Verschollen am Nahanni. Rainer Hamberger

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Verschollen am Nahanni - Rainer Hamberger

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geht der sonore Ton des schweren Dieselmotors in ein dröhnendes Nageln über. Eine von den gebremsten Rädern aufgewühlte Staubwolke zieht träge zum angrenzenden Feld hinüber und verliert sich langsam im Gelb des reifen Weizens. Felder so groß, dass es scheint, sie würden bis an den Horizont reichen. Vom Wind getriebene Steppenhexen bleiben am nächstbesten Hindernis hängen, bis eine noch stärkere Bö sie mitnimmt. Präriehunde strecken neugierig den Kopf aus ihrem Bau, um gleich darauf wieder in der kühlen Höhle zu verschwinden. Die wabernde Hitze dieses Spätsommertags in der topfebenen, unendlichen Prairie-Landschaft der Provinz Saskatchewan im kanadischen Westen verzerrt die Konturen ins Unwirkliche, als wäre es eine Fata Morgana in der Wüste. Es ist kurz nach zwei Uhr nachmittags.

      Nein, hier am Straßenrand, nicht weit von dem einsamen Farmhaus, ist eigentlich keine Haltestelle. Der Mann, der sich jetzt mit einem leichten Akzent in der Stimme beim Fahrer bedankt – ist er Niederländer oder Deutscher? – fragt, ob man ihn hier absetzen könne. Er wisse sonst nicht, wie er von dem letzten Ort hier heraus kommen sollte. Die vor sich hin dösenden Fahrgäste in den ersten Sitzreihen haben mit halbem Interesse zugehört, und einer von ihnen hat genickt. Er wusste wohl, was Reisen in dieser Weltgegend bedeutet. Ist doch selbstverständlich, dass man den hier rauslässt. Der abschätzende Blick des Omnibusfahrers lässt seine Gedanken erkennen. Mit dem Koffer und dem Rucksack, sagt er sich mit einem verborgenen Grinsen, hätte der Mann in der sengenden Hitze viele Stunden gebraucht, um die sechzehn Meilen von dem kleinen Ort hierher zu laufen. Taxis gibt es ja in dem Nest nicht. Und hier draußen fahren nur hin und wieder Autos oder Trucks vorbei, die einen Anhalter mitnehmen könnten. Fremde kommen überhaupt selten zu einer dieser Farmen in der Mitte von Nirgendwo. Und der sieht nicht aus wie ein Geschäftsmann aus dem hundertzwanzig Meilen entfernten Saskatoon. Er trägt Jeans und ein ausgebleichtes Holzfäller-Hemd und hat sich keinen Schlips umgebunden. Wer könnte das denn sein? Sein neugieriger Blick kann nichts ergründen. So nickt er dem Mann freundlich zu, als der aussteigt und zieht dann kräftig am Hebel. Die schwere Tür schließt ächzend. Dann den ersten Gang rein und weiter geht es über die Ebene zum nächsten Halt, vielleicht nach hundert Meilen. Wäre da nicht flotte Musik aus dem Radio und eine gut gefüllte Kaffeekanne, hätte der Busfahrer Mühe bei so viel Eintönigkeit die Augen offen zu halten.

      Das Farmhaus liegt um die zweihundert Schritte weit von der Landstraße, meilenweit entfernt vom nächsten Nachbarn. Auf der Westseite ist es durch eine dichte Reihe von Pappeln gegen die Präriewinde geschützt. Es ist eines dieser zweistöckigen Dutzendhäuser aus dem Katalog, wie sie im Westen überall zu finden sind. Breit ausladend, unter einem flachen, mit unempfindlichen Asphaltschindeln gedeckten Satteldach. Das Hauptgeschoss ist oben, darunter befindet sich, was hier Basement genannt wird. Nein, schön oder architektonisch bemerkenswert ist es sicherlich nicht, aber zweckmäßig. Dahinter schaut die Scheune hervor, rot gestrichen mit ausladendem Giebel. Und daneben, in einem offenen Hufeisen, der Maschinenschuppen samt Werkstatt. Alles ist ordentlich aufgeräumt. Der Hund, dessen Bellen weithin hörbar ist, muss hinter dem Haus angebunden sein. Sonst gibt es kein Zeichen von Leben. Es ist noch zu heiß im Freien.

