Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

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Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis

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den Rücken beugten und ihn so mit einer fürchterlichen Gewalt auf die spitzen Felsen drückten. Lebendige Fesseln? Mara spürte, wie die Panik in ihr hochstieg, und musste sich zwingen, weiter zuzusehen.

      Fast glaubte sie nun zu hören, wie sich die schroffen Kanten in den Körper bohrten. Und sie sah, dass sich die Fesseln veränderten … Hatten sie eben noch nass und irgendwie weich gewirkt, schien es nun, als seien sie aus glänzendem Eisen geschmiedet. Und als sich der Mann gegen die Fesseln sträubte, bewegten sie sich keinen Millimeter.

      Mara wollte sich abwenden und wagte es doch nicht, die Bilder zu vertreiben. Sie sah, wie sich die Schatten der anderen Männer zurückzogen und eins wurden mit der Dunkelheit in der Höhle …

      Und da entwand sich der Kehle des blonden Mannes ein seltsames Geräusch. Es passte so wenig zu der Situation, in der er sich befand, dass Mara erst gar nicht erkannte, was es war. Doch schließlich verstand sie, was der Mann tat. Er lachte. Er lachte sowohl höhnisch als auch wütend, schmerzerfüllt und hysterisch. Gleichzeitig aber klang dieses Lachen so verzweifelt, dass Mara scharfe Tränen in die Augen schossen.

      Die Stimme des Mannes wurde immer lauter, immer schriller, und Mara fühlte sich erst an den Schrei eines Raubvogels erinnert. Im nächsten Atemzug aber war ihr, als wäre es ein tief grollender Bär, nein, ein heiser jaulender Wolf … und doch eine menschliche Stimme.

      Die Höhle erzitterte, die Tropfsteine an der hohen Decke knackten bedrohlich. Mara duckte sich unwillkürlich, als neben ihr einer der Kalksteine aufschlug und explosionsartig in Scherben und Staub zerbrach. Doch urplötzlich war es wieder so still, dass Mara Angst hatte, der Mann würde sie atmen hören … Da! Sah er nicht gerade zu ihr hinüber? Mara hielt den Atem an, obwohl ihre Lungen sich anfühlten, als würden sie gleich platzen … Nein. Sie musste sich getäuscht haben. Der Kopf des Mannes sank erschöpft auf das steinerne Bett und er blickte ins Nichts.

      Sie wagte es wieder, flach zu atmen, und sah sich um.

      Die Höhle war erfüllt von dem steinernen Staub des zerborstenen Kalksteins und drehte sich langsam in dem gleißenden Lichtkegel wie eine Windhose in Zeitlupe.

      Da erkannte Mara im Halbdunkel neben dem Gefangenen eine weitere Gestalt, die sich zögerlich aus den Schatten löste. Als sie schließlich ins Licht trat, blickte Mara in das traurigste Gesicht, das sie jemals gesehen hatte. Es war das Gesicht einer Frau. In der Hand hielt sie eine Holzschale. Doch ihr Blick war nicht auf den Gefesselten gerichtet, sondern auf irgendetwas, das sich oberhalb seines Kopfes aus der Dunkelheit schälte. Ein bösartiges Zischen, das Mara eine Gänsehaut über den Rücken jagte, drang dazu zwischen den Tropfsteinen hervor und erfüllte die Höhle mit einem mehrstimmigen Echo. Der Gefesselte schien etwas zu schimpfen oder zu fluchen, doch die Frau an seiner Seite blieb still. Stattdessen hob sie langsam die Holzschale empor und …

      Die Bilder verschwanden wie in einer Nebelwand. Mara sog die Luft ein, als wäre sie nach einem Tauchgang durch die Wasseroberfläche gestoßen, riss die Augen auf und … starrte verwirrt auf die Unterseite ihres Schreibtischs.

      Sie lag zum zweiten Mal auf dem Rücken in ihrem Zimmer, ihre Augen waren rot und ihr Gesicht nass von Tränen.

