Pias Labyrinth. Adriana Stern
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»Also, ich hab mir überlegt«, setzt Pia an, »wenn ihr wirklich wissen wollt, wie das war, bevor ich in die Klapse kam, erzähle ich es euch. Nach dem Abendessen.«
»Nur wenn du willst«, erwidert Nesè vorsichtig.
Pia grinst. »Und bekommt unser Club jetzt einen Namen?«
Alle sehen sich an. Andrea nickt unmerklich. Nesè ist sowieso Feuer und Flamme. Ist schließlich ihre Idee.
»Also, er muss damit zu tun haben, dass wir alle nicht so richtig hierher gehören«, denkt Andrea laut.
»Und damit, dass wir immer ehrlich zueinander sind, auf alle Fälle zusammenhalten und uns gegenseitig helfen«, führt Nesè den Gedanken weiter.
»Nennen wir uns doch die ›Independence Girls‹«, schlägt Pia vor.
»Zu kompliziert«, wehrt Nesè ab.
»Die ›No-Names?‹« Andrea sieht aber selbst schon so zweifelnd aus, dass es überflüssig ist, etwas dazu zu sagen.
»Wir nennen uns die ›Pinas‹.« Nesè wirft einen kühnen Blick in die Runde. »Da sind alle unsere Namen drin. Die ersten beiden Buchstaben von Pia, das N von mir und das A von Andrea. Was sagt ihr?«
»Und was machen wir, wenn wir eine Neue aufnehmen wollen?« Pia ist noch nicht überzeugt, obwohl Nesès Idee eindeutig die beste ist.
»Wir sind die Gründerinnen, also beschließen wir den Namen. Die, die später kommen, müssen sich eben damit einverstanden erklären.«
»Okay, vielleicht lassen wir es erst mal dabei«, zögert Pia.
Der Keller sieht im Kerzenlicht wirklich aus, als fände hier ein ultrageheimes Treffen statt. Die Mädchen blinzeln sich verschwörerisch zu.
»Auf uns Pinas.« Nesè senkt verschwörerisch die Stimme und sie stoßen mit Bananenkirschsaft auf ihren Club an.
»Das neue Mädchen finde ich echt interessant«, eröffnet Pia das Gespräch. Ihr Herz rast.
Komisch ist das mit Phil. So heißt die Neue. Philomena eigentlich, aber das ist wirklich ein blöder Name. Phil dagegen klingt richtig gut. Manchmal sind Eltern schon merkwürdig, denkt Pia. Phil ist nach einer Jugendromanfigur benannt. Viel mehr hat sie ihr noch nicht erzählt.
Leider sitzt sie am Nebentisch. Jedes Mal, wenn sie beim Abendessen zu Pia herübergeschielt hat, ist Pia schlagartig heiß geworden und ihr Bauch hat wie verrückt gekribbelt. Hat sie sich so ein Magen-Darm-Ding eingefangen?
Mit der Aufnahme in einen geheimen Mädchenclub wollte sie Phil nicht schon am ersten Abend überfallen. Außerdem hat sie sich fest vorgenommen, nur Andrea und Nesè zu erzählen, weshalb sie in dieses Internat gekommen ist. Ganz schlecht wird Pia bei dem Gedanken. Sie will auf keinen Fall, dass diese Geschichte das Erste ist, was Phil von ihr erfährt.
»Pia, was ist? Träumst du?« Zwei Augenpaare mustern sie gespannt.
»Oh nein, ’tschuldigung.« Pia schüttelt die Gedanken an Phil ab. »Alles, was wir uns hier erzählen, bleibt unter uns, ja?«
»Na, das ist doch wohl klar.« Fast empört sieht Nesè Pia an.
»Logo, versprochen«, sagt Andrea.
»Und? Wo soll ich anfangen? Damit, wie ich hergekommen bin, oder damit, wie ich von hier wegkam?« Pia grinst etwas schief. Komische Zusammenfassung meiner Geschichte, denkt sie.
»Am Anfang«, entscheidet Andrea, und Nesè nickt.
