Verschollen am Nahanni. Rainer Hamberger

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Verschollen am Nahanni - Rainer Hamberger

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Er kann ja in seinem alten Zimmer im Keller schlafen, nicht wahr, Donna?“

      „Ja, selbstverständlich. Ich habe es in ein paar Minuten fertig. John, biete ihm was zu trinken an. Er wird es brauchen bei der Hitze. Oben im Kühlschrank ist noch Limonade, die hast du doch immer so gerne gemocht, Uwe.“

      Und sie macht sich eilig auf den Weg in den Flur des Untergeschosses, in dem Uwe zwei Jahre als Kriegsgefangener beim Arbeitseinsatz untergebracht war.

      Uwe Breuer steht am Fenster seines alten Zimmers. Es ist klein und schmucklos, mit einer Art Feldbett, einem Nachttisch und einem in die Wand eingebauten schmalen Schrank. Auf der Kommode steht eine Waschschüssel mit einem Wasserkrug aus Blech, eine Seifenschale daneben. Und Donna hat ihm ein Handtuch dazugelegt. Ihm ist, als sei er in die Vergangenheit zurückgekehrt. Hier stand er oft und dachte an Zuhause zurück. Und an den Krieg im Mittelmeer, wo er als Oberleutnant im Jagdgeschwader 2, mit seinen Kameraden jenen aussichtslosen Kampf gegen die wachsende Übermacht in der Luft zu fechten hatte. Und an jenen Palmsonntag 1943, an dem für ihn der Krieg zu Ende gegangen war.

      Für ihn ist alles, als sei es gestern gewesen.

      Die Erinnerung überwältigt ihn.

      Er ist unterwegs von Sizilien kommend mit sieben Maschinen Geleitschutz für einen riesigen Schwarm von Transportflugzeugen, Ju 52 und Messerschmitt Giganten. Im Luftkampf wird seine Messerschmitt 109 F flugunfähig geschossen. Er setzt die Maschine ins Wasser und hofft, dass sein Schlauchboot von deutschen Seenot-Flugzeugen entdeckt wird. Aber dann fischt ihn ein englischer Zerstörer aus dem Meer und er landet schließlich in einem Gefangenenlager in Kanada, nahe der Stadt Saskatoon. Dort meldet er sich freiwillig für die Arbeit in der Landwirtschaft. Er erinnert sich noch genau wie freundlich und ohne Vorurteile ihn die Musgroves aufnehmen.

      Szenen tauchen in seinem Gedächtnis auf, wie er gemeinsam mit der Familie am Tisch sitzt, glücklich über eine kräftige Mahlzeit. Wie dankbar John für jede Hilfe bei der schweren Farmarbeit ist. Welchen Spaß er hat beim Spiel mit den Kindern. Aber auch, wie der Winter mit seinen Minusgraden und fürchterlichen Stürmen alles Leben mit Schnee oder später im Frühjahr mit Staub zudeckt.

      Uwe kehrt zurück in die Gegenwart, als er Donnas Stimme hört, die ihn zum Essen ruft. Er gibt sich einen Ruck und geht nach oben.

      In der Wohnküche warten die beiden schon auf ihn. Am Tisch sitzend bemerkt John, dass die Runde kleiner geworden ist, seit die Kinder als Erwachsene das Haus verlassen haben. Nach einem kurzen Tischgebet beginnt jeder schweigend seine Mahlzeit. Es dauert eine Weile, bis Donna, die Uwe immer wieder mustert, das Schweigen bricht.

      „Wie lange hat es eigentlich damals gedauert, bis du zu Hause angekommen bist?“

      „Ich bin nie wieder nach Hause gekommen. Meine Heimat in Ostpreußen ist ja jetzt russisch. Ich wurde nach Westdeutschland entlassen, in die britische Besatzungszone. Über das Rote Kreuz habe ich nach vier Monaten erfahren, dass Inge, meine Frau, in Düsseldorf lebte. Da bin ich dann auch hingegangen. Inge war ja im Krieg Schreibkraft in einer Rüstungsfabrik. So hat sie bald eine gute Stelle bekommen, bei einem Wirtschaftsberater.“

      Uwe macht eine Pause.

      „Ich selbst habe alles Mögliche angefangen. Auch auf dem Schwarzmarkt versuchte ich etwas Geld zu verdienen. Aber es ist nichts Rechtes draus geworden. Dann bin ich, sozusagen aus Zufall, zu zwei alten Lastwagen mit Holzvergaser-Motoren gekommen und fing damit einen kleinen Fuhrbetrieb an. Das lief auch nicht schlecht. Ich war ja immer ziemlich geschickt in mechanischen Dingen und konnte somit die beiden alten Wracks am Laufen halten. 1948, als unsere Währung bis auf zehn Prozent abgewertet wurde kam ich ganz gut heraus. Ich habe drei Laster dazugekauft. Aber es ging nur mühsam weiter.“

      Uwe räuspert sich, seine Verlegenheit nur mühsam verbergend.

