Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

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Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis

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      Oje, vermutlich war sie inzwischen wieder umgekippt wie die beiden Male zuvor. Hoffentlich würde Professor Weissinger keinen Arzt rufen oder so etwas.

      Wenigstens falle ich auf dem Papierkram weicher als vorhin auf den Pflastersteinen vor der Uni, dachte sich Mara und fand sich dabei sogar fast ein bisschen … na ja … cool.

      Doch als sie plötzlich merkte, dass sie nicht allein war auf dem Steg, schmolz ihre Coolness dahin wie Scheibletten-Käse auf einem Toaster: Direkt vor ihr am Ende des Stegs stand ein Mann. Er hatte den Rücken zu ihr gedreht und raffte mit ausladenden Bewegungen ein Fischernetz zusammen. Mara hatte keine Zweifel, wer der Mann vor ihr war, und sofort ging ihr Atem schneller.

      Er kann mich nicht sehen, auch wenn er sich umdreht. Die anderen Male hat mich auch keiner gesehen, oder? Also ganz ruhig, er kann mir nichts tun, weil er gar nicht weiß, dass ich da bin, dachte Mara. Trotzdem stand sie nicht auf, sondern blieb erst mal auf den Planken sitzen. Nur zur Sicherheit.

      Der Mann trug eine Art Kleid aus grober Wolle oder vielleicht Leinen. Es war dunkelrot gefärbt, aber viel unregelmäßiger, als Mara es von ihren Klamotten kannte. Das eher schmucklose Kleidungsstück reichte ihm bis über die Knie und war über der Hüfte gerafft mit einem Gürtel, an dem ein auffallend verzierter Dolch in einer Scheide befestigt war. Seine Beine waren mit einem ähnlich groben Stoff umwickelt, der von Lederbändern an den Waden gehalten wurde.

      Mara konnte nicht umhin, sich kurz vorzustellen, wie fürchterlich das jucken musste! Ihr selbst waren ja schon gestrickte Mützen unerträglich. Vor allem, wenn ihre Mutter sie gestrickt hatte, denn dann kratzten sie nicht nur – sie sahen auch noch doof aus.

      Der Mann sah das vielleicht genauso, denn eine Mütze trug er nicht. Dafür war sein langes blondes Haar zu einem kunstvollen Knoten geformt. Seltsamerweise trug er ihn aber nicht am Hinterkopf, sondern an der Seite, knapp über dem rechten Ohr. Käme Mara mit einem solchen Haarknoten über dem Ohr in die Schule, wären sogar noch in Australien die Leute auf die Straße gelaufen, um nachzusehen, woher das Gelächter kam.

      Der Mann warf nun sein riesiges Fischernetz hinaus in den nebligen Fluss. Mara runzelte die Stirn. Sie wusste zwar nicht genau, wie man als Fischer ein Netz auszuwerfen hatte, aber das sah irgendwie anders aus. Der Mann wirkte nämlich überhaupt nicht wie jemand, der diese Bewegungen schon Hunderte von Malen gemacht hatte, sondern eher wie … Mara überlegte. Irgendwo hatte sie dieses komische Gehabe doch schon mal gesehen …

      Und da fiel es ihr plötzlich ein: Im Fernsehen! Genau, der Mann erinnerte sie an die aufgedonnerten Grinsebacken aus den Dauerwerbesendungen. Er wirkte, als wolle er sich selbst und der Welt besonders eindrucksvoll die Vorzüge dieses großartigen Profi-Fischernetzes demonstrieren, um dann zu verkünden, dass man dazu noch diese Hochleistungs-Präzisions-Angel und diesen titaniumverstärkten Power-Kescher mit Beschichtung aus der Raumfahrt umsonst bekommen würde – vorausgesetzt, man riefe sofort an!

      Mit spielerischen, fast tänzelnden Bewegungen holte der Mann das Netz wieder ein. Dabei schien es ihn nicht im Geringsten anzustrengen, ein mehrere Meter langes Netz mitsamt einem wild wuselnden Haufen armlanger Fische auf den Steg zu wuchten. Und jedes Mal, wenn er nachgreifen musste, ließ er vorher den Arm durch die Luft sausen wie ein schlechter Straßenpantomime, bevor er zum imaginären Treppengeländer griff.

      Dieser Mann tat ja gerade so, als wäre dieses simple Fischernetz die größte Sache seit Erfindung des Rades. Nein, er benahm sich, als hätte er das Fischernetz höchstpersönlich erfunden!

      »Das hab ich auch, und zwar erst gestern«, sagte der Mann, drehte sich herum und sah Mara an. Mit seinen schwarz glänzenden Augäpfeln, leuchtend wie ein schwarzer Mond in einer weißen Nacht. Mit den Augen des Mannes, den Mara eben noch auf dem Bild gesehen hatte. Mit den Augen des Mannes, den die Götter auf den Felsen gebunden hatten.

