Skandal um Zille. Horst Bosetzky

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Skandal um Zille - Horst Bosetzky

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Schauspielhaus gegeben hatte, war im Berliner Tageblatt in schönstem Berlinerisch zu lesen gewesen:

       Awa det Scheenste am Abend, det war janz hinten, in eener Losche, da saß son janz stilla, janz bescheidena oller Mann in jrauen Haaren, mit’n jrauen Anzuch, der kiekte sich, janz in die Ecke jedrückt, den Zimt an. Det war der Meester Zille selba, janz valejen, det die son Radau um ihn machen (…) Jeschwooft wurde bisn Morjen, et warn massenhaft Leute zujejen, uff Zillen uffjemacht, ick erwähne nur Ejon Erwin Kisch, der det verrückte Buch von den rasenden Reporter jeschrieben hat. (…) Im jrauen Morgen dusselte man iwa die Bricke, lang die Friedrichstraße, allens, wat man da sah, war von Zillen entworfen, un vaniejt det eene Ooche in die Morjenröte, det andere schon im Bette, singt man det scheene Lied: »Der Kellner hat’s Delirijum, die Wirtin latscht ins Hemde rum, die Jäste, die sin knille.«

      Nun wurde zum vierten »Hofball bei Zille« geblasen, diesmal im Sportpalast. Die Eintrittspreise lagen zwischen 12,50 und 50,00 Reichsmark, den Wohlfahrtszuschlag eingeschlossen. Das war eine Menge Geld für Banofsky und seine Freundin. Eigentlich hätten sie sich die Eintrittskarten gar nicht leisten können, aber Cilly hatte einen goldenen Ring, ein Erbstück, in die Pfandleihe getragen.

      Banofsky stand in der Potsdamer Straße und wartete auf Cilly, die eigentlich Cäcilie hieß. Sie hatte ursprünglich Schneiderin gelernt, aber auch einige Jahre die Hochschule der Künste besucht und Kostümbild studiert, ohne in einem Theater oder einer Filmfirma eine feste Anstellung zu finden. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie, indem sie gelegentlich für Damen der höheren Stände Kostüme und Ballkleider schneiderte.

      Straßenbahn auf Straßenbahn kam angerauscht und hielt vor dem Sportpalast. Hunderte stiegen aus, nur Cilly war nicht dabei. Langsam wurde Banofsky unruhig. Hübsch, wie seine Freundin war, wurde sie immer wieder angesprochen, und es sollte Männer geben, die nicht nur was hermachten, sondern im Gegensatz zu ihm auch noch eine Menge Geld verdienten. Banofsky ging ein wenig auf und ab, um sich zu beruhigen. An einigen Wänden hingen noch die Plakate vom Boxkampf Max Schmeling (Berlin) gegen Michele Bonaglia (Italien). Er kannte Leute, die sich zwar über den Sieg Schmelings riesig gefreut hatten, aber dennoch anhaltend fluchten, weil man den Kampf auf fünfzehn Runden angesetzt hatte, der Italiener aber schon in der ersten Runde K. o. gegangen war.

      Plötzlich prallte Banofsky mit einem Mann zusammen, der ungefähr in seinem Alter sein mochte. Erst wollten sie sich anschreien – »Passen Sie doch auf, Sie Trottel!« –, dann aber erkannten sie sich und lächelten. Banofsky stand Fred Hildenbrandt gegenüber, dem Feuilletonchef vom Berliner Tageblatt.

      »Was denn?« Banofsky staunte. »Sie als kulturell hochstehender Mensch bei dieser Schlimmer-geht’s-nimmer-Veranstaltung?« Um Banofsky zu zeigen, wie weit über ihm er angesiedelt war, antwortete Hildenbrandt mit Zeilen aus dem Faust. »Greift nur hinein ins volle Menschenleben! / Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt, / Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant.« Banofsky lächelte. »Ja, ja, wir leben in goldenen Jahren …« Hildenbrandt holte aus zu einem kleinen Exkurs. »In der Tat, es sind große und goldene Jahre für Journalisten, Schriftsteller, Theaterdirektoren, Redakteure, Regisseure, Schauspieler und Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Tänzer, Kabarettisten, Maler, Bildhauer, Zeichner, Musiker … Sehen Sie sich doch um, überall sind sie zu finden: in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, Theatern, Buchhandlungen und Antiquariaten, in ihren Varietés und Kabaretts, ihren Ateliers, ihren billigen und teuren Kneipen, Destillen, Restaurants und Cafés. Da sitzen sie zusammen – unter sich wie mit ihren Gästen, Lesern, Zuschauern und Zuhörern und quatschen, philosophieren, politisieren, genießen, schlucken, trinken, saufen, fressen … Das sind wir, wir auf unseren Inseln, aber außerhalb unserer Welt. Da tobt ein erbitterter und gnadenloser Kampf um Geld und Macht, da geht es um Existenz oder Untergang.«

      »Wie bei Zilles fünftem Stand«, warf Banofsky ein.

