SkyDancing Tantra. Margot Anand
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Durch das Streicheln von Richards Hand wurde all dies gelöscht, geheilt, wieder in Ordnung gebracht. Ich ertrank in Richards lächelnden Blick. Da war so viel Akzeptanz in seinen Augen, dass ich das Gefühl hatte, dass nichts Böses im Herzen dieses Mannes lauern könnte. In seinen Armen war ich sicher. Ungeachtet der Vorhaltungen, die mir zu Hause drohten, konnte ich nur meinem Herzen und meinem Körper folgen, und beide wurden zu ihm hingezogen, näher, tiefer, alle Gedanken, alle Belange der Zukunft hinter sich lassend. In diesem Moment war das alles, was zählte.
„Ich liebe dich“, flüsterte er.
„Ja“, sagte ich, „und ich liebe dich.“
Diese Worte. Wir hatten sie in jedem Lied gehört, im Radio, im Kino. Aber jetzt gehörten sie uns. Sie meinten: „Du bist derjenige, mit dem sich meine Seele und mein Körper verbinden wollen.“
Die Freude, die sich in meinem Herzen ausbreitete, ließ mich entspannen und jeden letzten Rest von Zögern vergessen. Als ich meinen Kopf zum Fenster, neben dem Bett, auf dem wir lagen, drehte, sah ich einen runden silbernen Mond hereinscheinen.
„Heute Nacht ist Vollmond“, flüsterte Richard, seine Lippen näherten sich meinen. „Es ist unsere Nacht.“
Ich konnte seinen Atem schmecken. Seine Lippen legten sich an meine und sein Mund öffnete sich, genau wie meiner, und unsere Zungen trafen sich und wir tranken tief voneinander. Meine Wirbelsäule begann zu zittern und zu beben, als der Kuss einen elektrischen Reflex auslöste und ein Stromstoß meinen Rücken hinunter bis zu meinem Kreuzbein jagte. Jetzt wusste ich, dass es kein Zurück mehr gab. Ich hatte mein ganzes Teenagerleben lang auf diesen Moment gewartet und über die Umstände, die Zeit und die Art und Weise fantasiert, wie ich eine Frau werden würde.
Nun würde ich endlich auf diese so genannte kostbare Jungfräulichkeit verzichten, kostbar zumindest in den Augen meines Vaters, da er es liebte zu wiederholen: „Denk immer daran, bleibe Jungfrau, bis du heiratest, sonst verlierst du den Respekt der Männer.“ Was für ein lästiger Zustand, dieses Bemühen, eine Jungfrau zu sein, um die Anerkennung anderer zu erlangen. Wozu sollte ich schließlich den Respekt eines anderen brauchen? Ganz sicher war meine Selbstachtung genug.
Mit jedem köstlichen Kuss erwachte in mir etwas Unbekanntes und Mächtiges. Jede Liebkosung war eine Offenbarung, eine Befreiung. So wie Richard das Kleid von meinem Körper gestreift hatte, so durchbrach seine liebevolle Berührung den Schutzpanzer, der mein Herz abschnürte, heilte es und löste den Knoten in meiner Seele.
Plötzlich ein Zögern. Ich wusste, warum: Bis jetzt hatte ich einem anderen Mann gehört. Meinem Vater. Es war mein Vater, der mich mit sechzehn Jahren in das Pariser Nachtleben eingeführt hatte. Es war mein Vater, der mich zum Tanzen in die Diskotheken mitgenommen hatte. Wenn wir seine Freunde trafen, wies er mich an, ihn bei seinem Namen Boris zu nennen. Er wollte nicht, dass jemand wusste, dass ich seine Tochter war. Er mochte es, wenn die Leute dachten, ich wäre seine Freundin. Darin lag etwas Ungesundes und Einschüchterndes, und im Laufe der Jahre war Vater ungewöhnlich beschützend und besitzergreifend geworden, als wäre ich „sein Eigentum“, fast eine zweite, jüngere Frau.
Richard fuhr fort, mich auszuziehen. Ich erkannte, dass ich das gleiche Kleid trug, das ich auf meinem ersten Debütantinnenball getragen hatte, als Vater, mürrisch und schlecht gelaunt, seine „jüngere Frau“ offiziell in die Gesellschaft und in die Gesellschaft anderer Männer entlassen musste.
Es war eine prestigeträchtige Angelegenheit gewesen. Sie hatte im Palais de Versailles stattgefunden, der prächtigen Residenz von König Ludwig dem XIV., le Roi Soleil, dem „Sonnenkönig“. Als wir im majestätischen Innenhof von Versailles ankamen, stiegen wir aus der Limousine und traten auf einen roten Teppich. Wir schritten zwischen zwei Reihen Ehrengardisten hindurch, die im vollen Ornat auf ihren Pferden saßen. Das Schwert in der Hand (sabre au clair) salutierten sie der, zu dieser raren Gelegenheit komplett versammelten besseren Pariser Gesellschaft, „tout Paris“. Schließlich wurde ich Prinzessin Marie de Bonaparte, der Urgroßnichte Napoleons höchstpersönlich, vorgestellt und knickste.