      »Wer ist dieser Mann? Was hat er getan, dass man ihn so quält?«

      Mara fiel es schwer, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. Auf eine seltsame Weise fühlte sie sich mitschuldig an dem Schicksal des Mannes, obwohl sie nichts getan hatte, außer zuzusehen. Oder etwa, weil sie nichts getan hatte? Aber was hätte sie denn tun sollen? Doch da spürte Mara noch etwas anderes: Ja, irgendetwas hatte sie daran gehindert, ihm zu helfen. Sie hatte außer Mitleid noch etwas gefühlt. Ja, natürlich hatte sie Angst gehabt – aber nicht nur vor dem geheimnisvollen Mann oder seinen Feinden! Nein, Mara hatte vielmehr Angst vor sich selbst gehabt. Davor, eine große Dummheit zu begehen, eben weil sie so viel Mitleid mit dem Gefesselten hatte. Was für ein seltsames Gefühl …

      Und schon wieder eine ungelöste Frage mehr! Mara zwang sich dazu, mit dem Grübeln aufzuhören, und warf die Frage zu den anderen auf den riesigen Haufen. Dann atmete sie abermals tief durch und rappelte sich auf.

      Nachdem sie sich an der Tischplatte hochgezogen und sich mit einem leisen Seufzer auf ihrem Drehstuhl niedergelassen hatte, stellte sie dem Zweig noch einmal dieselbe Frage.

      »Wer ist dieser Mann und was hat er getan?«

      Hoffentlich hatte der geheimnisvolle Auftraggeber dem Zweig wenigstens das mit auf den Weg gegeben. Denn wie sollte sie den Mann sonst befreien? Und das war es doch sicher, was man von ihr verlangte, oder?

      Der Zweig aber schwieg und Mara spürte, wie die Angst in ihr immer stärker wurde. War der Zweig vielleicht bereits … bitte nicht, noch nicht!

      Doch da ertönte endlich die inzwischen vertraute Stimme des Zweiges in ihrem Kopf und Mara beruhigte sich.

      »Ganz im Gegensatz zu dir bin ich leider nicht mit der Gabe des Sehens gesegnet«, sprach er sanft. »Ich glaube auch, dass dies ein Talent ist, das nur euch Menschen vorbehalten ist.« Der Zweig seufzte. »Das ist wohl auch der Grund, warum man sich immer schon gerne der Pflanzen als Botschafter zwischen den Mächtigen und den Menschen bediente.«

      Der Zweig schien sich noch einmal in seinem Glas hochzustemmen. »Nun ist es Zeit für den letzten Teil der Nachricht, Mara. Hör gut zu, ich werde es nicht wiederholen können, denn meine Kräfte schwinden. Aber mach dir keine Sorgen, das ist ganz normal. Wie alles auf der Welt komme auch ich wieder, selbst wenn es vielleicht ein bisschen dauert.«

      Mara wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, und musste stumm zusehen, wie sich der Zweig ein letztes Mal aufrichtete. Nur das leise Zittern ihrer Unterlippe konnte sie nicht abstellen. Die nun folgenden Worte brannten sich so unauslöschlich in Maras Bewusstsein, als hätte man sie ihr direkt aufs Großhirn tätowiert. Und zwar in leuchtendem Rot und mit einem dicken Pfeil daneben.

      »Fürchte dich vor Loki, halb Gott, halb Riese, listiger Lügner, wortgewandter Schmähredner, trickreicher Gestaltwandler, Bringer von Streit und Zwietracht, einst Freund und Gefährte der Götter, dann hinterlistiger Feind und Vater noch größerer Feinde

      Mara wusste sofort, dass damit niemand anderes als der Gefesselte gemeint war, obwohl sie all das gerade zum ersten Mal hörte. Der Zweig klang, als würde er alles auswendig aufsagen, als er weitersprach:

      »Die Fesseln, mit denen wir den Loki einst banden, drohen sich zu lockern. Darum finde ihn und binde ihn. Du hast die Gabe des Sehens, du wirst sehen, wo andere suchen, und du wirst wissen, wo andere zweifeln. Versagst du, droht das Ende. Nur du stehst zwischen uns und …«

      Der Zweig hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, seine Blätter hatten sich bereits eingerollt. Mara fühlte sofort wieder, wie ihr die Panik den Hals zuschnürte. Was sollte sie denn tun ohne den Zweig? Oder würde sie gleich aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Traum war?

      Plötzlich gaben die Blätter nach und der Zweig rutschte in das Glas zurück. Mara erschrak und fischte ihn behutsam aus dem Wasser, das inzwischen eine leicht gelbliche Färbung angenommen hatte.

      Die Stimme des Zweiges in Maras Kopf war nur noch ein leises Flüstern, als er versuchte die Botschaft zu Ende zu bringen »… zwischen uns und den …«

      Wieder rutschte der Zweig ein Stück weiter in die gelbliche Flüssigkeit, hielt sich aber einen Moment, als müsste er noch etwas loswerden, und hauchte ein letztes Wort.

      Für

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