Dantes Inferno I. Akron Frey

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Dantes Inferno I - Akron Frey

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entgegnete ich matt und zuckte mit den Schultern. Die Fragen waren mir ausgegangen.

      «Ganz im Gegenteil, du kannst sie gar nicht verfehlen, denn sie richten sich ja ausschließlich auf dich aus, weil du der einzige bist, der sich von ihnen anziehen läßt, nur wissen das die meisten Seelen nicht», sagte er. «Sehnsüchte sind wie kleine Kinder, die unablässig von der Mutter Aufmerksamkeit fordern. Wenn du sie vergißt und sie in dir nicht festhältst, dann entfalten sie ihre Flügel und breiten sich ins Leben aus. Du kannst sie später als Ziele nutzen, wenn du ihre Energien kontrollierst. Letztlich sind sie es, die dich bedingungslos anziehen und die du niemals verfehlen kannst.»

      «Ich darf sie also nur nicht wollen?»

      «Du darfst sie schon wollen, du darfst sie nur nicht in dir festhalten. Damit es etwas im Leben gibt, das sich für dich später zu erreichen lohnt.»

      «Ich soll sie loslassen?»

      «Ja. Benutze dafür deinen Willen, und bau dir deine persönlichen Ziele auf. Ziele sind wie Zugvögel. Sie fliegen durch deine Sehnsüchte hindurch und ziehen ihre Fäden in die Welt hinaus. Wenn du die Ziele in dir zurückbehältst, dann staust du die Sehnsüchte gefährlich ihn dir an.»

      «Aber wohin soll ich die Sehnsucht transportieren, wenn ich weiß, daß ich sie sowieso nicht verfehlen kann?»

      «Das fragst du mich? Zum Schöpfungsgipfel natürlich! Denn das Werdende strebt nach Zerfall, aber mit dem Zerfall schwillt gleichzeitig das Werden an, das das Zerfallende wieder zu binden sucht: Das unendlich sich Bildende zerstäubt nicht im Grenzenlosen, es formt sich zu immer neuen Schöpfungszielen. Denn erst jenseits aller Vorstellungen ahnst du den Geist, der dein Leben erfüllt; in religiösen und mystischen Bereichen, in denen sich das Ego zugunsten transzendenter Erfahrungen auflöst, kannst du jenen schimmernden Gipfel erreichen, der über den Wassern des Unbewußten thront. Dieser Gipfel ist zwar mehr als die Summe allen Bewußtseins, aber alles Bewußtsein ist auch, was er ist: Nichts!»

      «Wo ist dieser Gipfel, Akron?»

      «Dort, wo du dich selbst im Licht erblickst! Das Nichts steigt als eine unstillbare himmlische Sehnsucht aus dir empor, eine göttliche Flamme, die schnell auch zum Seelenbrand entarten kann, wenn du deinen spirituellen Rahmen sprengst.»

      «Und warum brechen wir nicht auf?»

      «In dieser Hölle gibt es kein materielles Ziel», versicherte er mir, «denn dieser Ort verkörpert nicht die sinnvolle Suche, sondern die Suche nach dem Unerreichbaren, die Suche nach dem Gral. Was du auch immer fändest, es dünkte dich gering. Nur der Weise, der den langen Wegen bewußt gefolgt ist, kann ermessen, daß es kein Ziel gibt, zu dem sie hinführen. Das einzige, was du nicht findest, ist das, was du suchst!»

      «Gut», antwortete ich ihm, «wenn der innere Sinn dieser Ebene nicht das Finden ist, sondern die Erkenntnis, niemals finden zu können, weil sich in jedem Suchen nur das Finden sucht, bleibe ich hier sitzen, bis mir der Hintern am Boden festwächst.»

      «Deine innere Ungeduld und dein ungeheurer Wissensdrang sind es, die mir Sorgen machen. Du hast schon zwei Dinge vollbracht, die mir zuwider sind.»

      «Sag mir, Akron, welche?»

      «Als wir über die Lethe fuhren, hast du deine destruktiven Energien mutwillig geweckt.»

      «Du meinst die Leiche?» fragte ich.

      «Ja, die Leiche», fuhr er fort. «Sie war ein Fragment deiner selbst, die Materialisation deiner negativen und aggressiven Gefühle. Du hast die Maske der Sehnsucht auf das Gesicht der Verwesung gepfropft und damit den Tod zu deinem unbewußten Ziel erklärt.»

      «Was beunruhigte dich daran, Akron?»