In gewisser Weise waren es dieses Debütantinnenleben, dieser Abend, dieser Moment des Betretens des verheißungsvollen Landes der High Society, die Richard zusammen mit dem langen Ballkleid langsam von meinem Körper abstreifte. Der Kaiserin wurden die Kleider ausgezogen, ihre Nacktheit wurde langsam enthüllt.
Richard ließ sich Zeit. Ich mochte diese Langsamkeit. Ich konnte seinen Respekt spüren. Er wusste, dass ich noch Jungfrau war. Er wollte die Dinge nicht überstürzen. Ich konnte mir die Zeit nehmen, die ich brauchte, um jeden Schritt zu erspüren und meinen Körper daran zu gewöhnen. Oh, mein Körper stand in Flammen. Ich wollte ihn. Ich wollte ihn sofort. Ich wollte ihn schon seit Monaten. Mein Problem bestand darin, dass ich, als die Intensität unserer Erregung zunahm, in einige ziemlich unangenehme, aber aufschlussreiche Rückblenden verwickelt wurde, als ob seine Küsse die Erinnerung an einige der traumatischsten Ereignisse meines Lebens wachriefen. Vielleicht war unser Paarungsritual wie ein Seelentrip, eine Katharsis.
Ich stürzte mich tiefer in das Auf und Ab unserer Liebkosungen. Dann streichelte er meine Brüste, küsste meine Brustwarzen. Es war das erste Mal, dass jemand das tat. Lustschauer liefen meinen Bauch hinab. Ich atmete tiefer, ließ mich treiben und ließ es geschehen. Alles fühlte sich gut an, aber ich hatte Angst und war aufgeregt. Ich konnte spüren, wie sich mein Körper ausdehnte, verlangte, sich öffnete.
Dann zogen sich die Schlingen der Angst enger um mich zusammen und alles verkrampfte sich. Doch da umschloss er meine Brüste mit seinen Händen und flüsterte: „Ich liebe dich“, und wieder ließ mein Körper los, ließ sich davontragen von einem Strom heißer, fließender Energie. Das Herz schlägt schneller, das Blut rauscht, die Atmung geht stoßweise. Jede Zelle vibrierte und tanzte, als ob sie mit Strom aufgeladen wäre, und pulsierte vor Erwartung.
Dann zog Richard seine Kleider aus und schmiegte sich nackt an mich. Ich spürte seine Haut an meiner, seinen Geruch und sein Geschlecht, hart an meinem linken Oberschenkel. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es sich in mir anfühlen würde. Plötzlich war ich zurückhaltend. Was ist, wenn es wehtut?
„Lass uns langsam machen“, flüsterte ich. Richard hielt mich fest. Ich erlebte eine weitere meiner schmerzhaften Rückblenden.
„Warte mal, ich habe Angst“, flüsterte ich.
„Es ist okay“, antwortete er. „Ich bin hier. Ich liebe dich. Alles ist in Ordnung. Wir müssen nicht weitergehen. Es gibt nichts zu tun, nichts, wohin wir gehen müssten.“
Ich gehe von der Schule nach Hause. Ich bin ungefähr elf Jahre alt. Es ist gegen fünf oder sechs Uhr abends, und der Herbst geht in den Winter über. Das Tageslicht verblasst schnell. Ich spüre jemand in meinem Rücken. Ich gehe schnell um die Ecke und betrete mein Haus. Ein Mann folgt mir. Ich steige in den Aufzug und drücke den Knopf für den vierten Stock, aber bevor der langsame, alte Fahrstuhl sich in Bewegung setzt, ist der Mann da, drückt die Aufzugstür auseinander und tritt ein. Die Fahrt nach oben beginnt. Ich schaue auf den Boden und tue so, als wäre alles in Ordnung. Der Mann lässt seinen Aktenkoffer fallen, öffnet seinen Mantel, öffnet seinen Hosenschlitz und holt seinen Penis heraus.
Zweiter Stock: Sein Geschlechtsteil ist hart und zeigt bedrohlich auf mich. Ich bin wie versteinert. Der Aufzug ist klein, geeignet für maximal drei Personen. Ich drücke mich in eine Ecke, aber ich kann nicht weiter zurückweichen.
Dritter Stock: Er kommt näher, keuchend, mit einem irren Ausdruck in seinen dunklen Augen. Ich merke, dass das Einzige, was mich jetzt noch retten kann, darin besteht, jemand auf meine Lage aufmerksam zu machen. Ich beginne, aus tiefster Kehle zu schreien, so laut, dass