Aus dem Leben listiger Großmütter. Ludwig Bröcker
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„Omi, wenn wir das heute nicht hinkriegen, ist die Wohnung futsch. Das würde ich dir nie verzeihen, und du willst doch sicher für immer meine allerliebste Omi sein.“
„Ja, ja, ich geh ja schon.“
„Zur Bank?“
„Natürlich zur Bank, aber da wird es ein wenig dauern.“
Puh, stöhnte Lisbeth, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, aber alles in allem fand sie, dass sie ihre Rolle gut gespielt hatte. Übrigens war auch die Gegenseite äußerst zufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs. Wieder meldete sich das Telefon.
„Hallo.“
„Hallo Omi, Ich wollte dir nur noch gute Verrichtung wünschen.“
„Ist ja gut, ich bin ja schon fast auf dem Weg. Ich muss mich nur noch etwas zurechtmachen. Meine Haare vor allem. Die Unterlagen liegen schon bereit.“
Sie hatte keine Unterlagen rausgesucht, sondern nur ihrem Sekretär, neben einem Glasschrank mit Restbeständen von Meißener Porzellan das einzige Erbstück aus dem Haushalt ihrer Eltern, einen größeren weißen Umschlag entnommen. Damit ging sie in die Küche, holte aus einer unteren Schublade eine Rolle Butterbrotpapier, und schnitt daraus viele rechteckige Blätter, die in ihrer Größe etwa einem 500-Euro Schein gleichkamen. Genau wusste sie es nicht, denn sie hatte noch nie solche Scheine in der Hand gehabt. Die Blätter steckte sie in den Umschlag und den Umschlag in eine leichte Tasche. Dann warf sie sich eine Steppjacke über, vergewisserte sich, dass sie ihr Handy dabeihatte, und verließ sieben Minuten nach dem letzten Anruf, nämlich gegen 14.15 Uhr das Haus.
Die kleine Pforte zwischen ihrem Vorgarten und dem Gehsteig ließ sie unverschlossen.
2.
Für Ende Oktober war es ein verhältnismäßig warmer und zugleich sehr windiger Nachmittag. Allenthalben wirbelte trockenes Laub über ihren Weg, tanzende Blätter, die bald im Schlund eines erbarmungslosen Laubsaugers verschwinden würden, vorzugsweise morgens um viertel vor sieben.
Zur Sparkasse war es nicht weit, erst ging es nach links bis zur nächsten Kreuzung. Die Straße, an der sie seit vielen Jahrzehnten lebte, kam ihr seltsam fremd vor, wie aus Potemkinschen Fassaden und dahinter keine Stuben. Saß da jemand in einem der parkenden Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der sich mit bösen Blicken an ihre Schritte heftete?
Lisbeth bemühte sich, möglichst unauffällig alle Seiten im Auge zu behalten, bemerkte aber nichts. Sie bog rechts ab, und schon an der nächsten Kreuzung zeigte ein deutliches Stoppschild die Hauptstraße an. Lisbeth ging darauf zu: Wo sind die gierigen Augen, die sich an mir festkrallen? Auf der Hauptstraße ging es wieder nach links, zwei Blocks weiter war schon das Schild mit dem großen S zu sehen. Hier waren viel mehr Leute unterwegs, Frauen, Männer, junge Mädchen, zu zweit oder dritt, die einen schlenderten zwanglos dahin, die anderen setzten ihre Schritte gezielt im Bewusstsein des Schaukelns ihrer Hüften. Kinder immer in Bewegung, meist auf irgendeinem Fahrzeug, aber die musste sie nicht beachten.
Manche waren irritiert, wenn sie die geradewegs anstarrte, und das war ihr wiederum peinlich. Und da ein Blick, der sie wohlig berührte, ein Kopf mit roten Haaren. Ach, das ist ja Uschi, ihre Freundin von „schräg gegenüber“. Sie umarmten sich kurz. „Ich hab dich schon lange gesehen, aber du guckst überall hin, nur nicht geradeaus“, sagte Uschi. „Ja, ja du, ich muss ganz schnell weiter und noch allerlei erledigen, ich ruf dich nachher an.“
Für einen Moment hatte sie daran gedacht, ob sie sich Uschi anvertrauen sollte, denn Uschi war lustig, immer für einen Spaß zu haben, aber geschwätzig, sofort würde auch Oskar, ihr Mann, Bescheid wissen. Oskar, von dem sie meinte, er sei total lieb und zuverlässig, aber ein engagierter Langweiler.
Vorbei ging es an einem Döner- Stand, vor dem einige Typen, darunter zwei Frauen, abhingen, wie sich ihre Enkel auszudrücken pflegten, mit und ohne Migrationshintergrund. Sie ließen die fleischigen Arme baumeln, damit alle ihre Tattoos bewundern könnten.
