Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

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Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis

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paar Meter vor dem Eingang eine Art Denkmal flach in die Pflastersteine auf dem Boden eingearbeitet war. Sie wollte erst drum herumlaufen, aber genau in dem Moment flog ihr ein ziemlich großer schwarzer Vogel laut krähend direkt entgegen. Und dieser Vogel machte keinerlei Anstalten, ihr aus dem Weg zu fliegen!

      Mara ging einen Schritt zur Seite und der Vogel flatterte tatsächlich genau dort an ihr vorbei, wo sich gerade noch Maras Kopf befunden hatte. Aber dadurch tappte sie nun doch auf das eingelassene Kunstwerk …

      Kaum hatte die Sohle ihres Schuhs das polierte Metall im Boden berührt, explodierte ein Bild so urplötzlich in ihrem Kopf, dass sie fast in die Knie gegangen wäre.

      Trotz der Überraschung unterdrückte Mara einen ersten Impuls, das Bild sofort zu vertreiben. Sie dachte daran, was der Zweig ihr gesagt hatte. Sie war nun mal eine Spákona und sie musste wohl oder übel lernen, mit ihrer Gabe umzugehen. Also zwang sich Mara zu ignorieren, dass sie auf einem Platz voller Studenten stand, die sie jetzt womöglich alle verwundert anstarrten, und als sie die Augen schloss, war ihr, als würde sich dafür ein inneres Auge öffnen …

      Direkt vor ihr stand eine junge Frau mit schulterlangen dunklen Haaren. Sie blickte von einer Art Balkon oder Balustrade hinunter in eine große Halle mit vielen Menschen. Die Frau hielt einen Stapel eng beschriebener Blätter mit beiden Händen an die Brust gedrückt. Sie presste die Lippen zusammen, ihre Finger gruben sich tief in die Blätter … und mit einem Mal warf sie den ganzen Stapel hoch in die Luft … wie in Zeitlupe fächerten sich die Blätter auf, und für einen Moment wirkte es, als würden sie sich entschließen einfach in der Luft stehen zu bleiben … bis sie dann doch tänzelnd und leise raschelnd in die Tiefe taumelten … Der Anblick war wunderschön und auf eine seltsame Weise erhebend.

      Obwohl Mara nicht wusste, was das alles zu bedeuten hatte, war ihr klar, dass dieser Moment etwas ganz Besonderes sein musste.

      Doch in derselben Sekunde erstarrte sie: Das Bild hatte sich plötzlich verändert. Mara blickte auf eine Konstruktion aus Holz, an deren oberem Ende etwas metallisch glänzte. Bevor sie Gelegenheit hatte zu erkennen, worum es sich handelte, raste das glänzende Etwas an ihr vorbei und schlug mit einem Geräusch auf, das Mara das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie schreckte hoch …

      Als sie die Augen öffnete, standen mehrere Leute um sie herum. Sie spürte tastende Finger an ihrem Handgelenk.

      »Kannst du mich hören? Hallo?«, fragte eine tiefe Stimme und jemand hielt ihr Wasser aus einer Plastikflasche entgegen.

      Zitternd griff Mara nach der Flasche und nahm einen Schluck. Schließlich fand sie auch ihre Stimme wieder.

      »Was … was ist denn passiert?«, stammelte sie und blickte den Mann an, der offensichtlich ihren Puls fühlte.

      »Du bist umgekippt, junge Frau«, sagte er und wendete sich dann zu den Umstehenden. »Bitte geht doch ein Stück zurück, ihr zerdrückt die Kleine ja fast.«

      Sofort folgten alle seiner Bitte.

      Mara sah den Mann neben sich verwundert an. Er war älter als ihre Mutter, aber noch nicht so alt wie ihr Opa. Er trug eine Art Sakko aus grobem, bräunlichem Stoff, ein helles Hemd und eine bequem wirkende Cordhose mit ausgebeulten Knien und einem dicken Schlüsselbund am Gürtel. Neben ihm stand eine ehemals vermutlich schwarze Ledertasche mit einem abgegriffenen Henkel, der so dünn und spröde wirkte, als würde er bei der nächsten Berührung zu Staub zerfallen.

      Obwohl der Mann einen dichten weißen Vollbart trug und eine altmodische Brille auf der Nase hatte, wirkte er doch irgendwie jung. Das mochte vielleicht an seinen auffallend grünen Augen mit den kleinen Lachfältchen drum herum liegen. Mit einer seltsamen Mischung aus jungenhafter Neugier und erfahrenem Wissen funkelten sie Mara an.

