Bin kaum da, muss schon fort. Sabine Herold

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Bin kaum da, muss schon fort - Sabine Herold

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wurde ich gefragt, was »es« denn werden würde, und ich entgegnete jedes Mal, dass wir uns vom Geschlecht des Babys überraschen lassen wollten. Der nächste Spruch, der dann kam, war mit fast vorauszubestimmender Sicherheit: »Na ja, Hauptsache, es ist gesund!« Hauptsache gesund! Welch ein Hohn für alle behinderten und kranken Menschen. Manchmal wäre ich deshalb fast explodiert. Sollte ich die Leute schockieren und erwidern, dass unser Kind vielleicht behindert sein würde? Was ist denn dann die Hauptsache? Was war die Hauptsache für mein Kind? Dass es jetzt schon geliebt wurde und dass ich mich riesig darauf freute. Das war die Hauptsache! Im Herzzentrum stellte sich dann heraus, dass unser Kind kerngesund auf die Welt kommen würde. Alle Aufregung umsonst. Zum Glück!

      Endlich konnten wir unser kleines Mädchen gesund und munter in den Armen halten. Katharina Elisa betrat die Welt mit großen offenen Augen. Elisa bedeutet: »Gott ist Vollkommenheit«, und wir sind dankbar für den kleinen vollkommenen Menschen. Als ich neulich erwähnte, dass der Abstand zwischen unseren Kindern doch ziemlich groß sei, entgegnete mir ein lieber Bekannter: »Besser ein großer Abstand als gar keiner!« Recht hat er!

       Nadja Hadem, Marburg, D

      Als »Bin kaum da, muss schon fort« erschien, war ich gerade wieder schwanger. Ich konnte damals nur ein paar Berichte quer lesen, da mich das Thema doch noch zu sehr aufwühlte. Etwas überrascht war ich schon davon, dachte ich doch, dass ich mit dem Verlust spätestens nach Schreiben des Artikels gut fertig geworden war.

      Ein Exemplar des Buches konnte ich im gleichen Jahr an eine Bekannte weitergeben, die mit Zwillingen schwanger war und ein Kind verlor. Sie hat nur wenig über das Ereignis gesprochen, wollte aber das Buch gerne behalten.

      Eine andere Reaktion kam von einer Freundin, die mir das Buch unter Tränen zurückgab. Die Trauer über ihren unerfüllten Kinderwunsch wurde erst durch das Lesen einiger Berichte konkret. Auch ein Thema, das der Aufarbeitung bedarf.

      Trotz meiner Vorgeschichte konnte ich mich gut auf die neue Schwangerschaft einlassen und hatte wenig Ängste. Das empfand ich als große Entlastung. Unsere Magdalena erblickte 22 Monate nach ihrer Schwester nach einer schnellen, komplikationslosen Geburt im Geburtshaus das Licht der Welt – genau am Geburtstag ihres Papas. Was für ein Geschenk!

      Johannes ist ein stolzer großer Bruder und liebt seine kleinen Schwestern (meistens) sehr. So herrscht in unserer Familie nun reger Trubel, aber das haben wir ja so gewollt!

       Nadja Hadem (Dezember 2010)

      Ich hatte zwei Fehlgeburten. Die eine kam mir, wenn ich ehrlich bin, fast »gelegen«, denn meine beiden anderen Kinder waren noch recht klein, sodass ich nicht wusste, wie und ob ich es mit einem dritten Kind schaffen würde. Ich fühlte mich mit der Tatsache, wieder schwanger zu sein, ziemlich überfordert. Wie sollte das werden? Ich stand wie vor einem unüberwindbaren Berg.

      Aus meiner Überforderung heraus hatte ich innerlich gehofft und auch gebetet, dass das Kind abgeht. Doch als es dann so weit war und ich das Kind tatsächlich verlor – ohne große Vorankündigung, ohne große Schmerzen –, war es dann doch schockierend für mich. Ich ging zum Ausschaben ins Krankenhaus.

      Wieder daheim, schmerzte der Verlust des Kindes, und das schlechte Gewissen plagte mich wochenlang, vor allem, weil ich nicht Ja zu dem Kind gesagt hatte. So glaubte ich, es wäre meine Schuld, dass das Kind abgegangen war. Ich versuchte, die Fehlgeburt allein zu verarbeiten. Jahrelang verlor ich kein Wort darüber. Das erste Mal erzählte ich Jahre später meiner Schwester und einer Freundin davon.

      Dann war zwei Jahre lang »Ruhe«, in denen ich nicht mehr schwanger wurde.

      Bei der nächsten Schwangerschaft hatte ich von Anfang an starke Blutungen. Ich war mit Zwillingen schwanger, was mich sehr freute, mir zugleich aber noch mehr Angst machte, denn ich fürchtete nun nicht nur, ein Kind zu verlieren, sondern gleich zwei. Ich betete, dass die Kinder bei mir bleiben und ich sie austragen konnte. Doch die Blutungen wurden immer stärker. Ich sollte nur liegen. Das hatte der Arzt schriftlich verordnet.

