahlen einen überwältigenden Erfolg der NSDAP: „340 Mandate für rechts, davon 288 Nazis“ stellt Hannah von Bredow fest. SA-Schlägertrupps hatten den Wahlkampf geprägt und Hannah erklärt zum 5. März 1933: „This is the last day – from now on hell, hell, and I have seen so many March hares that I am sick.“ Die paranoiden Märzhasen, auf die Hannah anspielt, veranlassten Otto Klemperer wenig später, in die USA zu emigrieren. Seinem Kollegen und Freund Bruno Walter untersagten die Nazis am 20. März, die Berliner Philharmoniker zu dirigieren, und erzwangen seine Emigration nach Wien. Dort setzte die Judenverfolgung dann fünf Jahre später ein, und er musste über die Schweiz in die USA emigrieren.

      Die sich überstürzenden Ereignisse nach den Märzwahlen beunruhigten Hannah von Bredow in mehrfacher Hinsicht. Am 10. März

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