Methoden in der Politikwissenschaft. Rolf Frankenberger

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Methoden in der Politikwissenschaft - Rolf Frankenberger

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wird schon eine Antwort nahegelegt. Zudem fällt es aufgrund der Ja-Sage-Tendenz (Akquieszenz) unabhängig vom Inhalt der Frage leichter, zuzustimmen als zu widersprechen. Darüber hinaus würde bei dieser Frage hinzukommen, dass der Begriff der Demokratie wenig präzise ist. Die Frage erscheint zwar recht eindeutig, aber es ist nicht nachvollziehbar, auf was sich die Antwort bezieht. Das könnte die Idee der Demokratie oder die Demokratie in Deutschland sein. Präziser wäre es also, die Frage aufzuteilen und wie in den meisten Umfragen üblich nach der Zustimmung zur Idee der Demokratie, zur Verankerung im Grundgesetz und zur praktischen Umsetzung in Deutschland zu fragen. Von zentraler Bedeutung ist es jedenfalls, die eigene Vorgehensweise, verwendete Messinstrumente – in diesem Fall einen Fragebogen – und auch die Auswertungsweisen offenzulegen. Erst dann kann sich die geneigte Öffentlichkeit ein Bild von den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie machen.

      Verortung von Begriffen, Konzepten und Methoden in wissenschaftlichen Strömungen oder Schulen. Wissenschaft ist kein einheitlicher Block. Gerade in den Sozialwissenschaften gibt es verschiedene wissenschaftliche Schulen und Strömungen, die zum Teil von sehr unterschiedlichen Grundannahmen (Prämissen) über die Beschaffenheit der Welt und des Seins (Ontologie) sowie die Beschaffenheit von Wissen und der Möglichkeit, Erkenntnis zu gewinnen (Epistemologie), ausgehen. Diese Grundannahmen muss man kennen, um wissenschaftliche Studien und deren Befunde einordnen zu können. Erstens geht es dabei um die Bedeutung der wissenschaftlichen Strömung im jeweiligen Fach: Gilt sie als allgemein anerkannt und etabliert oder ist sie randständig und umstritten? Zweitens geht es um die Forschungsperspektive und die verwendeten Begriffe. Denn unterschiedliche Schulen entwickeln auch unterschiedliche Fachsprachen, um denselben Untersuchungsgegenstand zu beschreiben und zu analysieren. So würde beispielsweise eine an der Systemtheorie von Niklas Luhmann (1984) oder Talcott Parsons (1972) orientierte Politikwissenschaftlerin das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft aus dem Blickwinkel der funktionalen Differenzierung betrachten. Funktionale Differenzierung bedeutet, dass sich in Gesellschaften bestimmte Teilsysteme ausbilden, die Aufgaben für die Gesellschaft als Ganze erfüllen. Wirtschaft ist für die Umwandlung der Natur in Güter und Politik ist für das Fällen verbindlicher Entscheidungen zuständig. Beide funktionieren nach unterschiedlichen Logiken (Effizienz bei der Umwandlung vs. Effektivität bei der Durchsetzung) mit unterschiedlichen Währungen (Geld vs. Macht). Sie würde sich dann für die konkrete Ausgestaltung der Systeme und deren Austausch miteinander interessieren. Ein an Karl Marx (1867) orientierter Politikwissenschaftler würde das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft dagegen als ein Verhältnis von Basis und Überbau analysieren und in der Politik vor allem die Verfestigung oder Institutionalisierung gesellschaftlicher Eigentumsverhältnisse sehen. Politik ist in diesem Verständnis eine Folgeerscheinung der materiellen Verhältnisse und kann nicht als eigenständige Sphäre analysiert werden. Es sind sowohl Vorannahmen und Vokabular als auch Erkenntnisinteressen der beiden Forscher:innen unterschiedlich. Und dennoch untersuchen sie beide den gleichen Gegenstand – das Verhältnis von Politik und Wirtschaft – und können beide zu gültigen Ergebnissen gelangen.

      Zusammengenommen bilden diese drei Kriterien die Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten, denn »Wissenschaft steht und fällt damit, dass ihre Aussagen mitteilbar, nachvollziehbar und zugleich kritisierbar sind« (Mols 2019, 25). Darüber hinaus ist es auch Aufgabe der Wissenschaft, »ihre Aussagen in einen systematischen Zusammenhang [zu bringen], der Einzeltatsachen zu ordnen hilft, sie in übergreifende Aussagen genereller Natur stellt und möglichst zu Erklärungen, d. h. zu verallgemeinernden Begründungsableitungen, vorstößt« (ebd.).

      Wissenschaft als menschliche Tätigkeit dient also nicht dazu, nur einen einzelnen Fall zu untersuchen, zu verstehen oder zu erklären. Sondern sie will darüber hinaus möglichst Gesetzmäßigkeiten etablieren, also allgemein oder zumindest für eine Gruppe von Ereignissen oder Fällen geltende Erkenntnisse. Es geht um die systematische und regelgeleitete Herstellung genereller Aussagen über die Wirklichkeit (Alemann/Forndran 1995, 44), die gerade aufgrund dieser empirisch und logisch abgesicherten Generalität zuverlässigere Aussagen über die Wirklichkeit ermöglichen als der »gesunde Menschenverstand« (vgl. Patzelt 2001, 69).