      »Genau …« Damit verabschiedete sich Hildenbrandt. Banofsky stellte sich in einen Hauseingang und notierte sich, was Hildenbrandt gesagt hatte, denn sein Zille-Film musste diese Berlin-Atmosphäre unbedingt einfangen. Auf einem anderen Zettel stand schon, was ihm Walther Kiaulehn vom Berliner Abendblatt gesagt hatte: Nie sei die Stadt größer, reicher, bunter, glänzender gewesen … Die Genusssucht und die neue Lebenskraft produzierten sich in prächtigen Restaurants und unzähligen Tanzsälen. Juden und Nicht-Juden belachten den nicht immer geschmackvollen jüdischen Witz, die Orchester unter ihren berühmten Dirigenten entzückten die feineren Ohren. Eine kostbare Theaterkunst, über die Max Reinhardt herrschte, breitete einen goldgesponnenen Zauberschleier über allem aus.

      Banofsky steckte seine Notizen wieder ein. Die Frage war, welchen Stellenwert Heinrich Zille in dieser Welt hatte. Bevor Banofsky sie nicht wenigstens halbwegs beantwortet hatte, konnte er kein Drehbuch beginnen. Zilles Bilder hingen in vielen ernstzunehmenden Galerien, er war als Professor in die Akademie der Künste aufgenommen worden – und er hatte viel getan, um auf die elende Lage des fünften Standes aufmerksam zu machen. Andererseits hatte er viele Auftragsarbeiten angefertigt, die in ihrer Rührseligkeit seiner Absicht der Aufklärung auf fast schon ärgerliche Art und Weise zuwiderliefen. Und er hatte sich vor zu viele Karren spannen lassen. Angefangen von seinen Zirkusplakaten – Wohin gehen wir denn heute? In den Circus Busch, Bahnhof Börse – bis hin zu den Zille-Bällen. Wie hatte man in einem Lied gelästert? Selbst Frau Hofrat Trumm / läuft als Nutte rum. Unangebracht fand Banofsky auch die Werbung für die Zille-Zigaretten: Ich rauche nur meine eigene Marke: Heinrich Zille, 5 Pfennige. Das Volk liebte ihn, aber liebte er sich auch selbst? Und wenn sein Herz wirklich ganz weit links schlug, warum hatte er in der Politik nie eine Rolle zu spielen versucht? Käthe Kollwitz hatte in dieser Hinsicht schon mehr bewirkt, obwohl auch sie nie in die SPD oder die K PD eingetreten war. Es gab noch eine Menge herauszufinden.

      Die nächste 76 kam herangerollt und hielt. Cilly? Da war sie! Banofsky eilte hin, sie in die Arme zu schließen.

      »Ich musste noch ein Ballkleid zu Ende nähen.«

      »Aber nicht für den Zille-Ball?«

      »Nein, für den Presseball.«

      Sie eilten in die Garderobe. Als sie dort ihre Mäntel abgelegt hatten und ein wenig später aus den Umkleideräumen herauskamen, präsentierte sich Banofsky als Budiker in Hemdsärmeln und blauer Schürze, Cilly trat als Harfenjule auf. Dabei hatte sie sich so hässlich gemacht, dass er zumindest an diesem Abend keine Angst vor aufdringlichen Kavalieren und Hahnenkämpfen haben musste. Sie nahmen ihre Plätze oben auf dem Rang ein und warteten gespannt auf den Beginn des Programms.

      »Hier habe ich vor vier Jahren beim Sechstagerennen gesessen«, erinnerte sich Banofsky. »Damals haben Richard Huschke und Franz Krupkat ihren Weltrekord aufgestellt, insgesamt 4544,2 Kilometer sind sie gefahren. Eine Zahl, die ich nie vergessen werde.«

      Cilly schüttelte den Kopf. »Womit ihr Männer euch so eure Gehirnzellen füllt!«

      »Und womit füllt ihr sie?«, fragte Banofsky zurück.

      »Wir träumen von Männern wie diesem …« Cilly deutete auf den Schauspieler, Kabarettisten und Komiker Harry Lambertz-Paulsen, der gerade an der Seite von Claire Waldoff die Halle betreten hatte und mit einigem Applaus begrüßt wurde.

      »Der Weg der Tränen”, spottete Banofsky und zählte noch eine Reihe von Filmen auf, um Cilly zu beweisen, dass er Lambertz-Paulsen nicht unbedingt als nächsten Träger des Iffland-Ringes vorschlagen würde. »Harry lernt Radfahren, Harry wird Familienvater, Harry als Wachsfigur …«

      Cilly sah ihn prüfend an. »Kann es sein, dass du ein wenig neidisch auf Lambertz-Paulsen bist?«

      »Ein wenig nur?«

      »Dann schreib

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