Aus dem Leben listiger Großmütter. Ludwig Bröcker
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Читать онлайн книгу Aus dem Leben listiger Großmütter - Ludwig Bröcker страница 6
„Mann, Mann, Mann!“
„Dann wollte ich die Polizei anrufen, damit diese Person geschnappt wird, und in dem Moment ruft Lena an, unsere richtige liebe Lena.“
„Ach, so ist das! Sollen wir vorbeikommen? Die ganze Aufregung ! Schaffst du das?“
Lisbeth war froh, dass Justus mit Familie in Hannover wohnte und nicht mehr in Münster, denn aus Münster wäre er sicher gekommen. So viel Unwahres hatte sie ja nicht erzählt, aber umso mehr Wahres verschwiegen. Sie sagte:
„Ich komm schon zurecht, ich geh gleich zu Uschi und Oskar rüber, um den Schrecken zu verdauen, aber bitte, tue mir einen Gefallen, ruf Lena an und erklär ihre alles. Ich melde mich später bei ihr. Noch bin ich zu aufgewühlt.“
Lisbeth ging leise zur Kellertreppe, lauschte und hörte das Geräusch vom Urinieren und Flatulieren, das ja im Allgemeinen nicht den Wohlklängen zuzuordnen ist, aber in diesem Fall löste es bei ihr ein Gefühl von etwas mehr Sicherheit aus. Dann ging sie beherzt hinunter, vorbei am Gefängnis, und rief:
„Ich mache jetzt meine Wäsche“, das Wort Wäsche beinahe singend wie eine kleine Terz: f-d, und verschwand im anderen Kellerraum.
Nach einer Weile näherte Lisbeth sich wieder der eisernen Tür, einen Korb mit trockener und gebügelter Wäsche haltend. Der Gefangene, der offenbar gelauscht hatte, um irgendetwas für seine Situation Zweckdienliches zu erfahren, hatte aber keinen Plan entwickelt und fing von Neuem an:
„Wie soll das weitergehen? Lassen sie mich hier raus! Das werden sie noch bereuen.“
„ Ich kann sie nicht rauslassen. Sie würden mich niederschlagen, foltern, ausrauben oder was weiß ich.“
„Ich verspreche Ihnen, dass ich das nicht tue.“
„Auf das Versprechen eines Enkeltrick-Betrügers kann ich nichts geben. Nebenbei, wenn sie draußen sind, werden sie gejagt von ihren Komplizen. Die werden auf sie einprügeln, und sie liegen auf dem Boden und jaulen: „Da war kein Geld, da war kein Geld.“
„Das lassen sie mal meine Sorge sein.“
Lisbeth wunderte sich, dass der Mann mehr und mehr mit einer jugendlichen Stimme sprach, wie ein zwanzigjähriger. Schließlich sagte sie: „Ich mache ihnen einen Vorschlag: Ich verlasse das Haus und rufe nach zehn Minuten die Polizei. In der Zwischenzeit nehmen sie ihre Kanone, schießen die Tür auf und verschwinden. So ein spektakuläres Ding würde sicher groß in der Zeitung stehen, und ihre Komplizen müssten ihnen glauben. Ob sie danach noch an irgendeinem Ding beteiligt werden, ist natürlich fraglich.“
Darauf schleppte Lisbeth den Wäschekorb nach oben, stellte ihn ab und verließ das Haus. Vor die Haustür legte sie ein Stöckchen. Dann ging sie rüber zu Uschi und Oskar.
4.
Uschi merkte sofort, dass ihre Freundin nervös war, etwas hastig in ihren Bewegungen und unkonzentriert beim Gespräch. Dann wollte Oskar wissen, was das für Leute waren an ihrer Tür, die in den dunkelblauen Anzügen. „Erzähle ich gleich“, sagte Lisbeth, um Zeit zu gewinnen. Dabei fragte sie sich, wie viele Geschichten noch zu erfinden wären bevor das Lügengebäude zusammenbricht.
