Aus dem Leben listiger Großmütter. Ludwig Bröcker

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Aus dem Leben listiger Großmütter - Ludwig Bröcker страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Aus dem Leben listiger Großmütter - Ludwig Bröcker

Скачать книгу

      „Alle“, schimpfte er, während Lisbeth wieder nach oben stieg. Sie fand eine längliche Schachtel, machte ein paar Stullen fertig und legte eine kleine Flasche mit Mineralwasser bereit. Um Punkt 19 Uhr erschien sie wieder vor dem Gefängnis, sie rief: „Abendbrot“, und schmiss die Wasserflasche hinein. Wie zu erwarten, wollte der Gefangene die Stullen nicht entgegennehmen. Lisbeth hatte vorsorglich eine Tüte mitgenommen. Sie verpackte die Stullen darin. Dann nahm die Tüte denselben Weg wie die Wasserflasche.

      „Für heute habe ich genug von ihnen“, sagte sie noch, „um 10 Uhr ist Bettruhe. Frühstück gibt es morgen um acht.“

      Sie wuselte noch ein wenig im Haushalt, nichts von Dringlichkeit, wie man es manchmal tut, wenn man einem größeren Ereignis entgegensieht, einer Einladung einer Opernaufführung oder so ähnlich: Man ist geduscht, frisiert oder rasiert, je nachdem, die Kleidung liegt schon bereit, aber es bleiben noch anderthalb Stunden. Sie hatte keine Lust, zu lesen, Musik zu hören, Klavier zu spielen, oder gar den Fernseher anzustellen. Ab und zu lauschte sie an der Kellertreppe, es war aber nichts Verdächtiges zu hören. Um 10 Uhr ging sie zum Sicherungskasten und knipste den Stromkreis für die Kellerbeleuchtung aus.

      „Heu. heu, heu“, drang es aus dem Keller. Sie kümmerte sich nicht darum.

      Um Mitternacht war Lisbeth noch nicht eingeschlafen. Sie wälzte sich im Bett hin und her, drehte mehrmals die Decke um, weil es ihr mal zu warm und mal zu kalt war, und regelmäßig lauschte sie im Flur oder schaute aus dem Fenster, ob vielleicht irgendwelche Gestalten am Haus herumlungerten. Sie wunderte sich auch über sich selbst: Wie konnte nur alles so kommen. Hätte sie doch den Umschlag gleich in der Hand gehabt, als die beiden Pseudobeamten auftauchten.

      Sie hätte ihn übergeben mit der Bitte, diesen ungeöffnet zur Bank zu bringen. Die Enttäuschung der beiden hätte sie noch auskosten können, bevor sie die Tür zugeknallt hätte. Ja, hätte, hätte, hätte.

      Was für eine verrückte Idee, die Schaumstoffmatratze in den Keller zu schaffen. Andererseits: „Hier spricht die Polizei“, hatte er gesagt, wer soll denn darauf reinfallen? Das ist ja geradezu beleidigend, so zu sagen, dummer als die Polizei erlaubt. Dazu noch dieses platte: „Hol schon den Wagen.“

      Lisbeth erinnerte sich an Konrads Studium in Münster: Germanistik und noch so allerlei, ach, wie lang ist es her. Er sollte eine Seminararbeit schreiben zum Thema: Was kann die Lyrik zur Identität eines Landes beitragen? So, oder so ähnlich. Das Wort Leitkultur war damals noch nicht geboren. Konrad war totunglücklich damit, und Helmut, der immerhin ein gestandener Studienrat war, konnte ihm auch nicht helfen: Was der meinte, war alles nicht schräg genug. Bei dem Gedanken musste Lisbeth etwas schmunzeln und vergaß dabei fast ihr Problem. Dann hatte Konrad eine geniale Idee: Er schrieb eine durchnummerierte Liste von Zitaten auf eine große Tafel, stellte die auf dem Prinzipalmarkt auf und verteilte Handzettel. Dort konnte das Publikum aufschreiben, wer wohl die Urheber dieser Zitate wären. Lisbeth konnte sich noch an einige Nummern aus der Liste erinnern, weil Konrad sie mit seinem Vater ausführlich und vielfach hin- und her diskutiert hatte. Auf die erste und die letzte Nummer wollte ihr Sohn nicht verzichten:

      Warum rülpset und furzet ihr nicht?

      Er ist nur halb zu sehen…

      Da stand der alte Zecher…

      Das ist der Mensch in seinem Wahn.

      Alte Zeiten, linde Trauer…

      Uralte Wasser steigen…

      Was stört mich Weib, was stört mich Kind?

      Nicht sein kann, was nicht sein darf.

      Du musst dein Leben ändern.

      Die Götter halten die Waage…

      Ein Suahelischnurrbarthaar..

