Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis
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Читать онлайн книгу Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis страница 6
Mara starrte den Zweig verständnislos an. »Was bin ich?«, fragte sie, und der Zweig wiederholte das Wort noch einmal sehr langsam und überdeutlich: »Spá-ko-na. Eine Spákona.«
Der Zweig hielt kurz inne.
»Du weißt nicht zufällig, was das bedeutet?«, fragte er, aber Maras Gesichtsausdruck machte eine Antwort überflüssig. Der Zweig seufzte. »Tja, dann sind wir schon zwei. Aber so hat man mir das aufgetragen. Du bist eine Spákona! Was immer es ist – du bist es. Herzlichen Glückwunsch. Oder Beileid. Oder beides. In jedem Fall bitte merken: Spákona!«
»Äh … ich … ich schreib’s mir auf«, stammelte Mara und schrieb das Wort ebenso gewissenhaft wie verwirrt mit Bleistift auf die vollgekritzelte Unterlage auf ihrem Schreibtisch. Dabei bemerkte sie, dass sie über das a einen kleinen Strich gemacht hatte, obwohl sie dieses ungewöhnliche Detail niemals so aus den Worten des Zweigs hätte heraushören können. Trotzdem hatte sie das seltsame Strichlein ebenso unbewusst mitgeschrieben, wie sie auch einen Punkt über ein i gesetzt hätte.
Dann sah sie wieder den Zweig an, und zwar mit dem Blick eines vier Meter großen, leuchtend rot blinkenden Fragezeichens, das jeden Moment in den schillerndsten Farben platzen und das gesamte Zimmer verwüsten würde, wenn nicht sofort irgendjemand erklärte, wer oder was eine Spákona war!!!
Falls der Zweig Maras fragenden Blick bemerkte, ließ er sich zumindest nichts anmerken. Stattdessen räusperte er sich geräuschvoll, um weiterzusprechen.
Mara ignorierte den Gedanken, dass der richtige Platz für Leute, die Zweige räuspern hörten, die Irrenanstalt war. Wenn dieses Gespräch zu nichts führte, konnte sie ja immer noch ihren Plan mit dem Langhaarschneider in die Tat umsetzen. Larissa würde ihr ja nicht weglaufen. Vorerst.
»Kommen wir jetzt zu dem wichtigsten Teil meiner Botschaft«, sprach der Zweig und Mara bemerkte, dass seine Stimme plötzlich einen sorgenvollen Unterton bekam. »Bitte leg deine Finger auf meine Blätter.«
Kurz dachte Mara darüber nach, was Larissa wohl sagen würde, wenn sie sie dabei erwischte, wie sie Händchen hielt mit einem Zweig. Doch da berührten ihre Finger auch schon seine Blätter, und etwas in Mara explodierte …
Kapitel 3
Später würde Mara einmal beschreiben, dass sich dieses erste Mal anfühlte, als wäre in ihrem Kopf ein Ballon geplatzt. Ein Ballon, den man nicht mit Luft, sondern mit Eindrücken aufgepumpt hatte: laut, verwirrend und vor allem sehr schmerzhaft!
Bilder, Gefühle und Geräusche prasselten so heftig auf Maras Bewusstsein ein, als wollten sie eine Schlacht um die Vorherrschaft in ihrem Gehirn gewinnen! Doch so einfach ließ Mara das nicht zu! Und das war der schmerzhafte Teil des Ganzen. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen diese Bilder und versuchte, sie aus ihrem Kopf zu vertreiben. Aber der Bildersturm bäumte sich nur noch mächtiger auf und warf sich mit all seiner flackernden, lärmenden Kraft gegen ihre schwindenden Barrieren. Mara warf vor Schmerz den Kopf in den Nacken und biss die Zähne zusammen, um nicht laut loszuschreien.
Doch der Sturm machte den gleichen Fehler wie Maras Mutter – er rechnete nicht mit Maras Trotz. Jajaja, sie hatte akzeptiert, dass ein Zweig mit ihr sprach, und sie hatte sogar geantwortet. Aber sie würde nicht zulassen, dass man dafür ihren Kopf mit noch mehr Wahnsinn flutete. Jetzt nicht und so schon gleich überhaupt nicht! Schließlich hatte sie doch vorhin erst beschlossen, endlich normal zu werden, und diesen Entschluss würde auch ein sprechender Zweig nicht rückgängig machen!
