Familienglück im zweiten Anlauf. Dorothee Döring
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Seien Sie sich bewusst, dass Sie sich noch in einem schmerzhaften Trauerprozess befinden, in dem Trauerarbeit zu leisten ist, denn es ist unmöglich, einfach nicht an den Partner zu denken. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber auch bei einer selbst gewählten Trennung ist Trauerarbeit zu leisten, der Kopf hat zwar die Entscheidung getroffen, aber das Gefühl hinkt hinterher! Und deshalb ist es wichtig und richtig, Trauer zuzulassen.
Zu den Stimmungsschwankungen tragen auch die immer wiederkehrenden schmerzhaften Erinnerungen an Verletzungen und Enttäuschungen bei.
Sabine, 38:
„Ich habe lange Zeit alles Negative negiert und war auf dem Trip des „positiven Denkens“. Natürlich hilft es, sich durch positives Denken in eine bessere Stimmungslage zu bringen, aber verarbeitet wird die Ursache für meine negativen Gefühle nicht. Ich trete auf der Stelle.
Als mein Mann mich nach acht Jahren verlassen hat, hat mich das sehr verletzt. Trotzdem spielte ich meiner Umwelt immer die souveräne, starke Frau vor, die durch nichts zu erschüttern ist. Ich wollte meine Trauer, Enttäuschung und Wut nicht zulassen, weil ich dachte, wenn ich durchhänge und schlecht drauf bin, verliere ich womöglich auch noch meine Freunde. Meine verdrängten negativen Gefühle suchten sich auf körperlicher Ebene ein Ventil: Nervosität, Schwindelgefühl, Schlaf- und Essstörungen zeigten mir, dass ich aus dem Lot geraten war. Ich habe irgendwann versucht, die Wut zuzulassen, auszuleben, wie z. B. beim Joggen, dann ging es mir anschließend wesentlich besser.“
Nach Jahren gemeinsamen Lebens nehmen wir den anderen oft nicht mehr richtig wahr, weil wir glauben, ihn mit seinen Einstellungen und Reaktionen zu kennen. So kommt es, dass wir uns im Laufe der Jahre von unserem Partner ein besonderes Bild machen: Gleichsam haben sich zwischen ihm und uns mehrere „Filter“ geschoben und wir sehen größtenteils nur noch das, was wir sehen möchten. Nach Jahren der Gemeinsamkeit sind wir nicht mehr – wie in der Anfangszeit der Beziehung – neugierig aufeinander oder fasziniert voneinander. Vieles ist zur Selbstverständlichkeit geworden und hat dadurch seinen Reiz verloren. Und plötzlich zeigt sich uns ein ganz anderer Mensch!
Oft will oder kann aber der Verlassene nicht einsehen, dass ein Festhalten an der Beziehung längst sinnlos geworden ist. Bei einer so unterschiedlichen Wahrnehmung kommt es zwangsläufig zu Konflikten.
Trennung und Scheidung sind sehr belastende Lebenskrisen, denn es zerbricht die Hoffnung auf einen gemeinsamen Weg bis zum Lebensende. Die Folge ist ein Gefühlschaos mit entsprechender Verunsicherung. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, um das eigene Leben neu zu gestalten. Häufig wird aber gerade während dieser anstrengenden Zeit, die besondere Aufmerksamkeit verlangt, am Alten festgehalten. Man klammert sich an etwas, das es nur noch in der Illusion gibt.
Jede Trennung ist von Trauer, Enttäuschung und Schmerz begleitet. Wer verlassen worden ist, fühlt sich in seinem Selbstwertgefühl gekränkt. Unverarbeitete Trauer und Wut suchen sich ein Ventil und richten sich entweder gegen uns selbst – die Folgen sind oft psychosomatische Beschwerden bis hin zu Depressionen – oder gegen denjenigen, der uns verlassen hat, in Form von vielfältigen Aggressionen wie Stalking, Verleumdung, Sachbeschädigungen usw.