      Harry, hol schon mal den Wagen.

      Das Ergebnis der Erhebung war, dass fast alle das letzte Zitat zuordnen konnten, 30 Prozent auch das erste (was ungefähr dem Prozentsatz der Lutheraner in Münster entsprach), aber dazwischen war die Trefferrate ziemlich gering. Immerhin, Konrad war der King mit seiner Seminararbeit. Es wurde noch diskutiert, ob das erste Zitat nicht nur Legende wäre, und auch das letzte wäre in genau der Form nur sehr selten zur Anwendung gekommen. Der Professor indessen dozierte, dass Legende und Wirklichkeit nicht zu trennen seien, das läge schon in dem Wort Wirklichkeit, so zu sagen, das Wirkmächtige sei entscheidend, was wiederum ein allgemeines Gähnen im Auditorium hervorrief, denn das hatte er schon öfter gesagt, ebenso wie die Professoren für Theologie, Philosophie und die Professorin für neue Geschichte.

      Die Erinnerungen berührten sie sanft. Konrad, das Schlitzohr, war ihr Sohn, von wem hat er das wohl. Dann fiel ihr ein, dass so eine Umfrage heute nicht mehr sinnvoll wäre, weil alle gleich ihr Smartphone zücken würden. Endlich fiel Lisbeth in einen leichten Schlaf.

      5.

      Lisbeth erwachte früher, als gewohnt. Im Bad war es ziemlich kühl. Sie bemerkte gleich, dass der Heizkörper keine Wärme abstrahlte und dachte mit Schrecken, dass es momentan kaum möglich wäre, einen Monteur kommen zu lassen. Was konnte sie tun? Vielleicht erst einmal der Kellerassel etwas Licht spendieren, d.h., die Sicherung wieder einschalten. Darauf war dreierlei zu hören: Gestöhne und Gejaule aus dem Gefängnis, ein beruhigendes Bullern des anspringenden Brenners und kurz danach die Klospülung. Letzteres war besonders beruhigend, denn wenn sich der Gefangene entschlossen hätte, im Keller eine Sauerei zu veranstalten, hätte er selbst zwar am meisten darunter zu leiden gehabt, aber die Wärterin des Gefängnisses wäre auch ziemlich ratlos gewesen. So konnte sie in Ruhe frühstücken und dabei einige Brote für den Gast vorbereiten. Auch Kaffee kochte sie für zwei, dachte überhaupt an alles und begab sich mit einem gut aber einfach gefüllten Korb in den Keller, wo sie mit freundlicher Singstimme

      „Früh-stück“ rief, etwa in den Tönen f-c.

      Zu ihrem Missfallen hockte ihr Gast, nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidet, auf der unbezogenen Schaumstoffmatratze. Immerhin, er rappelte sich hoch und griff nach dem Pappbecher, den Lisbeth mit Hilfe einer länglichen Schachtel durch das Fensterchen geschoben hatte. Nein, Milch und Zucker wollte er nicht. Er nahm auch die Brote, machte eine etwas angewiderte Visage und fragte schließlich: „Gibt es denn hier keine Wurst?“ „Nächstes Mal, vielleicht“, sagte Lisbeth, „dann weiß ich ja für die Zukunft Bescheid. Und bitte, beziehen sie doch die Matratze, das habe ich Ihnen gestern schon gesagt, und ziehen sie nachts den Schlafanzug an. Übrigens, eine frische Zahnbürste und Zahnpasta finden Sie im Spiegelschrank.“

      Sie ließ ihn für eine halbe Stunde allein. Als sie wieder zum Gefängnis ging, erinnerte sie sich an ihre Söhne, die sich ja das Bad teilten, also hintereinander benutzten, und der jeweils Zweite sagte dann, jedenfalls manchmal, das was sie jetzt kühn zitierte: „Hier stinkt es ja, wie im Affenpuff “, worauf der Gefangene sie halb verwundert und halb erschrocken ansah. „Ja, glotzen Sie nicht so! Unter dem Lichtschalter ist ein Drehknopf. Da können sie den Ventilator doller stellen. Und sie sollten und dürfen auch duschen. Frische Handtücher finden sie in der Truhe, aber das wissen sie ja schon. Es tut mir wirklich leid, dass ich ihnen keine 30000 Euro überlassen konnte.“ Nach dieser Einlassung stieg Lisbeth wieder nach oben, beschwingt, so wie sie sich als kleines Mädchen gefühlt hatte, nachdem sie zum ersten Mal vom Dreimeterbrett gesprungen war.

      Als sie nach einer Weile wieder an der Kellertreppe lauschte, hörte sie tatsächlich Duschgeräusche und kurz danach den Ventilator auf voller Pulle, wie sich die Jungs auszudrücken pflegten.

      Beim

Скачать книгу