      Das Gesicht des Fremden nimmt die Szene mit einem Ausdruck von Genugtuung auf, als freute er sich, dass alles noch da sei. Er hat den prallen Rucksack locker über die Schulter gehängt. Der Koffer scheint nicht sonderlich schwer zu sein. So setzt er ohne Eile einen Fuß vor den anderen auf dem Einfahrtsweg zur Farm hinüber. Da öffnet sich dort die Haustür im Untergeschoss. Ein älterer Mann, die Holzfällerkappe auf dem schütteren grauen Haar, tritt ins Freie und geht in Richtung des Maschinenschuppens. Plötzlich bemerkt er den Fremden den Weg heraufkommen und bleibt stehen. Etwas wie ungläubiges Erkennen zeigt sein Mienenspiel. Er zögert noch einen Moment, als ob er es nicht glauben kann, was er sieht, um dann dem Ankömmling ein paar vorsichtige Schritte entgegen zu gehen. Dann bleibt er stehen, schirmt seine Augen mit der Hand gegen das gleißende Sonnenlicht und fragt mit verhaltener, belegter Stimme:

      „Bist du das, Uwe?“

      „Ja John, ich bin es“, kommt die Antwort, während der Mann seinen Koffer abstellt und den Rucksack heruntergleiten lässt.

      Er ergreift die ausgestreckte Hand mit einem festen Griff. Die beiden schauen sich in die Augen und mustern sich eine Weile schweigend. John Musgrove, der alte Farmer, bekommt eine feierliche Miene.

      „Es ist lange her, Uwe Breuer. Ist es dreizehn oder vierzehn Jahre, seit du aus der Gefangenschaft entlassen worden bist?“

      „Ja“, kommt die leise Antwort, „und damals hast du gesagt, ich sei bei euch stets willkommen, wenn mich mein Geschick je in dieses Land zurückbrächte.“

      „Das Wort gilt. Aber komm doch erst mal ins Haus.“

      Seine Stimme wird fröhlich lärmend.

      „Donna wird sich freuen. Du musst erzählen, was du so erlebt hast.“

      Er greift nach dem Koffer, Uwes abwehrende Geste missachtend, und geht voraus in Richtung Haustür. Währenddessen mustert er Uwe von der Seite.

      „Du hast eine Menge Falten bekommen, na ja, wir werden eben alle älter, ich bin ja auch bald sechsundsechzig und werde mich in spätestens zwei Jahren auf meinen Altenteil zurückziehen. Tom ist in Saskatoon und studiert Landwirtschaft. Er ist bald fertig und will dann hier übernehmen. Und der Zweitälteste, der Wally, der nie genug von deinen Fliegergeschichten hören konnte, der ist in dein Fach gegangen, er ist Pilot geworden; da drüben, kaum zwanzig Meilen von hier, weißt du, auf dem alten Flugplatz, der während des Krieges für die Flugschule gebaut wurde.“

      Sie sind an der Haustür angekommen. John öffnet sie und ruft mit polternder Stimme das Treppenhaus hinauf:

      „Donna, du wirst nicht glauben, wer hier ist!“

      Oben in der Küche legt Donna Musgrove hastig die Schürze ab, hängt sie ordentlich an den Haken und schaut neugierig das Treppenhaus herunter.

      „Sag' schon, wer es ist“, sagt sie ärgerlich.

      Gegen die Helligkeit von den kleinen Fenstern über der Haustür kann sie das Gesicht des Fremden nicht erkennen. So kommt sie mit zögernden Schritten die Treppe herunter, um plötzlich wie angenagelt stehen zu bleiben.

      „Mein Gott, das ist doch nicht möglich – Uwe!“

      Sie nimmt ihn an die Hand und zieht ihn zu dem Flurfenster hinüber, um ihn bei vollem Licht anschauen zu können. Da wird sie still und streichelt ihm mütterlich die Wange.

      „Du hast es schwer gehabt, nicht wahr?“

      Und Uwe antwortet gemessen: „Ja, so friedlich wie es hier für einen Kriegsgefangenen auf der Farm war, ist es nie wieder gewesen!“

      „Wo kommst du denn jetzt her?“, fragt John, die bei seiner Frau aufkommende Rührung abfangend.

      „Wie lange bist du schon unterwegs?“

      „Die letzten vier Tage habe ich praktisch im Bus geschlafen, von der Gegend um Toronto. Ich habe dort nach meiner Ankunft für ein halbes Jahr als Mechaniker gearbeitet, in einer Autowerkstatt, manchmal auch auf einem nahen Flugplatz, für so einen Fliegerclub. Und Inhaber eines Berufspilotenscheins bin ich auch. Aber dann habe ich mir in den Kopf gesetzt, in den Westen zu gehen.“

      „Und wo ist deine Frau?“, fragt Donna Musgrove leise.

      „Du bist doch verheiratet.“

      „Nein, Donna, nicht mehr. Aber das ist eine lange Geschichte.“

      Sein Gesicht bekommt einen gequälten Ausdruck.

      „Also

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