Methoden in der Politikwissenschaft. Rolf Frankenberger
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Operationaldefinitionen sind im Sinne empirischer Forschung die hilfreichste, aber auch anspruchsvollste Form von Definitionen. Sie legen die Intension eines Begriffs darüber fest, dass sie angeben, wie der definierte Begriff empirisch erfasst werden kann. Es werden also die einzelnen Schritte angegeben, die notwendig sind, um das Vorliegen des damit bezeichneten Phänomens zu messen. Eine Operationaldefinition des Begriffs politische Wahlen würde beispielsweise umfassen, dass es eine Wahloption bei der Bestimmung der politischen Vertreter:innen geben muss (gemessen durch die Anzahl der Kandidat:innen auf einem Stimmzettel), dass die Stimmberechtigten (gemessen an Staatsbürgerschaft und Alter) über diese Kandidat:innen abstimmen dürfen (gemessen an der Möglichkeit, diese Stimmzettel in einem Wahllokal auszufüllen und abzugeben) und dass die Ergebnisse dieser Abstimmung zur Auswahl der politischen Vertreter:innen verwendet wird (gemessen an der Anzahl der abgegebene Stimmen für die Kandidat:innen). Diese Definition bedürfte noch weiterer Präzisierung, zeigt jedoch bereits den Aufwand der Formulierung.
2.2.3 Variablen
Der Begriff Variable wird definiert als »begrifflich definiertes Merkmal von Objekten beliebiger Art, die mindestens zwei Merkmalsausprägungen haben, welche eine Mengenzerlegung (Klasseneinteilung) des gemeinten Objektbereichs darstellen« (Dreier 1997, 134). Der Begriff ›politisches Regime‹ ist beispielsweise eine Variable, die die Ausprägungen ›Demokratie‹ und ›Diktatur‹ annehmen kann. Je nach gemessener Ausprägung lassen sich Länder der einen oder anderen Klasse zuteilen. Analog zu der bereits eingeführten Unterscheidung von Begriffen lassen sich Variablen in klassifikatorische, komparative und metrische Variablen unterscheiden (
Darüber hinaus können Variablen unterschieden werden nach (vgl. Westle 2009, 78):
• Art und Anzahl der Ausprägungen: Gibt es zwei separate Ausprägungen, spricht man von dichotomen, diskreten Variablen (Demokratie: ja/nein), bei mehreren separaten Ausprägungen von polytomen Variablen (Demokratietyp: präsidentiell, semipräsidentiell, parlamentarisch, direkt) und bei beliebig vielen stetigen Ausprägungen von kontinuierlichen Variablen (Einkommen, Gewicht).
• Beobachtungsstatus: Variablen können manifest oder latent, also direkt oder nur indirekt messbar sein (Einkommen vs. Vermögen). Wenn eine Variable latent ist, so wird man messbare Variablen definieren müssen, über die die Ausprägungen dieser latenten Variablen erfassbar sind. Dies sind sogenannte Indikatoren, die das Vorliegen und die jeweilige Ausprägung einer Variablen anzeigen.
• Status: Variablen können sich auf ein Merkmal eines Falles beziehen (absolut: Wahlbeteiligung) oder auf ein Verhältnis zwischen Fällen (relational: Macht).
• Merkmalsebene: Variablen können sich auf individuelle oder kollektive Merkmale beziehen (Wahlentscheidung vs. Höhe der Wahlbeteiligung).
Verwendet man eine Variable, um Fälle zu unterscheiden, erstellt man eine Klassifikation. Werden mehrere Variablen und damit Merkmalskombinationen verwendet, um Fälle zu unterscheiden, dann spricht man von einer Typologie. Gerade theoretische Begriffe wie Demokratie werden in der Regel über solche Typologien abgebildet. Es handelt sich also um Merkmalsbündel, die neue Variablen bilden. Ein Beispiel für eine einfache Typologie mit zwei Variablen ist die Kombination der dichotomen Variablen politische Aktivität und Parteimitgliedschaft zu einer Typologie politischer Partizipation (
Prinzipiell können beliebige Variablen miteinander kombiniert werden. Diese müssen nicht dichotom, sollten aber diskret sein, also eine zählbare Anzahl von Werten aufweisen. Stetige Variablen können durch die Einführung von Schwellenwerten in diskrete Variablen (z. B. Einkommen: niedrig, mittel, hoch) umgewandelt werden. Denn sonst wird es schwierig, die Kriterien der Ausschließlichkeit und der Umfänglichkeit zu erfüllen, die für die Bildung von Typologien und Klassifizierungen zentral sind (vgl. Sartori 1970). Es können auch mehr als zwei Variablen zu einer Typologie verbunden werden, was allerdings in der Darstellung und in der Kombinatorik schnell recht komplex werden kann.