      In der 14. Schwangerschaftswoche verlor ich dann aber das erste Kind. Es kam durch eine Sturzgeburt heraus. Es war mitten in der Nacht, als ich auf die Toilette ging und das Kind auf einmal herausfiel. Ich war schockiert und rief meinen Mann. Das kleine Wesen zappelte in der Toilette. Ich konnte erkennen, dass es ein Mädchen war, was ich mir gewünscht hatte. Wir holten das Kind heraus und hielten es in den Händen. Es zappelte, hätte aber in diesem Alter keine Chance gehabt. Ich rief die Hebamme an und schilderte ihr, was passiert war. Sie sagte, dass man nichts machen könnte. Es würde zu lange dauern, bis der Krankenwagen käme. Das Kind sei zu klein, um zu überleben. Ihm fehlte zu viel. Es war noch nicht ganz ausgebildet. So starb unsere Tochter in unseren Händen. Wir packten sie ein und »entsorgten« sie. Wir wollten sie erst beerdigen, doch mein Mann meinte, dass es nicht so gut sei, weil die Tiere sie in der Nacht vielleicht wieder ausgraben könnten. Die Vorstellung war für ihn unerträglich. Er wollte das Kind als ganzes Wesen in Erinnerung behalten. Wir sind uns in diesem Punkt nie einig geworden. Schließlich akzeptierte ich, das Kind nicht zu beerdigen, obwohl ich es gerne getan hätte, damit ich auch immer wusste: Da ist es jetzt, bzw. da war es.

      Nachdem ich das eine Kind verloren hatte, hörten die Wehen auf. Die Gynäkologin stellte fest, dass sich der Muttermund wieder geschlossen hatte. Bis dahin hatte ich gar nicht gewusst, dass es das gibt. Ich hoffte nun weiterhin, dass wenigstens das andere Kind noch bei mir bleiben würde, aber zwei Wochen später verlor ich auch dieses. Es starb im Mutterleib und wurde durch eine Ausschabung geholt.

      Alles war so gefühllos und ging ohne Wärme vor sich. Von den Ärzten kam nur: »Das kann jedem passieren.« Erledigt. Ich hatte keine Schwester oder Hebamme, die zum Beispiel gesagt hätte, dass ich mir jemanden suchen sollte, um den Verlust zu verarbeiten.

      Zwei Kinder auf einmal zu verlieren war für mich recht schwierig, nachdem ich vorher eines verloren hatte, das ich verlieren wollte.

      Ich suchte Hilfe, raste von Ort zu Ort. Ich fand niemanden, mit dem ich über das reden konnte, was mich so plagte. Ich suchte eine andere Frau, die das Gleiche erlebt hatte. Doch ich musste erfahren, dass sich alle in Schweigen hüllten. Ich stieß eher auf Distanziertheit. Niemand wollte darüber sprechen. Das Thema schien tabu zu sein.

      Endlich fand ich eine Frau, die mir erzählte, dass sie zum gleichen Zeitpunkt eine Fehlgeburt gehabt hatte. Bei ihr war das Kind von Anfang an zu klein geblieben und nicht richtig gewachsen. Wir konnten uns in unserem Erleben und in unseren Gefühlen gut verstehen, und wenn eine von uns niedergedrückt und depressiv war, versuchte die andere, sie wieder zu ermutigen.

      Bei der ersten Fehlgeburt habe ich die Trauer nicht so rausgelassen, weil ich mir innerlich immer bewusst war, dass ich das ja so wollte. Bei den Zwillingen trauerte ich intensiver.

      Da meine Mutter zu dieser Zeit im Krankenhaus lag und ein jämmerliches Bild abgab, wie sie so hilflos dalag, war mir erst recht zum Weinen zumute. Ihr Zustand war der fehlende Tropfen, der mein Tränenfass zum Überlaufen brachte und das Ventil öffnete, damit ich wirklich weinen konnte. Mein Mann glaubte, ich würde wegen meiner Mutter weinen, aber letztendlich war es die Trauer um meine Kinder, der ich Ausdruck gab.

      Mein Mann verstand mich nicht und konnte auch nicht nachvollziehen, warum ich so traurig war. Es ging bei ihm nicht so tief. Für ihn war der Verlust der Kinder ein Zeichen, dass es einfach nicht sein sollte. »Denk an den Aufwand, wenn es Zwillinge sind. Da ist es besser, dass sie jetzt abgehen.« Ich erwiderte: »Das hätten wir geschafft, wenn wir sie schon bekommen!«

      Meine beiden größeren Kinder halfen mir während der Zeit der Trauer, da

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