In Aggression umgesetzte, unverarbeitete Trauer ist leider der Grund für viele gerichtliche Auseinandersetzungen. Das Bedürfnis, den anderen, der uns verlassen hat, zu bestrafen, kann so ausgeprägt sein, dass selbst ökonomische Interessen in den Hintergrund treten und man wirtschaftliches Harakiri betreibt. Der verschmähte Partner erinnert sich seines Einsatzes und verlangt Ersatz. Leider kann man aber veränderte oder „gekündigte“ Gefühle nicht mit Geld ausgleichen.
Liebeskummer und Trennungsschmerz werden in unserer Gesellschaft fast nur mit jungen Menschen in Verbindung gebracht. Doch auch reifere Menschen wirft eine Trennung vom langjährigen Partner oft aus der Bahn. Die eigene Identität und das Selbstwertgefühl werden zutiefst erschüttert.
Frauke, 52:
„Mein Mann hat mich vor zwei Jahren aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen verlassen. Er wollte noch einmal ein anderes Leben ausprobieren. Für mich brach von einer Sekunde auf die andere finanziell und seelisch alles zusammen. Ich litt unter Panikattacken und unter Depressionen, Appetitlosigkeit oder Essattacken, konnte nicht schlafen und war von wilden Rachephantasien geplagt. Weil ich allein meine Desorientierung nicht in den Griff bekam, machte ich eine Gesprächstherapie, um unter professioneller Anleitung meine Gedanken zu ordnen, Kraft und Motivation aufzubauen und mein desolates Selbstwertgefühl wieder zu stärken.“
Die Reaktionen von Menschen, die die Liebe eines anderen verlieren oder enttäuscht über die Unerfüllbarkeit ihrer Sehnsucht sind, schwanken von leichten, kurzen Formen des Liebeskummers bis hin zu lang anhaltender tiefer Verzweiflung. Wird der Leidensdruck so groß, dass jede Lebensfreude erlischt, man seinen Alltagspflichten nicht mehr nachkommen kann, sich abschottet und zu Alkohol oder Medikamenten greift, ist professionelle Hilfe angesagt (s. Adressen im Anhang).
2. Die Phasen des Trauerprozesses
Die geschilderten Folgen unverarbeiteter Trauer zeigen, wie wichtig es ist, sich dem seelischen Schmerz zu stellen und ihn zu verarbeiten. Auch Liebeskummer ist Trauer und kann nur durch Trauerarbeit bewältigt werden. Mit ihr wird ein schmerzhafter Lernprozess vollzogen, bei dem es darauf ankommt, loszulassen und sich selbst aufzufangen. Er verläuft in ähnlichen Phasen wie der Trauerprozess nach dem Verlust eines Menschen durch Tod:2
1. Phase: Nicht-wahrhaben-Wollen und Verleugnen
Ich glaube an einen bösen Traum, hoffe darauf, dass alles wieder gut werden wird. Ich bemühe mich, meinen Partner umzustimmen.
2. Phase: Gefühlschaos und psychosomatische Symptome
Ich werde überrollt von meinen Gefühlen, bin verzweifelt, voller Angst, plage mich mit Selbstzweifeln, Eifersucht, Wut und Hass. Ich kann nicht gut schlafen, esse nicht oder zu viel, bin voller Unruhe, habe Verstopfung, Kopf- oder Magenschmerzen, Herzrasen. Ich grübele „warum nur?“ und denke ununterbrochen an meinen Partner. Ich ziehe mich von Freunden zurück oder flüchte mich in Aktivitäten.
3. Phase: Akzeptanz des Verlustes
Es ist mir unmöglich, einfach nicht an meinen Partner zu denken, denn mit dem Ende einer langjährigen Beziehung oder Ehe ist nicht einfach schlagartig jedes Gefühl vorbei, so sehr man sich das auch wünschte.
Ich lasse die Trauer über die gescheiterte Beziehung zu. Ich spüre, dass mich Weinen erleichtert. Ich gestatte mir, traurig und verzweifelt zu sein.
Ich mache mir klar, dass wir alle über ein „emotionales Konto“ verfügen, das negative und positive Empfindungen sammelt und sich im Minus- oder Plusbereich bewegt. Für die Seelenhygiene ist es besser, sich gelegentlich negative Gefühle zu leisten, sie zu analysieren, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie als Signale eines Frühwarnsystems zu verstehen, bevor sie uns gefährlich werden und schaden können. Gefühle – positive und negative – sind