Dantes Inferno I. Akron Frey
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Dann geschah etwas Sonderbares. Der Stein löste in mir auf eine mysteriöse Weise ein inneres Gefühl für die Worte aus, die er mir sagen wollte, ohne sie aber selbst zu formulieren, denn ich nahm plötzlich ein paar Gedanken in mir wahr, die ich kaum zu denken wagte, ohne mich nicht selbst als verrückt bezeichnen zu müssen: daß nämlich nicht ich, sondern er der Frager sei, der auf mich am Weg die ganze Zeit gewartet habe, weil er jetzt von mir wissen wolle, warum ich meine himmlischen Sehnsüchte und Träume nicht einfach zulassen könne und ich jedes innere Entzücken ständig mit strukturierenden Höllen zupflastern müsse. Denn die Welt, die ich hier sähe, existiere nur aufgrund der Vorstellung, die ich mir von ihr mache. Es sei auch nicht der bittere Lebensschmerz, den ich suche, wie mir mein Seelenführer weismachen wolle; ich suche nach Wärme für mein kaltes Herz. Akrons Aussage entspräche nur meinem intellektuellen Empfinden, die Bilder meines inneren Erlebens mit dem Inventar meines äußeren Wissens in Übereinstimmung zu bringen. Jeder Sünder enthalte in seiner Seele nämlich ein reflexives Abbild im Spiegel seiner Bewußtseinsmuster, und er, den ich im Spiegel meiner Vorstellung erkenne, sei nur das Gespiegelte meiner Denkstruktur. Mein Geist sei in die Datennetze dieser ganzen Hölle eingebunden und deshalb auf sublime Weise auch mit ihm verbunden, obwohl ich mir dessen nicht bewußt wäre. Auf seine Weise spinne er die Träume im Bewußtsein dieser Hölle fort, deshalb seien für mich alle inneren Freuden statt leuchtender Sonnen bloß träumende Steine, die nur auf der Rückseite des Mondes existieren können, weil ich sie von mir abgespalten und aus mir selbst entfernt habe. Deshalb fände ich die wahre Antwort in dieser Hölle immer auf der Rückseite dessen, was ich für meine Wirklichkeit hielte.
«Dann dreh ihn um», ermunterte mich Akron, «wenn er dies wünscht: Vielleicht zeigt sich dort der gesuchte Sinn?»
Ich drehte den Stein in meiner Hand und betrachtete die Worte, die auf seiner Rückseite eingeritzt waren. «Dies ist der Unsinn der Frage nach Sinn …», las ich.
Akron kugelte sich vor Lachen: «Die Frage nach dem Sinn ist das Ablenkungsmanöver des materiellen Denkens, und der Sinn besteht gerade darin, den Hintergrund solcher Fragen zu erkennen, den Widerspruch einer jeden Frage nach Sinn, denn dieser ist ihr doch gerade durch sich selbst verlorengegangen.»
«Das versteh ich nicht», sagte ich kopfschüttelnd.
«Er wollte dir durch die Blume sagen», erwiderte Akron grinsend, «daß es töricht ist, nach Wissen zu streben, wenn man dem schon vorhandenen Wissen so wenig Beachtung schenkt wie du. Probleme sind nie einfach nur Manifestationen in der Außenwelt, sondern aus dem Unbewußten heraus agieren Menschen so, daß sie sie sich selbst schaffen. Somit liegen die Ursachen vieler Probleme schon in der Grundhaltung unserer Art, Umwelt wahrzunehmen. Da unsere Probleme also darüber mitbestimmen, wie wir die Welt betrachten, können wir die Lösung unserer Probleme erst dann erfahren, wenn wir uns der Art und Weise bewußt sind, wie wir die Welt anschauen. Dann nämlich, wenn wir erkennen: Jede Art der Welterkenntnis ist ein Akt der Selbstbetrachtung!»
Mir kam eine seltsame Idee. Als ich den Stein anschaute, hatte ich den Eindruck, daß er ein Teil eines komplexen Musters war, das auf ein Ziel hinführte, das mehr als die Summe seiner Teile war. Die Straße erschien mir wie ein universeller Code, der alle Erfahrungen der Vergangenheit speicherte und zugleich das gesamte Potential einer zukünftigen Evolution enthielt; und ich selbst war der Brennpunkt, in welchem sich das kausale Denken als Teil der Erfahrung einer sich selbst entwickelnden holistischen Struktur erkannte.
«Bin ich das Ziel?» wollte ich plötzlich wissen, denn der Stein ließ mich innerlich spüren, daß mein Hiersein eine nicht unbeträchtliche Voraussetzung seines Leidens wäre.