Tab. 1: Eine einfache Typologie politischer Partizipation
Quelle: Schnell u. a. 1995, 349.
Aber wie wählt man passende Variablen für eine solche Typologiebildung aus? Dies sollte immer auf theoretischen Überlegungen beruhen. So ist es beispielsweise wenig sinnvoll, die Variablen Wahlen (ja/nein) und Zugang zum Meer (ja/nein) zu einer Typologie politischer Herrschaft zu kombinieren. Die Kombination von Wahlen und Rechtsstaatlichkeit hingegen führt zu einer sinnvollen Typologie. Staaten mit Rechtsstaatlichkeit und Wahlen würde man als liberale Demokratie, Staaten ohne beides als totalitäre Diktatur bezeichnen. Interessant sind zudem die beiden anderen Kombinationsmöglichkeiten: Wahlen ohne Rechtsstaatlichkeit (illiberales elektorales Regime) und Rechtsstaatlichkeit ohne Wahlen (Diktatur des Rechts), die sich in ihrer Funktionslogik deutlich von den anderen Typen unterscheiden.
2.2.4 Aussagen
Exakt definierte Begriffe ermöglichen nicht nur die Verständigung über ein zu untersuchendes Phänomen, sie ermöglichen es auch, zwei oder mehrere Phänomene zueinander in Beziehung zu setzen, indem sie durch sprachlichen Äußerungen nach den Regeln der Logik miteinander verbunden werden. Meist werden hier Variablen zueinander in Bezug gesetzt. Solche Aussagen ermöglichen es, Behauptungen über die mit den Begriffen erfassten Phänomene aufzustellen (vgl. Dreier 1997, 145). Aussagen bilden die Grundelemente von Theorien und von empirischer Wissenschaft, denn sie können an der Wirklichkeit überprüft werden. Sie können sich in empirischen Untersuchungen als wahr oder falsch erweisen (was für Begriffe nicht gilt).
Dabei kann zwischen sehr konkreten Aussagen bezüglich einzelner Fälle (singuläre Aussagen) und solchen Aussagen, die sich auf eine Gruppe identischer Fälle beziehen (Allaussagen) unterschieden werden. Eine singuläre Aussage wäre etwa: »Deutschland ist eine Demokratie«. Eine Allaussage wäre: »Alle Länder sind Demokratien«. Die erste Aussage ist durch eine Fallstudie relativ leicht zu prüfen, wenn Demokratie entsprechend definiert wird. Die zweite Aussage ist deutlich schwerer zu prüfen, da man sich alle Länder genau ansehen müsste. Komplizierter wird es, wenn bei Allaussagen verschiedene Phänomene verknüpft werden, etwa »Reichtum führt zu Demokratie« oder »Je reicher ein Land, desto wahrscheinlicher ist es demokratisch«. Aussagen müssen zudem logisch widerspruchsfrei sein. Wenn sie empirisch überprüfbar sein sollen, dann müssen sie zudem beobachtbare Merkmale enthalten, die sie der Überprüfung zugänglich machen. Eine solche empirische Aussage ist dann wahr, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
2.2.5 Hypothesen
Noch unbewiesene Aussagen, die Behauptungen über die Wirklichkeit und Zusammenhänge zwischen Phänomenen in der Wirklichkeit beinhalten, werden als Hypothesen bezeichnet (vgl. Kromrey 2009, 42). Sie formulieren allgemeine Erwartungen über ein oder mehrere Ereignisse: Zusammenhänge, Veränderungen, Unterschiede. Sie sind die »Übersetzung des Forschungsproblems bzw. der Forschungsfrage in empirisch prüfbare Gebilde« (Dreier 1997, 360) und damit immer auch schon eine vorläufige Antwort auf die Forschungsfrage. Hält eine Hypothese der Prüfung stand, so gilt sie als