      »So erstaunt über die eigene Gabe, Litilvölva?«, fragte Loki. Dabei grinste er breit und seine dünnen Lippen umrahmten perlmuttweiß blitzende Zähne.

      Und Mara schrie so laut, wie sie noch nie zuvor geschrien hatte. Sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück und bemerkte im gleichen Moment den Fehler, als sie plötzlich keinen Boden mehr unter sich spürte. Gerade noch konnte sie sich an einer der dicken Bohlen des Stegs festhalten und hing nun hilflos im eiskalten Wasser des Flusses. Der riss mit erstaunlicher Kraft an ihren Beinen, als wolle er sie zu sich hinunterziehen!

      »Hilfe!«, rief Mara: »Bitte helfen Sie mir!« Und tatsächlich sah es für einen Moment so aus, als würde Loki sich zu ihr hinunterbeugen.

      Doch da erstarrte das spöttische Lächeln im Gesicht des Mannes. Er musste irgendetwas entdeckt haben, das ihm einen fürchterlichen Schrecken einjagte, denn sofort wandte er sich von Mara ab und verschwand vom Rand des Stegs.

      Gleichzeitig spürte Mara, wie etwas Schweres über den Steg rumpelte und dabei die Holzbohlen immer stärker vibrieren ließ!

      Sie konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Loki mit einem weiten Satz vom Ende des Stegs sprang … und doch nicht im Wasser aufschlug. Stattdessen tauchte ein rötlich glänzender Fisch in die Wellen, sprang noch einmal übermütig in die Luft, bevor er dann endgültig in den Fluten verschwand.

      Für eine Sekunde vergaß Mara ihre missliche Lage, als sie begriff, dass sich dieser Mann gerade vor ihren Augen in einen Fisch verwandelt hatte.

      Da donnerte der geheimnisvolle Verfolger auch schon an ihr vorbei und das Letzte, was Mara erkennen konnte, waren das Geweih und die Hufe eines Geißbocks und das Rad eines riesigen Streitwagens. Der wackelige Steg ächzte noch ein letztes Mal unter dem Gewicht des mächtigen Gespanns, doch dann gab er endgültig nach. Seile platzten, armdicke Bohlen wurden in die Luft geschleudert, überall krachte und dröhnte es, als der Steg sich in seine Einzelteile auflöste und Mara unbarmherzig mit sich riss.

      »Nein!«, schrie sie und wusste nicht, ob sie es laut geschrien hatte oder nur in ihrem Kopf. Doch da umschloss sie der reißende Fluss auch schon mit seinen eisigen Armen …

      Mara versank wie ein Stein und die Kälte schnürte ihr den Hals zu. Ein schwerer Balken verfehlte sie nur um Haaresbreite und schwebte für einen Moment neben ihr, als würden sie zusammen eine Art Unterwasserballett aufführen. Mara brauchte einen Moment, bis sie die Chance erkannt hatte, doch dann griff sie endlich zu und umklammerte das Holz mit beiden Armen.

      Als sie nach ein paar weiteren endlosen Sekunden tatsächlich wieder die Wasseroberfläche durchbrach, war sie schon viele Meter von den Resten des Stegs entfernt. Immer weiter riss sie die Strömung fort und jede Hoffnung, wieder zum Steg zurückzugelangen, schwand ebenso schnell wie Maras Kräfte. Trotz der Kleider, die sie nach unten zogen, versuchte sie, den Kopf über Wasser zu halten, und klammerte sich mit dem Mut der Verzweiflung an dem glitschigen Balken fest.

      Mit verschwommenem Blick nahm Mara noch wahr, dass der weit entfernte Wagen mit den Böcken mitten im Fluss mühelos der Strömung trotzte. Eine riesenhafte Gestalt hielt die Zügel mit einer Hand und schwang mit der anderen ein Fischernetz in weitem Bogen um sich. Lokis Fischernetz?

      Doch da wurde die Gestalt auch schon vom Nebel verschluckt und Mara sah gar nichts mehr außer Wasser und milchigem Weiß …

      Das dumpfe Brausen des Wasserfalls nahm Mara einfach nur noch hin. Sie hatte nicht mehr die Kraft zu schreien. Es wäre auch völlig sinnlos gewesen, sich gegen die Strömung zu wehren. Und als sie schließlich zusammen mit den Wassermassen in die Tiefe stürzte, spürte Mara nur noch, dass sie nicht mehr Wasser treten musste …

      Mara erinnerte sich nicht an den Aufschlag. Eben war sie

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