Jetzt wäre es gut, eine Komplizin zu haben, so eine wie Uschi, aber, wie gesagt: Vorsicht. Uschi ihrerseits schlug vor, erst einmal einen Tee zu trinken. Obwohl es schon fünf Uhr vorbei war, und Lisbeth nach einem späten Tee schlecht schlafen konnte, fand sie das eine gute Idee. Inzwischen hatte sie sich eine Geschichte zurechtgelegt: Die Beiden in den dunkelblauen Anzügen wären Handwerkshausierer. Sie hätten schon mehrmals am Nachmittag bei ihr angerufen und wären schließlich persönlich gekommen, um ihr eine neue Haustür aufzuschwatzen. Die alte Tür wäre nicht sicher und so weiter. Es hätte sie Mühe und Nerven gekostet, die Typen loszuwerden. „Ich habe gesehen, wie die Frau auf der Straße gerannt und dann mit dem Auto davongefahren ist“, sagte Oskar, „aber den Mann habe ich gar nicht mehr gesehen.“ „Weiß auch nicht“, sagte Lisbeth und hoffte, dass Oskar nicht nachhaken würde, denn das tat er gerne mal.
Es war dunkel geworden. Lisbeth nahm das Angebot ihrer Freunde, sie bis an ihre Haustür zu begleiten, gerne an.
Wie erwartet, lag das Stöckchen vor der Tür noch an derselben Stelle. Sie betrat das Haus und lauschte. Als nichts zu hören war, machte sie Licht und öffnete leise die Tür zur Kellertreppe. Jetzt hörte sie doch etwas, nämlich: „Mann, Mann, Mann.“
„Alles im grünen Bereich“, hätte Helmut jetzt gesagt, andererseits, der gute Helmut wäre wohl niemals in die Situation geraten, in der sie sich befand.
Das Telefonat mit der richtigen Lena wirkte wie Balsam auf die Seele, wenn es erlaubt ist, dieses Klischee zu verwenden. Lena war schon von ihrem Vater informiert, so brauchte Lisbeth nur wenige Worte, um ihre Enkeltochter vollends zu beruhigen. Aber dann wollte Lena ganz genau wissen, wie sich alles zugetragen habe und konnte nicht oft genug die Großmama bewundern für ihren Mut. „Ach, Kindchen“, sagte Lisbeth, „Leider sind uns ja die Gauner nicht ins Netz gefallen.“
„Hast du noch Angst vor denen? Soll ich zu dir kommen?“
Schon wieder eine brenzlige Situation.
„Das freut mich zwar immer, aber du hast doch sicher genug mit deinem Studium zu tun.“
„Das kannst du laut sagen“, meinte Lena.
Danach gingen noch viele liebe Worte hin und her, ehe die Hörer aufgelegt wurden.
Lisbeth ließ sich in einen Sessel fallen. Mit wem könnte sie über die nächsten Schritte nachdenken? Wer weiß, was hier im Hause vor sich geht? Natürlich, der Kerl da unten im Gefängnis: Früher oder später müssten sie gemeinsam einen Plan entwerfen: Eine absurde Idee. Nach einer Weile war Lisbeth eingenickt.
Sie steht am Fenster und hört es rufen: Hier ist die Polizei! Frau Ewald, geben sie auf und lassen sie die Geisel frei. Sie aber schreit: Ich denke nicht daran, bevor er mir verrät, wo er Lena versteckt hält. Die Polizei rückt näher, die Uniformen sind blaue Arbeitsanzüge vom Baumarkt, und da erkennt sie die beiden Polizisten: Helmut und Oskar.
Lisbeth schreckte auf, sie musste sich etwas sammeln, und dann entschloss sie sich zu einigen praktischen Maßnahmen: Sie suchte ein Spannlaken und einen Schlafanzug heraus und stieg damit zum Gefängnis.
Durch das Fensterchen sah sie die geballte beleidigte Frustration, auf der Truhe sitzend, bevor sie das Spannlaken hindurch stopfte, in aller Vorsicht, damit nicht ein flinker Griff von innen ihre Hände erfassen könnte.
„Würden sie bitte die Schaumstoffmatratze beziehen. Da wollen ja auch noch andere drauf schlafen.“
„Andere? Sperren sie hier regelmäßig Leute ein?“
„Schon möglich, aber ich meinte eigentlich Gäste, die oben wohnen, und so viel ein- und ausgehen dürfen, wie sie wollen.“
„Sie sind total verrückt, wie lange soll das so weiter gehen?“
„Das müssen wir bei Gelegenheit besprechen. Ach, und hier habe ich noch einen Schlafanzug von meinem Mann. Vielleicht etwas weit, aber feinste Baumwolle. Socken und Unterwäsche werde ich noch besorgen. Ach ja, Abendbrot um 19 Uhr.“
„Was