      »Da hast du dir ja einen geschichtsträchtigen Platz für deine Ohnmacht ausgesucht«, brummte der Mann unter seinem Bart hervor. Irgendwie hatte seine Stimme eine beruhigende Wirkung auf Mara. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie direkt auf dem eingelassenen Denkmal saß, auf das sie getreten war. Der Mann schien zu bemerken, wohin sie blickte, und sagte: »Ja, deswegen heißt das hier Geschwister-Scholl-Platz. Habt ihr wohl noch nicht in der Schule durchgenommen, oder?«

      Mara schüttelte den Kopf. In dem Moment schien sich der Mann daran zu erinnern, dass er immer noch Maras Handgelenk hielt.

      »Oh, entschuldige. Puls ist da. Ich würde mal sagen, du lebst noch, oder was meinst du?« Er lächelte. Dann streckte er ihr die Hand entgegen und half ihr aufzustehen.

      Wortlos ließ sich Mara von ihm hochziehen.

      »Na also, geht doch schon wieder ganz gut«, sagte der Mann. »Willst du noch einen Schluck Wasser?«

      »Nein, danke«, antwortete Mara. »Und danke für … die Hilfe.«

      »Aber das ist doch selbstverständlich, junge Dame. Oh, entschuldige, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Weissinger mein Name. Reinhold Weissinger. Ich bin hier an der Uni Professor für …«

      »Germanische Mythologie«, vollendete Mara freudig seinen Satz. Sie konnte ihr Glück gar nicht fassen! Am liebsten hätte Mara dem Kamikaze-Vogel gedankt, ließ es aber aus mehreren Gründen sein. Einer davon war, dass der Vogel weit und breit nicht mehr zu sehen war …

      Der Professor blickte sie mit einer belustigten Mischung aus Neugier und gespieltem Stolz an.

      »Hoppla! Nun denn, wenngleich ich mich natürlich geehrt fühle, dass mein Name bis über die Universitätsmauern hinausgedrungen zu sein scheint, muss ich doch gestehen, dass ich neugierig bin, woher du meinen Namen kennst, junges Fräulein.«

      »Aus dem Internet!«, antwortete Mara aufgeregt. »Ich war auf der Suche nach jemandem, der sich mit … mit …« Sie verzichtete darauf, das Wort Spákona in den Mund zu nehmen, und sagte stattdessen: »… der sich mit germanischen Göttern auskennt und noch lebt.«

      Im selben Moment erkannte sie, dass das wohl nicht sonderlich charmant ausgedrückt war, aber der Professor schien es ihr nicht übel zu nehmen – ganz im Gegenteil.

      Er grinste, als er sagte: »Nun ja, ein bisschen Zeit hab ich wohl noch. Nicht so viel wie du vielleicht – aber ich hoffe, es genügt, um deine Fragen zu beantworten. Bitte folgen Sie mir in mein Besprechungszimmer, junge Dame.«

      Er machte ein schalkhaftes Zuhörergesicht und setzte sich auf den breiten Rand des großen Brunnens. Dann schlug er mit einer überraschend gelenkigen Bewegung die Beine übereinander, schob sich mit dem Zeigefinger die Brille etwas zu tief auf die Nasenspitze und blickte Mara über die Gläser hinweg mit dem übertriebensten Professorenblick an, den sie jemals gesehen hatte.

      Mara konnte nicht anders: Sie musste lachen. Es tat ihr richtig gut! Sie setzte sich neben den Professor und überlegte kurz, was genau sie eigentlich fragen wollte.

      Dann atmete sie ein Mal tief durch und sprach: »Also, mein Name ist Mara Lorbeer, ich wohne in der Au, in der Edlingerstraße und … und …«

      Eigentlich war es völlig unerheblich, wo sie wohnte, aber irgendwie fühlte sich Mara jetzt besser. Sie hatte das Gefühl, dass sie wieder im Hier und Jetzt angelangt war.

      Allerdings war sie immer noch nicht bereit, dem Professor wirklich alles zu erzählen. Und so stellte sie stattdessen erst einmal eine andere Frage: »Also, ich wüsste gerne, wie man … Loki wieder fesseln könnte, wenn er … falls er sich … befreien könnte. Eventuell.«

      Wenn

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