Die Welt unter Strom. Arthur Firstenberg

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Die Welt unter Strom - Arthur Firstenberg

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Entdecker Alexander von Humboldt stellte seinen eigenen Körper in seinen frühen 20er-Jahren zur Aufklärung dieses Geheimnisses zur Verfügung. Erst einige Jahre später verließ er Europa für eine langen Reise, die ihn weit den Orinoco hinauf und auf den Gipfel des Chimborazo treiben sollte. Entlang des Weges sammelte er Pflanzen und dokumentierte seine systematischen Beobachtungen der Sterne, der Erde und der Kulturen der amazonischen Völker. Ein halbes Jahrhundert verstrich, ehe er mit der Arbeit an seinem fünfbändigen Kosmos begann; ein Versuch, alle bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammenzufassen. Aber als junger Mann, der den Bergbau im bayerischen Bayreuth beaufsichtigte, beschäftigte er sich in seiner Freizeit mit der zentralen Frage seiner Zeit.

      Ist Elektrizität wirklich die allem zugrunde liegende Lebenskraft? Das fragten sich die Menschen. Diese Frage, die seit den Tagen von Isaac Newton leise an der Seele Europas nagte, wurde plötzlich sehr viel lauter. Sie verließ den hehren Bereich der Philosophie und wurde zum Tischgespräch der Allgemeinheit; ihre Kinder würden schließlich mit dem Ausgang dieser Gespräche leben müssen. Die elektrische Batterie, die durch den Kontakt unterschiedlicher Metalle Strom erzeugte, war gerade in Italien erfunden worden. Die Auswirkungen waren enorm: Reibungsmaschinen – sperrig, teuer, unzuverlässig und abhängig von atmosphärischen Bedingungen – waren jetzt möglicherweise nicht mehr nötig. Telegrafensysteme, die bereits von einigen Vordenkern entworfen wurden, könnten jetzt praktikabel werden. Und vielleicht kommen wir jetzt den Antworten auf Fragen über die Natur des elektrischen Fluidums näher.

      In den frühen 1790er-Jahren stürzte sich Humboldt mit Begeisterung in diese Forschung. Er wollte unter anderem wissen, ob er diese neue Form der Elektrizität mit seinen eigenen Augen, Ohren, seiner Nase und den Geschmacksnerven wahrnehmen konnte. Andere führten ähnliche Experimente durch – Alessandro Volta in Italien, George Hunter und Richard Fowler in England, Christoph Pfaff in Deutschland, Peter Abilgaard in Dänemark – aber keiner so gründlich und sorgfältig wie Humboldt.

      Bedenken Sie, dass wir heute, ohne weiter darüber nachzudenken, Neun-Volt-Batterien mit unseren Händen anfassen. Vergessen Sie auch nicht, dass Millionen von uns mit Zahnfüllungen aus Silber und Zink sowie Gold, Kupfer und anderen Metallen im Mund herumlaufen. Dann betrachten Sie folgendes Experiment von Humboldt mit einem Stück Zink und einem Stück Silber, das eine elektrische Spannung von etwa einem Volt erzeugte:

      „Ein großer Jagdhund, von Natur aus faul, ließ sich sehr geduldig ein Stück Zink gegen seinen Gaumen legen. Er reagierte auch nicht, als ein weiteres Stück Zink mit dem ersten Stück und seiner Zunge in Kontakt gebracht wurde. Aber sobald man seine Zunge mit dem Silber berührte, zeigte er seine Abneigung auf komische Weise: Seine Oberlippe verkrampfte sich, und daraufhin leckte er sich für lange Zeit. Sobald man ihm nach dieser Erfahrung ein Stückchen Zink zeigte, erinnerte er sich an sein Erlebnis und wurde aggressiv.“

      Die Leichtigkeit, mit der Elektrizität wahrgenommen werden kann, und die Vielfalt der Empfindungen wären heute für die meisten Ärzte eine Offenbarung. Als Humboldt mit dem Stück Zink die Oberseite seiner eigenen Zunge und mit dem Stück Silber die Zungenspitze berührte, war der Geschmack stark und bitter. Als er das Stück Silber unter die Zunge schob, brannte sie. Wenn er das Zink weiter nach hinten und das Silber nach vorne bewegte, fühlte sich seine Zunge kalt an. Und als er dann das Zinkstück noch weiter nach hinten schob, wurde ihm übel und manchmal erbrach er sich sogar. Das passierte nie, wenn die beiden Metallstücke aus demselben Material bestanden. Die Empfindungen traten immer dann auf, sobald die Zink- und Silberstücke in metallischen Kontakt miteinander gebracht wurden.3