2. Kapitel
September 1993
Mathematik ist ganz einfach. Die Zahlen tanzen einen wilden Reigen auf den Rechenkästchen. Rechnen ist wie zaubern, denkt Pia fasziniert, wie neue Welten erfinden. Das Tolle ist, dass es dabei feste Regeln gibt, die keiner, keiner einfach umwirft.
In der neuen Klasse kennt Pia noch niemanden. Das ist das einzig wirklich Traurige an ihrem Klassensprung. Zu gerne wäre sie weiter mit Lotte und Sophia in eine Klasse gegangen. Und mit Max. Wenn es dort nur nicht so schrecklich langweilig gewesen wäre.
Jetzt ist sie mit zehn Jahren schon in der sechsten Klasse, und die anderen Kinder sind mindestens ein Jahr älter. Das schüchtert Pia ein. Bei ihren ersten Arbeiten hatte sie großes Herzklopfen. Sie ist nicht mehr die Beste, aber keine Arbeit ist bisher schlechter als Drei. Englisch ist am schwersten, da fehlt ihr das erste Jahr. Aber sie liebt fremde Sprachen. Am liebsten will sie ab dem nächsten Jahr auch noch Spanisch lernen. Sprachen und Mathematik – das sind ihre Steckenpferde. Die Mathearbeit findet Pia superleicht. Sie will unbedingt studieren. Das wusste sie schon mit sechs. Bloß nicht so wie Mama leben, die nur zu Hause herumsitzt und auf die Kinder aufpasst, und auch nicht wie Papa, der jeden Tag in die Fabrik und danach in die Kneipe geht. Und Mama muss dann jeden Pfennig umdrehen, weil Papa den halben Lohn versäuft.
»Pia, kommst du bitte mit mir.«
Sie sieht erschrocken hoch. Wieso steht denn der Direktor vor ihr? »Ich schreibe gerade eine Mathematikarbeit.« Hilfesuchend sieht sie ihre Lehrerin an.
»Das ist schon in Ordnung. Du kannst deine Arbeit morgen zu Ende schreiben.«
Was geht hier vor? Krampfhaft überlegt sie, was sie angestellt haben könnte. Zum Direx muss man nicht ohne Grund. Ängstlich folgt sie ihm den langen Schulflur entlang.
Eigentlich wirkt er nicht wütend. Im Gegenteil, seine Stimme klingt ganz ruhig. Pia hat das Gefühl, ein Riesenwasserfall dröhnt an ihren Ohren vorbei. Sie versteht kein Wort von dem, was der Direktor erzählt. Sie war erst einmal bei ihm. Als sie die Klasse überspringen durfte. Auch da war er ausgesprochen nett zu ihr. Er wird sie doch heute nicht noch eine Klasse überspringen lassen?
»Komm herein, Pia.« Im Zimmer des Direktors sitzen schon einige Leute, und Pia sieht ihn fragend an.
»Das ist Frau Geritz vom Jugendamt, und das sind Polizeioberkommissar Benz und Frau Hauptkommissarin Gutenberg. Setz dich doch.«
Pia wird schwindelig. Jugendamt? Polizei? Oh Gott. Mechanisch setzt sie sich auf den hingeschobenen Stuhl.
»Wir sind hier, weil wir dir sagen wollen …« Die Stimme von Frau Geritz verliert sich irgendwo auf dem Weg zu Pia. »Dein Vater …« Wieder bricht ihre Stimme ab.
»Wir mussten deinen Vater heute Morgen verhaften, Kind«, sagt nun der Polizist.
Was? Sie haben Papa mitgenommen? Das muss ein Irrtum sein. »Nein.« Sie schüttelt heftig den Kopf.
»Hör zu, wir möchten dich von einer Ärztin untersuchen lassen. Frau Geritz wird bei dir sein, und dir wird nichts passieren.«
Pia schreit. Sie ballt ihre Hände zu Fäusten. Niemand wird sie von der Schule wegschleppen.
Sie geht einige Schritte auf den Direktor zu, der bleich hinter seinem Schreibtisch sitzt. Er sieht weg, als Pia vor ihm steht. »Herr Direktor«, flüstert sie.
»Pia, bitte«, sagt