      „Ich hatte halt einfach kein Talent fürs Geschäftsleben. Also kurz und gut, es ging kaum mehr vom Fleck. Wir lebten zuerst vor allem von Inges Sekretärinnen-Gehalt.“ Uwes Stimme stockt. Leise fährt er fort.

      „Ja, sicher, sie hatte wohl mehr von mir erwartet. Und sie hat angefangen, darüber zu klagen, dass wir keine Kinder haben. Aber es hat nicht geklappt.“

      Er macht eine Pause.

      „Und was das Geschäftliche anbelangt, hat sie mir immer ihren Chef als Vorbild geschildert, er bringe ihr zunehmend mehr Vertrauen entgegen. Da hat es ein paarmal richtig gekracht. Und ich habe bemerkt, dass ihr der Chef, ein Junggeselle, schöne Augen machte. So sind wir immer mehr auseinandergedriftet. Hin und wieder war auch zu viel Alkohol mit im Spiel.“

      Uwe starrt vor sich hin. Ein wenig kleinlaut fährt er nach einer Pause fort.

      „Sicher, Inge hat sich viel Mühe mit mir gegeben. Auch nachdem ich aus unserer Wohnung ausgezogen bin. Und vielleicht wären wir wieder zusammengekommen, wenn das mit dem Unfall nicht passiert wäre. Wir verbrachten sogar wieder eine Nacht zusammen in ihrer Wohnung.“

      Er schluckt, als seine Stimme beinahe versagt.

      „Aber dann ist mir am nächsten Tag nachts auf der Königsallee ein Betrunkener direkt vor das Auto gerannt.“ Wieder eine Pause.

      „Er war sofort tot.“

      Donna legt mit einer mitleidigen Geste ihre abgearbeitete Hand auf Uwes verkrampfte Faust, die ein paar unkontrollierte Bewegungen auf dem Tischtuch gemacht hat.

      „Ich habe das wie ein Gottesurteil genommen. Und auch das Gericht hat eindeutig festgestellt, dass ich gar keine Chance gehabt hätte, so rechtzeitig zu reagieren, damit der Mann, der als notorischer Alkoholiker bekannt war, nicht von meinem Wagen erfasst worden wäre.“

      „Aber“, Uwes Augen sind unbeweglich und seine Stimme klingt heiser, „aber ich bin das einfach nicht mehr losgeworden. Es war mir, als hätte hier ein höheres Gericht gegen mich entschieden. Ich kam mir als Versager auf der ganzen Linie vor! Da war meine Ehe, die ich nicht ausfüllen konnte, meine Frau offensichtlich vom Glanz ihres erfolgreichen Chefs geblendet. Ja, wenn wir Kinder gehabt hätten. Aber das hat ja auch nicht geklappt! Im Geschäft war ich den harten Methoden der Branche in unserem Wirtschaftswunderland nicht gewachsen. Und nun das!“

      Er spricht leise, sein Blick in die Ferne gerichtet.

      John und Donna hören schweigend zu und vermeiden, ihr Mitleid offen zu zeigen.

      „Ich wollte neu anfangen, wollte Inge nicht mehr im Wege stehen. Ich habe sie nicht mehr gesehen, sondern in aller Stille durch meinen Anwalt die Scheidung einreichen lassen, alle Schuld an der Zerrüttung auf mich genommen, mein Geschäft verkauft und den Erlös bis auf einen Betrag, den ich hier zum Start von ganz unten brauchte, an sie überweisen lassen. Sobald ich vom kanadischen Konsulat die Einwanderungspapiere erhielt, bin ich abgereist.“

      Uwe macht einen erschöpften Eindruck. Aber man merkt ihm auch die Erleichterung an, sich das alles von der Seele geredet zu haben, was er tief im Innern mit sich herumschleppte.

      „Ja, es sind jetzt schon sieben Monate her. Mir wäre wohler, wenn ich wüsste, ob ich das Richtige getan habe!“

      Inge, heirate mich!“. Die Worte kommen leise, aber eindringlich. Die Augen hinter der randlosen Brille strahlen ruhige Entschlossenheit aus. Karl Harder hält Inge Breuers Hände mit den seinen fest umschlossen, als wolle er sie daran hindern, sich ihm zu entziehen.

      Er

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