Methoden in der Politikwissenschaft. Rolf Frankenberger
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Dabei können sprachwissenschaftliche Konzepte aus der Semantik (der Wissenschaft von der Bedeutung der Zeichen) hilfreich sein. In der Bedeutungstheorie wird bei sprachlichen Ausdrücken unterschieden zwischen der Intension (Bedeutung) und der Extension (dem Bezug oder Referenten).
Als Intension bezeichnet man den Sinn des Ausdrucks. Der Sinn oder die Bedeutung ist das, was man beim Verstehen des Ausdrucks erfasst. Wenn man den Ausdruck ›Staat‹ hört, so wird man damit eine Vorstellung verbinden, z. B. die Grenzen oder die Organisationsform eines Staates. Wenn der Ausdruck ›Demokratie‹ fällt, kann man z. B. Wahlen damit verbinden oder Meinungsfreiheit. Je genauer man selbst festlegt, was man unter einem Ausdruck versteht, desto exakter ist Kommunikation möglich.
Da Bedeutung und Bezug eines Ausdrucks nicht das Gleiche sind, unterscheidet man von der Intension die Extension. Damit ist der Gegenstand oder die Gruppe von Gegenständen gemeint, auf die sich ein Ausdruck bezieht, die der Ausdruck benennt. Verschiedene Wörter oder Ausdrücke können denselben Bezug haben, z. B. wäre Deutschland ein Referent für die Ausdrücke ›Staat‹ und ›Demokratie‹. Allerdings können zwei Ausdrücke nicht dieselbe Bedeutung und gleichzeitig einen verschiedenen Bezug haben. »Denn der Bezug ist eine Funktion der Bedeutung. Wenn die Bedeutung feststeht, dann ist auch der Bezug eindeutig bestimmt« (Føllesdal u. a. 1988, 217), da der entsprechende Referent die Bedeutungsinhalte aufweisen muss, die in der Intension formuliert sind. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Das heutige Belarus kann nicht eine Demokratie sein, wenn der Bedeutungsgehalt von ›Demokratie‹ freie, faire und gleiche Wahlen umfasst. Diese Beziehung lässt sich grafisch im sogenannten Ogden’schen Dreieck ausdrücken (
Abb. 3: Odgen’sches Dreieck (Quelle: eigene Darstellung nach Føllesdal u. a. 1988, 217).
2.2.1 Begriffe
Solche in ihrer Intension festgelegten Ausdrücke nennt man auch Begriffe. Begriffe können definiert werden als »Denkeinheiten, deren zunächst subjektiver Charakter dadurch objektiviert, d. h. intersubjektiv vermittelbar gemacht werden kann, dass andere Individuen mit einer solchen Denkeinheit den gleichen Inhalt wissentlich verbinden« (Dreier 1997,117; vgl. Sartori 1975, 13; 1984, 27). Mit Dreier (1997, 130) können drei Typen wissenschaftlicher Begriffe identifiziert werden, die sich hinsichtlich ihres Informationsgehalts unterscheiden.2
1. Klassifikatorische Begriffe (qualitative Begriffe) dienen der Erfassung von Unterschieden. Es werden Kriterien festgelegt, nach denen alle untersuchten Fälle in zwei oder mehrere Klassen eingeteilt werden können. Dabei müssen die Klassen begrifflich so definiert werden, dass sie wechselseitig ausschließlich und erschöpfend sind. D. h., ein Fall kann lediglich in eine Klasse fallen und alle Fälle können einer Klasse zugeordnet werden. Beim italienischen Politikwissenschaftler Giovanni Sartori heißt das dann »mutually exclusive« und »empirically exhaustive« und stellt eine zentrale Bewertungsgrundlage für Klassifikationssysteme dar. Ein Beispiel für eine Klassifikation von Elementen wäre die Unterscheidung von Besitzklassen in Arm und Reich oder von politischen Regimen in Demokratie und Diktatur.
