Aus dem Leben listiger Großmütter. Ludwig Bröcker
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Читать онлайн книгу Aus dem Leben listiger Großmütter - Ludwig Bröcker страница 4
„Ja, Ewald.“
„Frau Ewald, hier spricht die Polizei! Frau Ewald, soeben wurden wir von ihrer Sparkasse informiert, dass sie einen höheren Geldbetrag abgehoben haben. Frau Ewald, wir müssen Sie warnen! In ihrer Gegend sind Kriminelle unterwegs, so genannte Enkeltrick-Betrüger.“
„Ist es möglich?“
„Frau Ewald, bleiben sie ganz ruhig, wir schicken einen Beamten, der ihr Geld sicher zur Bank zurückbringt.“
„Gott sei Dank, ich hatte schon selbst ein ungutes Gefühl dabei.“
„Bleiben Sie am besten am Apparat, dann kann ihnen nichts passieren.“
Lisbeth fühlte sich schwummerig. Was für ein Irrsinn, dachte sie, welches Geld hätte sie abgehoben? In ihrem Kopf spielte sich ein lächerlicher Tatort ab: Sie ist die junge Polizistin, die den Entführer stellen wird, sie dringt in das Haus ein, alleine ohne jede Vernunft, stößt alle Türen auf und wedelt mit der Waffe, links, rechts, aber der Schlag kommt aus der Besenkammer, und aus der Bewusstlosigkeit erwachend hört sie es rufen: „Hier spricht die Polizei, kommen sie raus und legen die Waffe nieder.“ Aber der Entführer ist hartnäckig. Er packt die kleine Lena an den Haaren und hält die Waffe an ihre Schläfe, ausgerechnet die Dienstwaffe.
Auf einmal hatte es Lisbeth sehr eilig: Sie sprach „bis gleich“ in den Hörer, steckte ihn in die Tasche und wühlte aus der Abstellkammer eine zusammengeklappte Schaumstoffmatratze hervor, die sie einfach die Kellertreppe runterpurzeln ließ.
Aus dem Telefon kam ein Geräusch und sie sagte nur
„Hallo.“
„Frau Ewald, was ist los bei ihnen, ist da jemand?“
„Nein, ich mache grad die Wäsche.“
„Bitte, bleiben sie ganz ruhig.“
Lisbeth schlich in den oberen Stock und entnahm dem Gästebett Decke und Kopfkissen. Das alles stapelte sie in eine Ecke des Badezimmers im Keller, wobei sie nicht vergaß, ab und an „alles in Ordnung“ in den Hörer zu wispern. Ach, und noch der Umschlag: Sie stieg noch einmal in den Keller und legte ihn in eine Truhe, die schon immer in dem Bad stand und zur Aufbewahrung von frischen Handtüchern diente. Als besondere Tücke legte sie den Umschlag ganz nach unten. Dann begab sie sich ins Wohnzimmer und beobachtete, den Vorhang nur ein wenig zur Seite schiebend, die Straße. Wie könnte sie jetzt noch bewirken, dass richtige Polizisten unbemerkt ins Haus gelangen? Vielleicht durch den Hintereingang, aber der Weg zwischen den kleinen Gärten war kompliziert. Vermutlich würde die Polizei doch lieber mit Trara vorfahren als sich auf obskure Pläne einer tütteligen Witwe einzulassen.
Es war ohnehin zu spät: Zwei Uniformen näherten sich ihrem Haus.
3.
Lisbeth ging gleich nach draußen und schloss die Haustür hinter sich. Die Uniformen erwiesen sich als dunkelblaue Arbeitsanzüge, wie man sie in jedem Baumarkt kaufen konnte. Auf die Brusttaschen waren rote Schilder geklebt oder genäht mit der Aufschrift: Polizei. In der einen Uniform steckte ein Mann, mittelgroß und mittelbreit, um das Kinn herum etwas bärtig, leicht ergraut, und auf dem Kopf saß eine von den üblichen Schirmmützen, aber ohne Beschriftung. Seine junge Begleiterin war ebenso bekleidet. Aus ihrer Mütze hing ein blonder Pferdeschwanz.