      Wissenschaft verfolgt also das Ziel, die Realität nach einem System von Regeln nachprüfbar in einem geschlossenen Modell zu rekonstruieren (Kriterium der Wahrheit). Darüber hinaus sollen die Ergebnisse und Befunde von Wissenschaft auch dazu dienen, das Leben der Menschen rationaler und humaner zu machen (Kriterium der Nützlichkeit). Wissenschaft verfolgt also nicht nur einen Selbstzweck, sondern soll den Menschen zugutekommen. Das ist auch ein Hauptgrund, warum man bei der Erzeugung von Erkenntnis besondere Sorgfalt walten lassen und die Ergebnisse von Forschung gründlich prüfen sollte.

      Je komplexer der Forschungsgegenstand, desto schwieriger ist auch das Herstellen möglichst genereller, empirisch und logisch wahrer Aussagen. Wenn es beispielsweise darum geht, den Wahlerfolg einer neuen Partei zu erklären, dann könnte eine alltägliche Erklärung von Wähler:innen sein, dass »die halt endlich mal sagen, was wirklich los ist« und die Menschen die Partei deshalb wählen. Aus wissenschaftlicher Perspektive könnte man dasselbe Phänomen zum Beispiel darüber erklären, dass eine Lücke zwischen den von den bisher erfolgreichen (sprich: im Parlament vertretenen) Parteien bearbeiteten Themen und den von den Wähler:innen als wichtig erachteten Fragen entstanden ist, die sogenannte Repräsentationslücke (vgl. Jun 2011). Neue Parteien können dann erfolgreich sein, wenn sie diese thematische Lücke besetzen. Um die Annahme zu überprüfen, müsste man nun erstens nachweisen, dass eine solche Lücke überhaupt bestanden hat, zweitens, dass die neue Partei diese Lücke besetzt hat, und drittens, dass die Partei auch aufgrund dieser thematischen Ausrichtung gewählt wurde. Dazu könnte man in einem ersten Schritt die Parteiprogramme der bisher erfolgreichen Parteien analysieren und die dort bearbeiteten Themen mit einer Wähler:innenumfrage zu wichtigen politischen Problemen abgleichen. Nur wenn dort tatsächlich Themen der Wähler:innen nicht besetzt sind (z. B. Frieden und Ökologie in den 1980er Jahren oder Nationalismus und Wohlstandschauvinismus in den späten 2010er Jahren), besteht überhaupt eine Lücke, in die Parteien stoßen können. In einem zweiten Schritt muss dann das Parteiprogramm der neuen erfolgreichen Partei analysiert werden. Nur wenn die von den anderen Parteien nicht aufgegriffenen, aber von einem ausreichend großen Teil der Wähler:innen betonten Themen dort vorkommen, können sie eine mögliche Erklärung für den Erfolg liefern. Um zu prüfen, ob dies und nicht andere Gründe – z. B. eine charismatische Parteivorsitzende – zur Wahlentscheidung geführt hat, müssten wiederum Wähler:innen befragt werden nach den Gründen für ihre Entscheidung. Wenn sich auch hier zeigt, dass die Themen tatsächlich ausschlaggebend waren, kann man davon sprechen, dass die These der Repräsentationslücke als Erklärung dient. Um zu einer generellen Aussage oder einer Gesetzmäßigkeit zu gelangen, muss dies an so vielen weiteren Fällen wie möglich geprüft werden.

      Das Beispiel zeigt auch, dass man für das Treffen von generellen Aussagen eine Reihe von Hilfsmitteln benötigt. Zunächst einmal formuliert man Annahmen über die Zusammenhänge von Ereignissen. Diese können auf dem gesunden Menschenverstand beruhen oder aus schon bestehenden Erkenntnissen oder Theorien abgeleitet werden. Ist letzteres der Fall, dann nennt man sie Hypothesen. Um die Annahmen oder Hypothesen zu überprüfen, müssen die verwendeten Konzepte in untersuchbare Größen umgewandelt werden (Operationalisierung) und dann mithilfe eines daraus entstandenen Messinstruments (Methode) in der Wirklichkeit untersucht werden (Messung). Dies wird weiter unten in Kap. 2.2.6 nochmals ausführlich behandelt.

      Grundsätzlich lassen sich aus all diesen Überlegungen mehrere Fragen ableiten, die man an wissenschaftliche Studien stellen kann und muss, um herauszufinden, ob sie vertrauenswürdig sind:

      • Sind die verwendeten Begriffe genau definiert?

      • Werden die Vorgehensweisen offengelegt?

      • Werden die Methoden korrekt angewendet?

      • Werden Grundannahmen der Forschung dargelegt?

      • Werden die Studie und ihre Ergebnisse in die breitere Forschungslandschaft eingebettet?

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