Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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Gescheiterte Erziehung

      Das Bild von der „rabenschwarzen Pädagogik“ im AT hellt sich entscheidend auf, wenn man nicht nur die Spruchliteratur zum Thema berücksichtigt, sondern das Motiv auch in den alttestamentlichen Erzählungen aufspürt (vgl. BETZ 2007, 75–81). Dann wird deutlich, dass das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern gewöhnlich von Liebe und Fürsorge getragen ist, so etwa das Verhältnis der Erzväter zu ihren Söhnen (Gen 17,18; 21,11; 22,2; 25,28). Jakob bevorzugt seinen Sohn Josef und weckt dadurch den Widerwillen seiner Brüder (Gen 37,3f.; → Bruder); als Josef ihm genommen ist, überträgt er seine Vorliebe auf Benjamin (Gen 44,18–34). Eli und Samuel setzen dem frevelhaften und eigennützigen Verhalten ihrer Söhne nur halbherzigen Widerstand entgegen (1 Sam 2,12–36 u. 8,1–5). David bleibt seinen Söhnen Amnon und Absalom auch dann noch in Liebe verbunden, als sie sich gegen ihn auflehnen (2 Sam 13,1–19,9). All dies zeigt, wie Nachgiebigkeit und übergroße Liebe die väterliche Erziehung im AT nicht selten scheitern und gerade darin human erscheinen lassen.

      8 Gott als Erzieher des Volkes

      Im AT erzieht Gott selbst sein → Volk durch die Erfahrungen der Geschichte (vgl. BETZ 2007, 324f.). Im Deuteronomium sind dies die Gründungsereignisse seiner Bundesbeziehung mit Israel in der → Wüste (Dtn 4,36; 8,5 u. 11,2). Angesichts der Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier (597/587 v. Chr.; → Babylon) stellt sich dem Volk JHWHs die Theodizeefrage. Sie findet im Gedanken an eine göttliche Erziehung des Volkes durch die geschichtlichen Ereignisse eine Antwort, die vor allem das Jeremiabuch durchzieht und wahrscheinlich aus „deuteronomistischen“ Kreisen stammt. Danach ist das Volk JHWH untreu geworden, indem es sich an fremde Völker mit ihren Göttern gewöhnt und von ihnen Übeltaten gelernt hat (Jer 2,33; 9,4.13; 10,2.8; 12,16; 13,21.23). Es hat sich seinen Untergang selbst zuzuschreiben (Jer 2,19), weil es JHWHs Zurechtweisung nicht angenommen hat (Jer 2,30; 5,3; 7,28; 17,23; 30,14; 32,33; 35,13; Zef 3,2.7). Denn vor dem drohenden Strafgericht (Ez 5,15) bewahrt das Volk nur die rechtzeitige – wenn auch maßvolle – Züchtigung durch JHWH (Jer 6,8; 10,24; 30,11; 31,18; 46,28). Eine ähnliche erzieherische Absicht verfolgt das Heiligkeitsgesetz (Lev 17–26) mit seinen abschließenden Fluchsprüchen, die immer neues Unheil ankündigen für den Fall, dass Israel sich durch frühere Züchtigungen JHWHs nicht zur Umkehr bewegen lässt (Lev 26,18.23.28). Solcherlei Erklärungen einer leidvollen Geschichte als pädagogische Maßnahmen Gottes zum Wohle seines Volkes haben bis in die hellenistisch-römische Zeit hinein offenbar nichts an Plausibilität verloren (2 Makk 6,12.16; 7,33; 10,4; Weish 11,9f.; 12,22). Spätestens mit den Ereignissen der Shoa sind sie endgültig gescheitert.

      9 Gott als Erzieher des Einzelnen

      Obwohl das Leiden Einzelner im AT nur selten mit der göttlichen Erziehungsabsicht begründet wird, haben die betreffenden Bibelworte (Hiob 5,17f.; Spr 3,11f.; Weish 3,5) oftmals zur theologischen Rechtfertigung harscher Erziehungsmethoden herhalten müssen. Erst die Aufarbeitung dieser Wirkungsgeschichte in jüngerer Zeit hat den Blick für andere Verständnismöglichkeiten der Schrifttexte freigegeben. So übersetzt z.B. die Zürcher Bibel 1931 Spr 3,11f. noch mit: „Mein Sohn, verwirf nicht die Züchtigung des Herrn und sei nicht unmutig ob seiner Strafe; denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er wie ein Vater den Sohn, dem er wohlwill.“ (Zur Kritik vgl. DELKURT 2002, 234–236.) In der neuen Ausgabe von 2007 lautet die Stelle dagegen: „Verachte nicht, mein Sohn, die Unterweisung durch den Herrn und sei nicht unwillig, wenn er dich ermahnt. Denn wen der Herr liebt, den weist er zurecht, und er ist ihm zugetan wie ein Vater dem Sohn.“ Diese Textauffassung hat einen Widerhall in den Psalmen: Wen JHWH mit → Krankheit schlägt, um ihn zu strafen und zu züchtigen, der erfährt darin nicht seine Liebe, sondern den → Zorn Gottes und seinen Grimm, auch wenn sie nicht gleich zum → Tod führen (Ps 6,2; 38,2; 39,12; 118,18). Umgekehrt passt zur Belehrung durch das Wort nicht Züchtigung, sondern Mahnung und Unterweisung (Ps 50,17; 94,12). Dem entspricht die häufige Bitte der Beter um Belehrung und Wegweisung durch JHWH (Ps 25,4f.8f.12; 27,11; 32,8; 86,11; 119,33; 143,10; vgl. 1 Kön 8,36; 2 Chr 6,27; Jes 2,3; Mi 4,2).