Wütend ignorierte Mara die Tatsache, dass der Bildersturm viel stärker war als sie, und stemmte sich urplötzlich mit ihrem gesamten vierzehnjährigen Trotz dagegen!
Aber da drang wie aus weiter Ferne und doch klar und verständlich eine bekannte Stimme zu ihr: »Was tust du da, Mara?«, und sie erkannte, dass es die Stimme des Zweiges war.
Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, aber trotzdem schaffte sie es, vier Worte hervorzustoßen: »Aber … ich … hasse das!«
Daraufhin drang die Stimme des Zweiges nun noch eindringlicher zu ihr: »Tu das nicht!«
Doch Mara hatte sich bereits für das Gegenteil entschlossen und mobilisierte nun auch noch das letzte Fünkchen bockigen Widerwillens gegen die tosende Bilderflut!
Fast glaubte sie ein Plopp zu hören, als sie mit einem Mal wieder in ihrem Zimmer landete. Unsinn, warum denn wieder, dachte Mara. Ich bin doch gar nicht weg gewesen. Ich sitze schließlich immer noch an meinem Schreibtisch und …
Da bemerkte sie, dass sie genau das nicht tat. Stattdessen starrte sie auf ein Poster der Beatles, von dem sie wusste, dass es über ihrem Bett an der Decke hing. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie tatsächlich in Rückenlage auf ihrem Bett gelandet war. Der Drehstuhl war umgefallen und die Tür zu ihrem Zimmer stand weit offen. Im Türrahmen stand Maras Mutter und starrte ihre Tochter an.
»Was … was tust du denn da, Mara? Hast du dir wehgetan?«
Mara sprang sofort auf, um den Eindruck zu vermitteln, dass alles in bester Ordnung war. Dabei wurde ihr augenblicklich schwarz vor Augen, aber sie schaffte es trotzdem, mit fester Stimme und möglichst beiläufig zu antworten: »Neinnein, haha, alles gut. Ich muss doch in unserem Theaterstück umfallen, weilweilweil jemand ein … eine … ein Skateboard auf der Bühne liegen gelassen hat, und ich spiele ja die Putzfrau, und die rutscht dann darauf aus.«
Und als Mara in das zweifelnde Gesicht ihrer Mutter blickte, fügte sie noch hinzu: »Das ist. Lustig. Haha.«
»Also ich weiß ja nicht, wie ich das finden soll, wenn die Lehrer euch so gefährliche Sachen machen lassen«, sagte Mama, und Mara wusste ganz genau, wie sie das meinte. Sie meinte damit eigentlich: »Da werd ich wohl mal wieder in der Schule anrufen und mich beschweren müssen.«
Und das war für Mara immer das Aller-Aller-Allerschlimmste! In diesem Fall kam noch hinzu, dass Mara gar nicht in der Theatergruppe war und dort auch ganz bestimmt kein Stück gespielt wurde, in dem irgendwer auf einem Skateboard ausrutschen musste! Das wusste Mara sicher, und zwar weil es in ihrer Schule gar keine Theatergruppe gab.
»Neinnein, so schlimm ist das doch gar nicht, Mama!«, beeilte sie sich zu erklären. »Du musst dir keine Sorgen machen, ich steh doch in der Szene auch direkt vor einem Bett, und da fall ich dann drauf. Ich bin nur eben mit dem Fuß gegen den Drehstuhl gestoßen und der ist dabei umgekippt.«
Mara wollte den Drehstuhl mit nur einer Hand und einer besonders beiläufigen Bewegung wieder aufstellen, aber irgendwie klappte das nicht so recht, und sie musste etwas ungelenk die andere Hand zu Hilfe nehmen. Während die Lehne einmal ziemlich lautstark gegen die Tischplatte krachte und die Plastikrollen an den fünf Beinen besonders nervig klapperten, sprach Mara trotzdem weiter, als wäre nichts gewesen: »Die Frau Englbrecht passt schon auf uns auf, wir machen keine gefährlichen Sachen. Ehrlich nicht. Schau!« Und sie ließ sich noch einmal betont spielerisch auf ihr Bett fallen. »Siehst du? So sieht das dann aus. Ich kann bestimmt auch noch eine Decke zusätzlich auf das Bett legen oder so. Kein Problem. Echt. Gar nicht. Schau!«
Maras Mutter sah zu, wie sich ihre Tochter ein weiteres Mal aufs Bett warf und dabei