2. Komparative Begriffe oder Ordnungsbegriffe setzen Eigenschaften von Fällen zueinander in Bezug. Sie ermöglichen damit eine feinere Unterscheidung und genauere Beschreibung. Die Vergleichsgrößen wären dann ärmer oder reicher in Bezug auf Besitz bzw. demokratischer und weniger demokratisch bei politischen Regimen. Dabei gilt, dass komparative Begriffe in einer strengen Ordnung zueinanderstehen. Dazu müssen die Bedingungen der Irreflexivität (ein Element kann nicht mit sich selbst in einer Relation stehen: Deutschland ist demokratischer als Deutschland), der Asymmetrie (Deutschland ist demokratischer als Kasachstan; damit ist ausgeschlossen, dass Kasachstan demokratischer ist als Deutschland) und der Transitivität (Deutschland ist demokratischer als die Türkei. Die Türkei ist demokratischer als Kasachstan; das bedeutet auch, dass Deutschland demokratischer ist als Kasachstan) erfüllt sein.
3. Sogenannte metrische Begriffe setzen die Fälle in eine strenge Ordnung zueinander und erlauben Aussagen über die Abstände zwischen den Fällen. Dazu würde man beispielsweise Besitz in Euro messen und könnte damit die Abstände in genauen Beträgen angeben. Es sind also mehr Informationen in den Begriffen enthalten, die dann auch mehr und exaktere Aussagen über Zusammenhänge zwischen Begriffen und deren verschiedenen Ausprägungen bei den Fällen erlauben (A besitzt 100 €, während B nur 50 € besitzt. A ist daher nicht nur reicher, sondern um 50 € reicher als B, und damit doppelt so reich wie B.)
Für die Formulierung von Theorien über die Wirklichkeit und für wissenschaftliche Analysen ist es hilfreich, Begriffe mit möglichst hohem Informationsgehalt zu formulieren, da dadurch auch mehr und genauere Aussagen über die Wirklichkeit möglich sind. Dass das gerade in der Politikwissenschaft nicht so einfach ist, können wir wieder am Beispiel des Begriffs Demokratie sehen: Dieser ist zunächst ein klassifikatorischer Begriff und wird erst komparativ, wenn man den Begriff erweitert um das Kriterium des Verwirklichungsgrads. Ein metrischer Begriff wird er kaum werden können, denn auf welcher Basis können wir formulieren, welches Land doppelt so demokratisch ist wie ein anderes?
2.2.2 Definitionen
Wenn man Begriffen eine exakte Bedeutung zumisst, dann definiert man sie. Dabei beruht eine Definition immer auf sprachlichen Konventionen und kann daher nicht empirisch richtig oder falsch sein. Sie kann lediglich für einen Forschungsprozess nützlich oder nutzlos sein. Das erklärt einerseits, warum es von vielen Begriffen mehr als eine Definition gibt. Es wirft aber auch eine grundlegende Problematik der Wissenschaft auf. Denn wenn man verallgemeinerbares Wissen anstrebt, ist es wenig sinnvoll, immer und für jeden Begriff eine eigene Definition zu verwenden, die jedes Mal erläutert werden muss und den Vergleich mit anderen Forschungsergebnissen erschwert. Eine genaue Kenntnis des Forschungsfeldes und der verwendeten Begrifflichkeiten ist daher von zentraler Bedeutung, um nicht dem Fehler der geistigen »Provinzialität« (vgl. Sartori 1994) aufzusitzen. Es ist vorzuziehen, eine etablierte Definition zu verwenden, anstatt eine neue zu formulieren. Das ist nur dann sinnvoll, wenn man gut zu begründende Einwände gegen eine Definition hat, etwa weil deren Intension zu eng oder zu weit ist oder sie nur schlecht in messbare Größen übersetzt werden kann.
Definitionen können unterschiedliche Formen annehmen, wobei diese in unterschiedlichem Maße direkt für eine empirische Erfassung der Intension geeignet sind (vgl. Dreier 1997, 142–144). Nominaldefinitionen legen die Intension eines Begriffs dadurch fest, dass sie ihn mit einem anderen, schon bekannten Begriff oder mehreren Begriffen gleichsetzen. So könnte man Demokratie mit Joseph Schumpeter als den Wettbewerb zwischen Eliten um Stimmen bei Wahlen definieren. Bei Nominaldefinitionen müssen Intension und Extension gleichbleiben, wenn wir den zu definierenden Ausdruck mit dem definierenden Ausdruck vertauschen. Zudem dürfen durch die Definition keine neuen Informationen bezüglich des definierenden Ausdrucks hinzukommen.
Realdefinitionen