Akron sah mich fragend an. Er schien überrascht von dem, was ich sagte, und kratzte sich bedächtig am Kinn: «Diese Frage geht eigentlich über das hinaus, was du wissen kannst, denn diese Straße ist eine Ebene, die du oben in deinem Bewußtsein noch gar nicht wahrgenommen hast, und deshalb kann das Ziel, auf das sie hinführt, niemals das Ich sein, so wie du es von deinem Bewußtsein her kennst. Andererseits kann sie natürlich niemals von dem wegführen, was du bist. Sie führt dich in die unendlichen Tiefen deiner Innenwelt und damit in die höllischen Untergründe der Seele. Dort gewährt sie dir einen Blick hinter den Spiegel, ins Reich des Unbewußten, aus dem dir deine Sehnsüchte und Abgründe entgegenblicken, denn der Fische-Nebel heftet sich an die inneren Gefühle deiner Träume und projiziert sie wie Bilder in die Realität der Sehnsüchte, die für dich zur Wirklichkeit werden können. Der Saturnpfad ist hingegen der Führer, um das Labyrinth der Schatten zu erkunden, die Struktur der Projektionen zu erklären und sie den Sinnen zugänglich zu machen. Die Angst vor dem Bösen ist die Angst vor dir selbst, und in dieser Angst, die du vor dir selbst verbirgst, verfängst du dich im Fäulnisgeruch deiner eigenen Seele. Deshalb stellt sich hier die Frage, wer du bist, und zwar außerhalb der Person, die du zu sein glaubst, denn unterhalb des Ich, das du kennst, hast du eine unergründliche Seele, von der dieses Ich ein Teil ist, und gleichzeitig ist dieser Teil vom Ganzen getrennt durch einen Wächter, der prüft, ob dieser Teil der Erfahrung von deinem Bewußtsein aufgenommen werden kann oder nicht.»
«Wächter», echote ich verblüfft, «da existiert ein Wächter?» Ich war entzückt: «Kann ich ihn sehen?»
«Du wirst ihm begegnen», sagte Akron ruhig.
«Wie sieht er aus?»
«Mir ist er schon in vielen Masken begegnet, und deshalb ist es schwer zu sagen, in welcher du ihn sehen wirst, aber ich denke als geträumten Stein. Oder als körperlose Stimme. Er wird dich prüfen, und wenn er dich für reif genug hält, diese Sphäre zu betreten, dann geleitet er dich über die Schwelle, die zwischen Vorhölle und Hölle liegt, denn du weißt unendlich mehr über die Abgründe der Seele, als du rational vermuten kannst. Sei aber vorsichtig, er ist niemandes Freund; er ist der Wächter einer anderen Welt.»
«Welcher Welt? Der Welt der Toten?»
«Der Nacht der Seele! Das tiefe Unbewußte ist die Quelle, aus der die Bilder strömen, und er ist der Prüfer, der über die Weiterreise der Seele bestimmt.»
Dann stand er plötzlich da. Vor dem flammenden Tor zur Wahrheit stand er plötzlich da: eine Silhouette aus Stein. Meine Blicke umkreisten den gewaltigen grauen Findling, der am Ende der Straße unerschütterlich aufgerichtet war. Und in diesen Felsen eingefressen sah ich ein Skelett, ein Knochengeflecht, halb entblößt und halb in den düsteren Mantel der Verwesung eingehüllt, das mich aus tiefstem Nichts ansah.
«Bist du der Wächter?» fragte ich.
Er schwieg.
«Er ist die Summe deiner Erfahrungen auf allen Realitätsebenen, der Geist des Ewigen oder der Rahmen, in dessen Reflexionen sich der Kosmos erkennt», erwiderte Akron ernst, «frage nicht, sondern versuche den Durchbruch mit deinem inneren Willen zu erzwingen!»
Ich trat näher und erkannte, daß der Stein mein eigenes Grabmal war. Auf dem Grabsockel war eine Schrift, ich las meinen eigenen Namen und darunter die Worte: «Sei willkommen am Tor, das dich zur Wahrheit führt …»
Der Wächter blickte auf mich herab, und ich war verwundert über die Schönheit der Jahrtausende, die auf mich niedersahen, als er mir mit den Worten über die Schwelle half: «Jede Türe ist versperrt, weil der Mensch selbst die Türe ist, die die Lebendigen von den Toten trennt. Doch du kannst die Türe öffnen. Sprich einfach die Worte: ‹Sehnsucht, öffne mir das Tor!›»
Über seinem Kopf brauste der Sturmwind mit lautem Rauschen dahin; die Wolken zogen sich zusammen, Blitze zuckten übers Firmament und ich war entzückt über die triumphale Erhabenheit dieses Augenblicks, der am Ende