Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

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Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis

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formte sich urplötzlich ein Bild in Maras Kopf: Sie sah einen mittelgroßen Apfelbaum, der an einem Rednerpult stand, und vor ihm eine Schar von Reportern, die ihn mit Fragen bestürmten. Der Baum winkte mit einem Ast ab und sagte: »Wir werden uns mit diesen Fragen zu gegebener Zeit beschäftigen, aber bitte haben Sie Verständnis, dass ich dazu im Moment wenig sagen kann.«

      NEIN. Mara drückte die skurrile Szene zu einem kleinen Knäuel zusammen und warf sie in Gedanken ganz weit weg. Oh, wie sie dieses Kopfkino hasste! Ihre Gedanken waren eh schon voll mit Mama, Papa, Schule, Larissa und dem Rest der Welt! Oh ja, Mara hatte wirklich schon genug mit der Realität zu kämpfen und heute war es ein besonders harter Kampf.

      Sie sah zu ihrer Mutter hinüber. Die war zu Maras namenlosem Entsetzen gerade dazu übergegangen, zur Verstärkung des Gesprächsangebots an ihren Baum ein paar Yogaübungen mit einfließen zu lassen.

      Mama, bitte nicht, dachte Mara. Aber da war es bereits zu spät. Die nackten Füße ihrer Mutter reckten sich hoffnungsvoll nach dem untersten Zweig des Baumes.

      Das hatte zwei Effekte. Effekt eins: Der Baum war jetzt garantiert so peinlich berührt, dass er nie wieder zu irgendwem oder irgendwas sprechen würde. Effekt zwei bestand aus zehn Augenpaaren, die sich allesamt von ihren Bäumen ab- und Maras Mutter zuwendeten.

      Und da kam die Seminarleiterin auch schon angeflattert in ihrem komischen Kleid, das aus mehreren Schichten bunt bedruckter Seidentücher zu bestehen schien. Dazu klapperte die doppelt gelegte Bernsteinkette um ihren Hals, als wäre die ganze Frau eine Rassel für Riesenbabys. Sie klapperte an Mara vorbei zu Mama und kam gerade noch rechtzeitig, um mit anzusehen, wie diese bei dem Versuch, sich vor dem Baum in eine Kerze zu stemmen, abrutschte und mit einem ihrer typischen, unterdrückten Quietscher seitlich in die Büsche fiel.

      »Du liebe Zeit, Frau Lorbeer, ist Ihnen was passiert?«, näselte die Flatterfrau und klang dabei, als würde sie mit einem Kindergartenkind sprechen. Das war allerdings nichts Besonderes, denn so sprach sie mit allen Anwesenden – außer mit Mara, denn mit Mara sprach sie eigentlich gar nicht. Vielleicht weil die Flatterfrau wusste, dass Mara sie durchschaut hatte, mitsamt ihrem ganzen Räucherstäbchen-Blabla. Vielleicht aber auch, weil sie Mara keines Wortes wert befand. Was auch immer der Grund war, Mara war einfach nur froh, dass man sie in Ruhe ließ.

      Jetzt war die Flatterfrau gerade damit beschäftigt, Mama aus dem Gebüsch zu befreien. Das stellte sich aufgrund des massiven Seidentuchaufkommens als ziemlich schwierig heraus, da sich die Tücher laufend in den Ästen verfingen. Mara stand auf und half, ihre Mutter wieder auf die Beine zu stellen.

      Der schien das alles gar nicht peinlich zu sein. Mama kicherte nur die ganze Zeit. Bemerkte sie denn nicht, wie albern sie gerade wirkte? Hatte sie denn gar kein Schamgefühl? Natürlich nicht, denn sonst wären sie gar nicht erst hierhergekommen.

      Okay, Mara hatte ihre Mutter schon viele dämliche Dinge tun sehen, aber das hier kam auf jeden Fall in die Top 3. Auf Platz Nummer 2 war die kleine »Energy-Vital-Pyramide« aus Kupferdraht, die angeblich dafür sorgte, dass Äpfel im Obstkorb länger frisch blieben. Und Nummer 1 war Mara so peinlich, dass sie sich zwingen musste, nicht daran zu denken. Die Flatterfrau erklärte den Teilnehmern, dass nun leider die Konzentration empfindlich gestört war und es auch den Bäumen nicht zuzumuten sei, wieder von vorne zu beginnen. Ein paar der Wiccas murrten unwirsch, so als hätte man sie gerade in einem anregenden Gespräch mit ihrem Baum unterbrochen. Nach Maras Einschätzung traf wohl eher das Gegenteil zu, aber das würde natürlich keine der Wiccas zugeben. Dafür würden sie etwas von Energien schwafeln und von Schwingungen, die sie gespürt hatten, und dazu wurde sehr viel wissend genickt. Wie immer eben.