„Guten Tag, Frau Ewald, da sind wir schon“,
sagte der vermeintliche Polizist. Darauf Lisbeth, als wäre sie stolz auf ihre souveräne Art, mit der Situation umzugehen:
„Darf ich bitte ihren Ausweis sehen?“
„Selbstverständlich.“
Er holte in der Tat ein kleines Kärtchen aus der Tasche, hielt es für den Bruchteil einer Sekunde hin und verstaute es wieder.
„Ich schätze es ja so, wenn alles seine Korrektheit hat“, heuchelte Lisbeth, „richtige Polizei mit scharfen Waffen!“ Dabei sah sie aber keine Halfter und entdeckte auch sonst keine verdächtigen Ausbuchtungen der Hosentaschen.
„Hat ihre junge Kollegin denn auch einen Ausweis?“
„Ich bitte sie, sie sind ja eine ganz Genaue, es genügt doch wohl“…
In dem Moment näherte sich auf dem gegenüberliegenden Gehsteig eine Aktentasche an einem Arm und darüber ein erstaunter Blick, Oskar. Lisbeth grüßte vernehmlich und sagte:
„Das ist unser Nachbar, er kommt gleich rüber um mich zu beraten, der Immobilienkauf, sie wissen ja, aber das hat sich ja jetzt erledigt.“
Doch sogleich merkte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte, denn jetzt hatten die beiden Strolche keine Zeit mehr zu verlieren, jetzt würden die beiden unverrichteter Dinge verschwinden. Sie sah der jungen Frau in die Augen und bemerkte:
„Sie sagen ja gar nichts.“
Aus gutem Grund sagte sie nichts, und dann passierte etwas, das beinahe die ganze Aktion zum Platzen gebracht hätte, auf beiden Seiten, denn der Komplize sagte tatsächlich:
„Hol schon den Wagen.“
Gut, er sagte nicht: Hol schon mal den Wagen, aber auch so hatte Lisbeth Mühe, ein Lachen zu verkneifen. Als ihre Jungs in Münster studierten und nach einem reichlichen Mittagessen bei Muttern am späten Sonntagnachmittag wieder in Richtung ihrer Buden aufbrachen, war es stets das Signal, mit dem Konrad zum Aufbruch blies: Justus, hol doch schon mal den Wagen (der Wagen war ein älterer Polo).
Die junge Frau entfernte sich tatsächlich in Richtung Straße. Lisbeth sagte:
„Dann hole ich jetzt den Umschlag.“
Ihr Plan war, ins Haus zu gehen, hinter sich die Tür zu schließen und sofort die Polizei zu rufen, aber es kam anders: Als sie die Tür öffnete schob sie der Mann mit impertinenter Dringlichkeit vor sich her. Sie sagte schnell:
„Sie werden verstehen, dass ich das viele Geld sicher versteckt habe. Ich zeige es Ihnen. Bitte folgen Sie mir. Die Tür machen wir lieber zu, sonst kommt unser Nachbar, den sie eben gesehen haben, noch rein, und der ist schrecklich neugierig.“
Dann stieg sie die Kellertreppe hinab, das Geländer sicher im Griff haltend, öffnete die schwere Eisentür zum Badezimmer und machte das Licht an.
„Da in der Truhe“, flüsterte sie, um ihrer Stimme einen geheimnisvollen Klang zu geben, „unter den Handtüchern.“
Der Mann öffnete die Truhe sofort, wühlte sich mit seiner Hand durch die Handtücher und fand den Umschlag, der sich ziemlich gut anfühlte. In dem Moment hörte er, wie die Tür ins Schloss fiel und ein Schlüssel gedreht wurde.
Er sprang sofort zurück, rüttelte am Griff und schrie:
„Was soll das? Sind sie verrückt? Ich bin die Polizei!“
Er griff in den aufgerissenen Umschlag, doch ihm schwante schon, was darin stecken würde: nichts als ein Haufen Papier.
„Damit kommen sie nicht durch“, schrie er, „das ist Gewalt gegen Beamte,
wir werden sie anzeigen wegen Irreführung und Widerstand