      «Durch die Verbindung der Sehnsucht mit dem Tod hast du diesen zum Ziel deiner Sehnsucht erklärt. Und dann hast du dich noch einmal für den Tod entschieden, am Schaltkreis des Energieaustausches, an dem sich die Geschlechter berühren. Damit hast du dich der Todessehnsucht verschrieben, und das mit einer spielerischen Leichtigkeit, die jedem Betrachter den Angstschweiß auf die Stirn treibt.»

      «Ist das schlimm?» fragte ich keck.

      «Beunruhigend ist deine unverfrorene Naivität», antwortete er, «mit der du diese schrecklichen Kräfte dirigierst. Bis jetzt ist alles gut gegangen. Aber die Gefahr ist noch nicht gebannt. Auf uns wartet noch der Schatten des Planktons, die dunkle Muttermilch deiner unbewußten Perversionsstillung aus den Schattenkammern der Instinktnatur, ein ekelhaftes Gekröse, das jeden angreift, der sich von der Urlust löst und über das Bekannte hinaus nach dem unmenschlichen Unbekannten strebt.»

      «Was können wir tun?» Ich hielt einen Moment den Atem an. Die plötzlich aufdämmernde Gefahr bahnte sich plötzlich in meiner Seele Raum.

      Akron schaute mich an: «Nichts! Wir müssen warten, bis es dich angreift.»

      Mehrere Minuten lang hatte ich kein anderes Empfinden als das Tosen der Brandung in der Bucht. Dann bemerkte ich, wie ein trübes, düsteres Flackern am Horizont aufzog und sich wie ein dunkler Schatten über meine Seele senkte. Mir war, als ob die Wogen des Stromes immer finsterer wurden, die ich ebenfalls in meinem Inneren spürte, und die mich umbrandenden Wasser gleichzeitig auch die giftigen Quellen meiner Seele wären, die da geheimnisvoll um meine Beine spülten. Ich spürte ein Zittern, ein Grollen, ein Pfeifen im Ohr, und als ich die Augen wieder erhob, gefror mir das Blut in den Adern.

      «Dieses Gewässer ist eine Brutstätte für deine vampirhaften inneren Empfindungen», sagte Akron plötzlich. «Wenn sie in dein Erleben dringen, dann geschieht dies durch die Visionen ungestillter Wünsche und Begierden, die sich erst zaghaft in den Träumen melden und sich dann langsam ins Bewußtsein schieben.»

      Vor mir bewegte sich eine Riesenkrake wie ein den Morästen meiner Seele entflohenes Ungeheuer heran, und ich erkannte in ihr all die prickelnden Ängste und fesselnden Abenteuer eines erhitzten, pubertierenden Knabengehirns. Das Unangenehme an der Geschichte war, daß ich diese chthonische Erinnerung aus pubertärer Urzeit als realistischen Schrecken wahrnahm. Sie erhob sich langsam aus dem dunklen, gräßlichen Abgrund meiner Seele und richtete sich in ihrer ganzen Größe vor mir auf, so daß mir die Knie zu zittern begannen. Einen Augenblick lang voll unaussprechlichen Schreckens blieb sie in ihrer erhobenen Position wie eine düstere, satanische Ausgeburt dieser Hölle vor mir stehen, als berauschte sie sich an ihrer eigenen Majestät, und dann fiel sie mit fuchtelnden Tentakeln über mich her. Blitzschnell stürzte ich zur Seite, um dem vernichtenden Schlag zu entgehen. Ich benutzte den Schwung, packte die Krake am Schopf und knallte ihren Kopf im Fallen mit einer tödlichen Bewegung gegen das Riff. Wie Fontänen schoßen die schwarzen Wasser aus der Mutterbrust meiner pervertierten Trieberfüllung, den aus Freudschen Urbildern inspirierten Schattenkammern der Lust, deren Bilder aus dem Unbewußten auftauchten und sich einen Moment ängstlich vor meinem Erleben drehten, bevor sie wieder zitternd wie Marionetten an unsichtbaren Fäden in den Tiefen der Dunkelgründe versanken. Mit wollüstigem Stolz betrachtete ich den Todeskampf der Riesenkrake. Das Bild der sterbenden Kreatur, die sich mit zuckenden Umarmungen von der Erde löste, stürzte mich in ein wahnsinniges Chaos der Lust. Akron sagte, ich solle versuchen, durch die Lücken meiner höllischen Ekstasen in die Räume jenseits meiner begrifflichen Realität einzudringen, um dort jene Wirklichkeit zu finden, die meinen inneren Träumen angemessen sei. Dann befahl er mir, meine Augen zu schließen und im Geist die Himmelsstufen zu besteigen.

      «Aber es gibt hier keine Stufen», erwiderte ich.

      «Natürlich gibt es keine materiellen Stufen», sagte er, «weil deine Ziele so hoch in den Wolken schweben, daß kein materieller Weg

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