      Ein Sehgefühl ließ sich ebenso leicht mit vier verschiedenen Methoden unter Verwendung derselben Ein-Volt-Batterie auslösen: durch Anbringen des silbernen „Ankers“ auf einem angefeuchteten Augenlid und dem aus Zink auf dem anderen; oder einer in einem Nasenloch und der andere auf einem Auge; oder einer auf der Zunge und einer auf dem Auge; oder sogar einer auf der Zunge und einer gegen das obere Zahnfleisch. In dem Moment, in dem sich die beiden Metalle berührten, sah Humboldt jedes Mal einen Lichtblitz. Wenn er das Experiment zu oft wiederholte, entzündeten sich seine Augen.

      In Deutschland richtete Humboldt währenddessen seine Aufmerksamkeit auf das Herz. Dafür verwendete er wieder dieselben Einzelstücke aus Zink und Silber. Zusammen mit seinem älteren Bruder Wilhelm und unter Aufsicht renommierter Physiologen entfernte Humboldt einem Fuchs das Herz. Dann bereitete er eine der Nervenfasern vor, damit die Anker darauf angebracht werden konnten, ohne das Herz selbst zu berühren. „Bei jedem Kontakt mit den Metallen änderten sich die Pulsationen des Herzens deutlich. Ihre Geschwindigkeit, vor allem aber ihre Intensität und ihre Höhe wurden gesteigert“, notierte er.

      Danach experimentierten die Brüder mit Fröschen, Eidechsen und Kröten. Wenn das sezierte Herz 21 Mal pro Minute schlug, so waren es nach der Galvanisierung 38 bis 42 Mal pro Minute. Wenn das Herz fünf Minuten lang aufgehört hatte zu schlagen, startete es sofort wieder, sobald es mit den beiden Metallen in Kontakt gebracht wurde.

      Zusammen mit einem Freund in Leipzig stimulierte Humboldt das Herz eines Karpfens, das fast aufgehört hatte zu schlagen und nur alle vier Minuten noch einmal pulsierte. Während eine Herzmassage erfolglos blieb, stellte die Galvanisierung die Frequenz wieder auf 35 Schläge pro Minute her. Die zwei Freunde stimulierten das Herz wiederholt mit einem einzigen Paar unterschiedlicher Metalle und es gelang ihnen, es fast eine Viertelstunde lang weiterschlagen zu lassen.

      Bei einer anderen Gelegenheit gelang es Humboldt sogar, einen sterbenden Hänfling wiederzubeleben. Der Vogel lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und reagierte nicht einmal auf einen Nadelstich. „Ich beeilte mich, ein kleines Stückchen Zink in seinen Schnabel und ein kleines Stück Silber in sein Rektum zu schieben“, schrieb er, „und stellte sofort mit einem Eisenstab eine Verbindung zwischen den beiden Metallen her. Ich konnte es kaum glauben, als der Vogel zum Zeitpunkt des Kontakts die Augen öffnete, sich auf die Füße stellte und mit den Flügeln schlug. Er atmete noch einmal sechs oder acht Minuten lang und starb dann ruhig.“5

      Niemand hat je bewiesen, dass eine Ein-Volt-Batterie ein menschliches Herz wieder zum Schlagen bringen kann, aber Dutzende von Beobachtern vor Humboldt berichteten, dass Elektrizität die menschliche Pulsfrequenz erhöht. Dieses Wissen besitzen die heutigen Ärzte nicht mehr. Die deutschen Ärzte Christian Gottlieb Kratzenstein6 und Carl Abraham Gerhard,7 der deutsche Physiker Celestin Steiglehner,8 der Schweizer Physiker Jean Jallabert,9 die französischen Ärzte François Boissier de Sauvages de la Croix,10 Pierre Mauduyt de la Varenne11 und Jean-Baptiste Bonnefoy,12 der französische Physiker Joseph Sigaud de la Fond13 und die italienischen Ärzte Eusebio Sguario14 und Giovan Giuseppi Veratti15 waren nur einige der Beobachter, die berichteten, dass ein elektrisches Bad die Pulsfrequenz bei Verwendung von positiver Elektrizität um fünf bis 30 Schläge pro Minute erhöhte. Negative Elektrizität hatte den gegenteiligen Effekt. 1785 führte der niederländische Apotheker Willem van Barneveld 169 Studien mit 43 seiner Patienten

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