      Eine halbe Stunde später saß Mara neben ihrer Mutter im Bus nach Hause und versuchte, Mama einen Zweig mit Blättern aus den zerzausten Haaren zu zupfen.

      »Mara, bitte! Was soll denn das?«, zischte ihre Mutter, wedelte mit der Hand, als wollte sie ein Insekt verscheuchen, und lächelte dann den Mann gegenüber entschuldigend an. Der lächelte nicht zurück, denn er starrte nach wie vor auf den Zweig in Mamas Haaren, dessen Blätter bei jeder Bodenwelle vor sich hin zitterten. Nur weil Mara den Blicken des Mannes gefolgt war, hatte sie den Zweig in den Haaren überhaupt entdeckt, und jetzt durfte sie ihn also nicht herausziehen. Na gut, dann eben nicht.

      Mara setzte ihr »Ich bin nicht die Tochter dieser fremden Frau«-Gesicht auf und wartete mit leerem Blick, bis die erlösende Haltestelle von der seltsam toten Stimme angesagt wurde, die man seit ein paar Jahren anstelle der Stimme des Busfahrers aushalten musste. Ihr war das schlecht gelaunte Genuschel des Busfahrers irgendwie lieber gewesen. Sofort ploppte wieder ein Bild in Maras Gedanken auf: Sie sah, wie der Bus, nur von der toten Stimme gesteuert, rücksichtslos die programmierten Stationen abfährt – immer darauf bedacht, im Zeitplan zu bleiben und keinesfalls wertvolle Sekunden zu verlieren. Und da rollt plötzlich der Ball eines spielenden Jungen auf die Fahrbahn und …

      NEIN! Mara schüttelte die Bilder von sich und fasste einen Entschluss: Keine. Tagträume. Mehr. Nie wieder!

      An diesem völlig verkorksten Samstag würde Mara ihr Leben ändern! Ab heute würde sie nie wieder abwesend und mit entrücktem Blick in der Klasse sitzen. Sie würde niemandem mehr die Gelegenheit geben, ihre Frisur mit Papierschiffchen zu dekorieren. Und selbst Larissa würde nichts mehr an ihr finden, über das man lachen konnte. Ab heute würde Mara das normalste Mädchen der Welt sein. Durchschnitt! Unauffällig! Nichts Besonderes. Einfach nur Mara Lorbeer, Schülerin. Auf Wiedersehen, Traumwelt. Guten Tag, Realität. So. Leben geändert, fertig.

      Am liebsten hätte Mara ganz laut geseufzt. Das war ja ganz einfach!, dachte sie und fühlte sich von einer Sekunde auf die andere richtig befreit. Fast hätte sie sogar gelächelt, als sie hinter ihrer Mutter an der Haltestelle Mariahilfstraße aus dem Bus stieg. Trotzdem ließ sie sich auf dem Gehweg ein paar Meter hinter ihre Mutter zurückfallen, denn der Zweig in Mamas Haaren schien allen Passanten im Rhythmus der Schritte freundlich zuzuwinken.

      Na und, sollte sich Mama doch weiter zum Gespött der Leute machen und mit den Wiccas von der Au jeden Samstag im Kompost rollen, Bäume bequatschen oder zu schrägem Geflöte und rhythmuslosem Getrommel ungelenk durch den Wald hopsen! Ab heute würde Mama das ohne ihre Tochter tun, und wenn sie sich auf den Kopf stellte! Also, noch mal auf den Kopf stellte. Oder was auch immer.

      Mama wusste natürlich, dass Mara der ganzen Wicca-Nummer äußerst skeptisch gegenüberstand.

      »Du hältst mich für verrückt, ich weiß«, sagte sie immer. »Dein Vater hat das auch gedacht, und er denkt es bestimmt noch heute. Aber das ist mir egal! Denn eines Tages wirst du vor mir stehen und mir dafür danken, dass ich dir die Augen geöffnet habe. Und ich hoffe, dass du ihm dann ausrichtest, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Nur weil ihr euch nicht vorstellen könnt, dass es mehr gibt als dieses Leben, so wie ihr es kennt und gern hättet, heißt das noch lange nicht, dass das unbedingt so sein muss!«

      Tja, dachte Mara. Aber der Baum hat dir nun mal nicht geantwortet. Denn ich als deine unauffällige, vernünftige, tagtraumlose und äußerst realistisch veranlagte Tochter kann dir hiermit versichern: Pflanzen. Sprechen. Nicht.

      »Das würde ich so nicht sagen«, sprach der Zweig auf dem Kopf ihrer Mutter und Maras Welt veränderte sich.

       Kapitel 2

      Mara gehörte nicht zu der Sorte Mädchen, die leicht zu schocken waren. Es war ihr immer schon wichtig gewesen, auf plötzliche

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