      10 Neues Testament

      Die neutestamentlichen Autoren stehen ganz in der Tradition hellenistisch-jüdischer Erziehungsvorstellungen (Apg 7,22; 22,3; Röm 2,20; 1 Kor 4,15; Eph 6,4) – durch das christliche Kerygma (die Verkündigung) bedingte Eigenheiten sind erst in Ansätzen zu greifen (vgl. JENTSCH 1951, 150f.). Spr 3,11f. wird in Hebr 12,4–11 zitiert und ausgelegt, dabei aber nicht mehr als Ausdruck göttlicher Erziehung (1 Kor 11,32 u. Offb 3,19), sondern als Beleg für die wahre Gotteskindschaft der Gläubigen verstanden, deren Echtheitssiegel die Leiden der gegenwärtigen Zeit sind. Wie schon in Jes 53,5 mit Blick auf den Gottesknecht wird Erziehung zum „Passionsterminus“ (BETZ 2007, 275), der auf die Geißelung Jesu (Lk 23,16.22) und auf die Leiden der Apostel (2 Kor 6,9) bezogen werden kann. Nach Paulus hatte die Tora bis zum Kommen Christi eine erzieherische Aufgabe und ist auch danach als Schrift für die theologische Bildung der Christen unabdingbar (Gal 3,21–25). Diesen Gedanken übernehmen die Pastoralbriefe (1 Tim 1,8–11 u. 2 Tim 3,16), die in der dritten christlichen Generation überhaupt ein verstärktes Interesse an Erziehungsfragen zeigen (1 Tim 1,20; 2 Tim 1,3–5 u. 2,23.25), und entwickeln ihn in der einmaligen Idee von der erzieherischen Funktion der Gnade weiter (Tit 2,12; vgl. EISELE 2012).

      11 Literatur

      BERTRAM, Georg (1954): paideuō, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament V, 586–624.

      BETZ, Dorothea (2007): Gott als Erzieher im Alten Testament. Eine semantisch-traditionsgeschichtliche Untersuchung der Begrifflichkeit jsr/musar (paideuo/paideia) mit Gott als Subjekt in den Schriften des AT, Diss. Osnabrück.

      BUSSMANN, Hadumod (42008) (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart.

      CHRISTES, Johannes (1997): Bildung, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike II, 663–673.

      DELKURT, Holger (2001): Erziehung im Alten Testament, in: Glaube und Lernen 16, 26–39.

      DELKURT, Holger (2002): Erziehung nach dem Alten Testament, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 17, 227–253.

      EISELE, Wilfried (2012): Vom „Zuchtmeister Gesetz“ zur „erziehenden Gnade“ (Gal 3,24f.; Tit 2,11f.). Religiöse Erziehung in der Paulustradition, in: Biblische Zeitschrift NF 56, 65–84.

      FINSTERBUSCH, Karin (2002): Die kollektive Identität und die Kinder. Bemerkungen zu einem Programm im Buch Deuteronomium, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 17, 99–120.

      FINSTERBUSCH, Karin (2005): Weisung für Israel. Studien zu religiösem Lehren und Lernen im Deuteronomium und in seinem Umfeld, Tübingen.

      FINSTERBUSCH, Karin (2007): JHWH als Lehrer der Menschen. Ein Beitrag zur Gottesvorstellung der hebräischen Bibel, Neukirchen-Vluyn.

      FINSTERBUSCH, Karin (2012): Deuteronomium. Eine Einführung, Göttingen.

      FUHS, Hans F. (1991): Furcht, in: Neues Bibel-Lexikon I, 713–716.

      GRETHLEIN, Christian (1999): Erziehung I, in: Religion in Geschichte und Gegenwart (4. Aufl.) II, 1505f.

      JENNI, Ernst (2004): lmd, in: Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament I, 872–875.

      JENTSCH, Werner (1951): Urchristliches Erziehungsdenken. Die Paideia Kyriu im Rahmen der hellenistischjüdischen Umwelt, Gütersloh.

      KAISER, Otto (2006):

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