Vor der Änderungsschneiderei fiel Lisbeth ein, dass sie da auch noch was liegen hatte. Später, dachte sie, auch den Bäcker passierte sie und den Friseur, den sie nur einmal und dann nie wieder aufgesucht hatte. Überall Menschen, aber keiner besonders auffällig.
Kurz hinter der nächsten Kreuzung sah sie schon die Tische, auf denen Berge von Obst und Gemüse balancierten, Weintrauben, Äpfel, Birnen, Apfelsinen, Mandarinen, Bananen und allerlei Exoten neben Paprika, Kürbissen, Gurken, Kohl, Salatköpfen und natürlich Tomaten über Tomaten. Dazwischen stand Ahmed, bediente die Waage und grüßte höflich. Auch die beiden bildhübschen Töchter waren fleißig, eine mit und eine ohne Kopftuch. Lisbeth fragte sich, ob die Mädchen nach 25 Jahren wohl aussähen wie ihre Mutter, die hinten im Laden rundlich und schwarz verhüllt an der Kasse waltete. Hier war keine Gefahr, keine Dealer, keine Vettern, die schwarz arbeiten und Sozialhilfe einstreichen, niemand, der für seinen Präsidenten Schnüffeldienste leistet.
Vor der Sparkasse kam noch ein Bäcker. Über vier Stehtischen vier unauffällige Gesichter, an den Kaffeetassen Finger, die möglicherweise gleich ein Handy aus der Tasche ziehen, und darein wird geflüstert: „Sie betritt die Sparkasse.“
Die Eingangstür schob sich zur Seite. Einige von den verschiedenen Automaten wurden von Kunden bedient oder auch nur scheinbar bedient. Es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden. Außerdem gab es in dem Raum noch einen kleinen Informationsstand und dazu eine junge Frau, die Lisbeth anlächelte, und das Lächeln erwidernd (man kannte sich flüchtig) bat Lisbeth um eine kurze Beratung, einen Immobilienkauf betreffend, worauf die angehende Bankerin sie in einen Nachbarraum führte und darum bat, noch einen Moment auf einem geräumigen Sofa Platz zu nehmen.
Nach etwa zehn Minuten zeigte sich ein Chef oder stellvertretender Chef oder was auch immer, jedenfalls, Lisbeth kannte ihn nicht und umgekehrt galt wohl das gleiche. Sie entschuldigte sich vielmals, sie hätte es sich doch anders überlegt, sie würde grad noch einen Wagen bestellen und seine wertvolle Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Dann ging sie wieder in den Schalterraum, stellte sich zum Informationsstand und begann eine kleine Konversation, es gab ja genug zu besprechen, das Wetter, den Wind, das liebe Geld, dass in zwei Monaten schon wieder Weihnachten wäre…
Den weißen Umschlag hatte sie jetzt so in die Tasche gesteckt, dass eine Ecke herausschaute. Dabei hielt sie jeden, der die Bank betrat, scharf im Auge.
Sie bemerkte das Taxi, rief noch „Tschüs“, und war erstaunlich schnell zur Tür hinaus, mit wenigen Schritten über den Gehsteig und im Auto gelandet. Der Fahrer, ein junger Mann, hatte die Tür mit langem Arm schon etwas offengehalten. Hätte Lisbeth sich altersgemäß bewegt, wäre er sicher ausgestiegen, und hätte in aller Form die offene Tür gehalten und hinter ihr geschlossen, aber jetzt sagte er nur: „Sie haben es aber eilig, haben sie gerade die Sparkasse ausgeräumt?“ „Na klar“, flüsterte sie und nannte ihre Adresse.
Als der Fahrer ob der kurzen Distanz sein Erstaunen ausdrückte, murmelte sie noch etwas von Blase am Fuß, schrecklichen Schmerzen, sofort Schuhe loswerden. Auf dem kurzen Weg hatte sie schon 10 Euro zurechtgelegt, und verließ vor ihrem Haus, ohne das Wechselgeld abzuwarten, das Taxi genauso schnell, wie sie zugestiegen war.
Zuhause angekommen, musste sie sich erst einmal setzen und ein wenig durchatmen. Was war zu tun? Die 110 wählen und erklären was passiert ist. Dann kommt vielleicht ein Streifenwagen, und schon haben sich die Ganoven verflüchtigt, zwar ohne Geld, aber leider auch in Freiheit. Alles wäre einfach, wenn sich zwei Beamte schon in der Wohnung verschanzt hätten. Dann käme der vermeintliche Notar an die